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Richter im AWZ

TAbfall-Konflikte: Vom Umgang mit Schummlern und ehrlichen Kunden

Maja Hadler renoviert gerade ein altes Haus in Jork und lässt sich von AWZ-Mitarbeiterin Sandra Geerdes erklären, wo sie Altholz und Sperrmüll abladen kann - ganz ohne Diskussionen.

Maja Hadler renoviert gerade ein altes Haus in Jork und lässt sich von AWZ-Mitarbeiterin Sandra Geerdes erklären, wo sie Altholz und Sperrmüll abladen kann - ganz ohne Diskussionen. Foto: Richter

Wer im Abfallwirtschaftszentrum arbeitet, braucht Gelassenheit. Das merkt TAGEBLATT-Reporterin Anping Richter bei den Diskussionen an der Kasse jeden Tag. Trotzdem eskaliert es manchmal.

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Von Anping Richter
Donnerstag, 07.08.2025, 19:30 Uhr

Buxtehude. Ist das jetzt Bauschutt, Sperrmüll oder Restabfall? Seit fünf Tagen übe ich nun, diese Kategorien korrekt zu unterscheiden. Doch noch immer brauche ich professionelle Begleitung. Darum gehe ich neben Sandra her zu den wartenden Autofahrern, um zu fragen, was sie bringen und prüfend in die Kofferräume und Anhänger zu sehen.

„Sperrmüll?“, frage ich Sandra Geerdes nach einem Blick in den Anhänger und will es schon auf dem kleinen Formularzettel eintragen. Doch sie schüttelt den Kopf: „Nein. Gartenzäune, A4“. Das steht für Altholzklasse 4. Weil fast niemand weiß, was das bedeutet, steht am dafür vorgesehenen Container ein anderes Wort: Bahnschwellen. Die wurden traditionell mit Teeröl imprägniert, ähnlich wie viele Gartenzäune. Das ist so schädlich, dass pro Kubikmeter 100 Euro für die Entsorgung fällig werden.

Das menschliche Schummelbedürfnis

Die meisten Kunden sind einsichtig und freundlich. Dass Schummeln nicht gut, aber menschlich ist, scheinen die Kollegen zu wissen und bleiben meist erstaunlich gelassen, wenn sie im Grünabfall, den Private kostenfrei entsorgen dürfen, Holzstücke oder andere Beimischungen entdecken. Einfach durchgehen lassen sie es nicht: „Das müssen sie rausholen und ins Altholz werfen“, sagt Sandra.

Oft zu hören ist die lapidare Beschreibung: „Alles Sperrmüll.“ Bis zwei Kubikmeter pro Woche ist der gebührenfrei. Doch ein Blick offenbart oft Rest- oder Baustellenabfall, der 60 Euro pro Kubikmeter oder 205 Euro pro Tonne kostet. „Sperrmüll ist alles, was du bei einem Umzug mitnehmen könntest“, erklärt Sandra mir. Ein Sofa? Ja. Ein Türrahmen? Nein.

Der Sonnabend, stärkster Tag der Woche, war mit 250 Kunden relativ ruhig, sagen die Kollegen. Sonnabends kommen manchmal 350 bis 400. Die meisten würden am liebsten kurz „Grünabfall“ sagen und dann mit ihrem vollen Hänger durchfahren - wie der, der jetzt gerade vorfährt. Doch Sandra fragt: „Könnten Sie bitte den Kofferraum öffnen?“ Wortlos steigt er aus. Der Gesichtsausdruck: sparsam. Er hat nichts dabei. Nickels Schulze, der drinnen an der Kasse sitzt, hebt den Schlagbaum.

Warum zwei Wertstoffhöfe direkt nebeneinander?

Heute macht Nickels Kasse, Sandra ist draußen. Dienstag war es umgekehrt, und Nickels wurde Leidtragender, als ein ganz typischer, alltäglicher Konflikt eskalierte. Früher durften die Einwohner des Nachbarlandkreises Harburg ihren Abfall auch hier im AWZ abgeben. Doch vor einigen Jahren wurde die Abwicklung getrennt.

Direkt neben dem AWZ Buxtehude-Ardestorf des Landkreises Stade gibt es seitdem die Wertstoffannahmestelle Ardestorf des Landkreises Harburg. Die Zufahrten sind direkt nebeneinander und deutlich ausgeschildert. Doch der Landkreis Harburg öffnet seine Anlage dienstags und donnerstags nicht.

Schildbürgerstreich? Nein - Systemlogik

„Manche fragen, was das für ein Schildbürgerstreich ist, zwei solche Höfe nebeneinander zu betreiben“, sagt AWZ-Leiter Tobias Güldenpfennig. Doch es gibt logische Gründe, die im System liegen: Zum einen unterschiedliche Gebühren, die von den Politikern verschiedener Landkreise abgesegnet werden; zum anderen noch die Personalkosten, die auch auseinandergerechnet werden müssen. Darum darf kein Abfall aus dem Nachbarlandkreis angenommen werden.

Diese Erklärung leuchtete dem Mann aus dem Nachbarlandkreis Harburg am Dienstag offenbar nicht ein. Er wollte Grünabfall abgeben, die Wertstoffannahmestelle des Landkreises Harburg ist dienstags und donnerstags geschlossen. Das mag ärgerlich sein, aber kein Grund, jemanden „Arschloch“ zu nennen.

