TBauernprotest im Stader Nachbarkreis: Seite an Seite mit Scharfmachern?

Eine deutliche Botschaft: Bei der nächtlichen Blockade-Aktion der Bauern im Bremerhavener Hafen Anfang Februar wurde unmissverständlich gefordert, dass die Ampel „weg muss“ Foto: Hartmann
Die Landwirte im Kreis Cuxhaven sind seit Wochen auf den Barrikaden. Haben sie das Recht auf Protest? Definitiv. Doch mittlerweile haben sich an ihre Seite auch manche Sympathisanten gestellt, die im Visier des Verfassungsschutzes stehen.
Landkreis Cuxhaven. Das Video auf dem Social-Media-Kanal Telegram ist unmissverständlich. „Die Lokalpresse verbreitet Desinformationen“, man müsse ihr einen „Denkzettel verpassen“. Dann werden „mutige Menschen“ dazu aufgefordert, zum Druckzentrum zu marschieren. „Denn es gibt kein Recht auf Meinungsunterdrückung“, heißt es.
Etwa 50 Demonstranten sind diesem Aufruf gefolgt. Sie haben die Auslieferung der "Nordsee-Zeitung" für Stunden blockiert, einen Haufen Mist vors Druckzentrum gekippt, ein Gespräch mit dem Verleger gefordert. Alles, weil den Protestlern die Berichterstattung nicht passte. Es war nicht das erste Mal, dass bei den Bauernprotesten etwas aus dem Ruder lief. Anfang Februar gab es eine nächtliche Blockade des Hafens, bei der Treckerfahrer versuchten, Polizeiabsperrungen zu durchbrechen. Ein paar Tage zuvor brannten entlang der Autobahn Strohballen und Autoreifen, dort ermittelt der Staatsschutz.
Vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft
Das Telegram-Video hat Thorben Knauer gedreht, Aktivist der Gruppe „Gemeinsam Stark Bremerhaven“. Sie ist aus den Corona-Protesten heraus entstanden und hat die „Montagsspaziergänge“ in der Seestadt veranstaltet. Der Verfassungsschutz stuft die Gruppe als extremistisch ein. „Gemeinsam Stark Bremerhaven“ sei die einzige Gruppe, der es nach dem Wegfall der Corona-Beschränkungen gelungen sei, stabile Strukturen aufzubauen, heißt es dazu in dem Bericht.
Verschwörungsmythen als Begründung für Widerstand
Auf den Telegram-Kanälen der Gruppe werden laut Verfassungsschutz Beiträge geteilt, die den Staat, seine Repräsentanten und deren demokratisch legitimierte Entscheidungen systematisch verunglimpften. Dahinter steckten Verschwörungsmythen. Wie der, dass eine Elite „und deren Handlanger in den Parlamenten“ mit perfiden Strategien die Unterjochung des Volkes betreibe. Die Regierenden würden als Protagonisten eines geheimen Weltkriegs dargestellt, die von namenlosen „Auftraggebern“ – einer Umschreibung für den antisemitischen Verschwörungsmythos einer geheimen (jüdischen) Weltregierung – gesteuert würden. Die Kriegs-Metapher diene als Argument, um Gewalt als Mittel des Widerstands zu propagieren, so der Verfassungsschutz.
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Dass diese Gruppe bei den Bauernprotesten mitmischt, wurde am Tag nach der Blockade des Druckzentrums offenkundig. Dort lief zum Gespräch der Blockierer mit der NZ-Chefredaktion neben Bauern auch Robert Brönhorst auf, einer der Protagonisten von „Gemeinsam Stark Bremerhaven“. An seiner Seite der Unternehmer Maximilian Curti, laut Facebook-Profil ein gebürtiger Österreicher und Mitglied der rechtspopulistischen FPÖ, der dort das Banner „Deutschlands größte Schande – Scholz und seine Bande“ präsentiert.