Der Kollege meldete den Vorfall seinem Vorgesetzten, Tobias Güldenpfennig sprach den Mann, der noch auf dem Grundstück war, sofort an und hat den Vorfall der Dezernentin gemeldet. Der Mann dürfte demnächst Post vom Landkreis Stade im Briefkasten finden.

Die Arbeit mit Abfall verdient Respekt

So verfährt das AWZ in solchen Fällen immer. Dass es gerade den freundlichen Nickels, der immer die Ruhe selbst ist, getroffen hat, bringt alle zum Kopfschütteln. „Wir wollen nicht mehr, als vernünftig behandelt zu werden und nicht als Menschen zweiter Klasse“, sagt Güldenpfennig. Dass sie mit Abfall arbeiten, sei kein Grund, abfällig zu werden, sondern eine wichtige Aufgabe und verdiene Respekt.

Bis eben stand neben dem Kinder-Reitpferdchen noch ein zweites. Doch das ist plötzlich verschwunden.

Bis eben stand neben dem Kinder-Reitpferdchen noch ein zweites. Doch das ist plötzlich verschwunden. Foto: Richter

„Guck mal, die Pferde!“, sagt Sandra plötzlich und deutet auf die Sperrmüll-Ecke, wo zwei niedliche Plüsch-Reittiere Seite an Seite abgestellt sind. Ich gehe los, um ein Foto zu machen, fotografiere unterwegs aber noch Rainer Schuran, der mit dem Hochdruckstrahler in der Sonne steht und Radlader und Kehrmaschine reinigt.

Als ich zur Sperrmüll-Ecke komme, steht nur noch eins der Pferde da - das weiße, das schwarze ist weg. „Was wir nicht wissen, können wir auch nicht ahnden“, sagt Tobias Güldenpfennig, als ich davon berichte und lächelt verschmitzt. Mich freut es, dass das Pferdchen nicht in der Müllverbrennung landet und nun vielleicht wieder ein Kind damit Spaß hat.

Werner Hornung vom Awo-Kaufhaus mit Herz in Buxtehude muss oft unbrauchbare Dinge entsorgen, die ihnen ungefragt vor die Tür gestellt werden - wie dieses Katzenklo.

Werner Hornung vom Awo-Kaufhaus mit Herz in Buxtehude muss oft unbrauchbare Dinge entsorgen, die ihnen ungefragt vor die Tür gestellt werden - wie dieses Katzenklo. Foto: Richter

Werner Hornung und Sabina Frank sehen das auch so. Dingen ein zweites Leben zu schenken, ist nämlich ihr Metier: Die beiden sind gerade mit einem vollen Transporter des Awo-Kaufhauses mit Herz vorgefahren. „Zum Glück gibt es uns. Ohne uns würde alles, was sie bei uns abgeben, wohl im Müll landen“, sagt Hornung. Seiner Bitte, allen zu sagen, wo sie das Kaufhaus mit Herz in Buxtehude finden, komme ich gerne nach: Bahnhofstraße 51.

Dem Kaufhaus mit Herz blutet das Herz

Gut erhaltene Kleidung, funktionstüchtige Elektroartikel, Bücher, Geschirr, Gardinen - kurz: Viele Dinge, die ich blutenden Herzens jeden Tag von Neuem hier entdecke, könnten im Kaufhaus mit Herz kostenlos abgegeben und für kleines Geld von Menschen gekauft werden, die sie gut gebrauchen können.

Werner Hornung und seine Kollegin sind aber nicht etwa gekommen, um sich neu einzudecken. Im Gegenteil. Sie müssen mindestens einmal pro Woche ins AWZ, um Abfall zu entsorgen. „Dabei sehen unsere Mitarbeiter bei der Annahme eigentlich genau hin und nehmen nur gut Erhaltenes“, erklärt er. Doch das Katzenklo, das er gerade wegträgt, gehört zu den vielen unbrauchbaren Dingen, die Unbekannte ihnen nachts oder am Wochenende ungefragt vor die Tür stellen.

„Früher hatten wir eine Überwachungskamera am Eingang, aber die wurde weggetreten“, berichtet Hornung. Absurderweise muss das Awo-Kaufhaus für die Entsorgung auch noch bezahlen. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass die AWZ-Kollegen die Mengen bei ihnen sehr nachsichtig schätzen.

Der Saubermann des AWZ: Rainer Schuran reinigt die Maschinen regelmäßig mit dem Hochdruckstrahler, mindestens einmal in der Woche.

Der Saubermann des AWZ: Rainer Schuran reinigt die Maschinen regelmäßig mit dem Hochdruckstrahler, mindestens einmal in der Woche. Foto: Richter

Viele Kunden bringen zurzeit nur Grünabfall und können an der Kasse meist direkt durchfahren. Bei Privaten kostet die Abgabe nichts.

Viele Kunden bringen zurzeit nur Grünabfall und können an der Kasse meist direkt durchfahren. Bei Privaten kostet die Abgabe nichts. Foto: Richter

Serie: Richter im AWZ

Auch in diesem Sommer absolviert TAGEBLATT-Reporterin Anping Richter wieder eine Praktikumswoche an einem spannenden Ort. Die erste absolvierte sie 2022 im Kiosk Am Sande in Stade, heuerte danach auf der Elbfähre an und im vergangenen Jahr am Lühe-Anleger. Diesmal ist es eine Woche in Orange: Im Abfallwirtschaftszentrum Buxtehude-Ardestorf bekommt sie spannende Einblicke und berichtet täglich von ihren Erlebnissen.

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