Brönhorst war bei der Mahnwache der Bauern in Wanna dabei
Beide standen auch auf der zweitägigen Mahnwache der Bauern in Wanna auf der Bühne. Ken Mauchert, Initiator des Camps, reagiert ausweichend. Von dem Video habe er erst bei dem NZ-Gespräch erfahren, sagt er. „Jeder hat eine zweite Chance verdient“, begründet er die Teilnahme von Brönhorst und seinen Mitstreitern an der Mahnwache. Man habe aber klargemacht, „dass wir sie von unseren Veranstaltungen ausschließen, wenn sie sich weiter demokratiefeindlich äußerten“, so Mauchert.

Er war bei mindestens zwei Aktionen der Bauernproteste beteiligt: Robert Brönhorst von der Gruppe „Gemeinsam Stark Bremerhaven“, die vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft wird. Foto: Masorat
In den Interessenverbänden der Landwirte gibt es kein Verständnis für solche „Koalitionen“. Landvolk-Chef Jan Heusmann sieht mit Sorge, dass „immer mehr Trittbrettfahrer mit für uns nicht einschätzbaren Motivationen“ die Proteste infiltrierten und zum Teil auch übernähmen. „Das sind Ecken, in denen wir uns nicht wiederfinden dürfen.“ Horst Meyer, der Sprecher der Bauernbewegung „Land schafft Verbindung“ (LsV) sieht das ähnlich: „Personen, die Positionen wie in diesem Telegram-Video vertreten, spielen auf LsV-Veranstaltungen keine Rolle.“
WhatsApp-Gruppen ersetzen Organisation der Verbände
Die Proteste der vergangenen Wochen zeigen aber, wie zersplittert die Bauernschaft ist – und dass sie ihre Verbände nicht mehr braucht, um laut zu sein. Weder der LsV und schon gar nicht das Landvolk sind bei den Protesten federführend. Die meisten Aktionen in der Region werden dezentral organisiert, von Bauern wie Mauchert, die sich in WhatsApp-Gruppen zusammengefunden haben.
Trotzdem hat die große Mehrzahl der Landwirte nichts mit Extremisten am Hut. Das bestätigen auch Experten wie Janna Luise Pieper, Agrarsoziologin an der Uni Göttingen. Man dürfe nicht den Fehler begehen, die ganze Bewegung als demokratiefeindlich einzustufen, stellte Pieper im NDR klar. Es gebe aber Rechte und Verschwörungsideologen, die die Proteste zu kapern versuchten. Da liege es an jedem Einzelnen, sich nach rechts abzugrenzen. Das findet Heino Klintworth, Vorsitzender des Landvolks Hadeln, auch. „Wenn man auf einer Demo demokratiefeindliche Sprüche hört, dann geht man. Das ist doch klar.“
Friedliche Protestaktionen im Kreis Stade
Im Landkreis Stade haben die Bauern zuletzt mit friedlichen Protestaktionen auf ihr Anliegen aufmerksam gemacht.
In Stade hatten Landwirte auf dem Platz Am Sande medienwirksam ein Camp aufgebaut. Drei Wochen lang harrten sie an der Feuertonne aus und informierten die Bürger über ihren Beruf und die Herausforderungen, vor denen die regionale Landwirtschaft derzeit steht. Zwar besuchte der von ihnen eingeladene Bundeskanzler Olaf Scholz sie nicht zum Gespräch, dennoch werten die Teilnehmer ihr Protestcamp als Erfolg. Das Camp sei eine Möglichkeit, zu zeigen, dass Landwirte nicht nur mit Treckern protestieren könnten.
Das zeigten auch die Obstbauern im Alten Land auf kreative Art und Weise: Anfang Februar formierten sich auf einem Acker in Buxtehude-Eilendorf rund 200 Traktoren und andere Fahrzeuge zu einem in der Dunkelheit leuchtenden Apfel. Der Protest sollte friedlich sein, ohne anderen Menschen den Weg zu versperren. Aber eindrucksvoll, damit ihn niemand übersehen kann. Mit dem Bild des leuchtenden Apfels wollten die Obstbauern ein Zeichen setzen, dass es sie noch gibt. „Wir wollen mit den Politikern im Gespräch bleiben“, erklärte ein Obstbauer aus dem Alten Land das Ziel der Bauernproteste. (set)