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Vermisster Arian (6)

T„Da sollten wir noch mal nachsehen“: Suchtrupps im Kreis Stade geben nicht auf

Feuerwehr und Polizei ziehen am Freitagvormittag in Estorf von Straße zu Straße, betreten auch Grundstücke.

Feuerwehr und Polizei ziehen am Freitagvormittag in Estorf von Straße zu Straße, betreten auch Grundstücke. Foto: Klempow

Die tagelange Suche nach dem vermissten Arian (6) aus Elm bewegt die Menschen in den Ostedörfern tief. In Estorf, Burweg und Kranenburg sind Retter und Anwohner direkt betroffen. Wo sie suchen, wie sie sich helfen. Sie alle eint eine Hoffnung.

Von Grit Klempow Samstag, 27.04.2024, 00:51 Uhr

Estorf/Gräpel. Freitagvormittag: In Estorf wartet ein Trupp der Freiwilligen Feuerwehr Estorf auf die nächsten Anweisungen. Sie alle haben ihre eigenen Grundstücke bereits akribisch nach Arian (6) durchsucht. „Meine Frau ist so angespannt“, sagt einer, „die geht jede Stunde wieder raus und sucht noch mal.“

Fast vier Tage lang war das Drohnen-Team der Feuerwehr Estorf schon mit der gerade neu angeschafften Drohne mit Wärmebildkamera im Einsatz, um den aus dem nahe gelegenen Bremervörde-Elm verschwundenen Jungen zu suchen. Am Freitag sucht die Bundeswehr mit, in Estorf durchkämmen Feuerwehr und Polizei zusammen das Dorf, Straße für Straße. Sie suchen in Gräben und Tümpeln, schauen in jede Ecke, klettern auf Silageballen und in Weideunterstände von Pferden und Schafen. Die Anteilnahme in den Ostedörfern ist groß.

Die Polizei klingelt bei einem Bewohner in Gräpel.

Die Polizei klingelt bei einem Bewohner in Gräpel. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Arians Eltern wenden sich an Bewohner im Landkreis Stade

Die Polizei Rotenburg teilte am Morgen einen emotionalen Aufruf der Eltern an alle Bewohner in der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten mit. „Wir glauben, dass Arian sich auf den Weg gemacht hat, um ein großes Abenteuer zu erleben, und dass er sich nicht nur hier in Elm, sondern auch in den Gemeinden Estorf, Kranenburg, Oldendorf, Burweg bis nach Hechthausen bewegen und verstecken könnte,“ schreiben sie. Man solle auch an ungewöhnlichen Orten suchen - Misthaufen, größere Rohre, Baustellen, Dachböden. „Arian ist ein sportlicher, geschickter kleiner Junge mit fantastischen Instinkten. Er kann sehr gut klettern und hat viel Energie, weshalb er auch weite Strecken zurücklegen könnte“, berichten die Eltern.

Arian ist Autist. Er hatte nach Angaben seiner Eltern erst kurz zuvor gelernt, wie man Türen öffnet. Eine Überwachungskamera filmte am Montagabend, wie er nach dem Verschwinden aus dem Elternhaus mit einem Stock auf der Straße herumfuchtelt. Dann eilt er Richtung Wald - und die Spur verliert sich.

Autist: Wenn Arian gefunden wird, nicht seinen Namen laut rufen

Es ist eine Suche unter erschwerten Bedingungen. Arian spricht nicht - und würde auf Zuruf von Fremden wahrscheinlich nicht reagieren. Auf Laufzetteln gibt es deshalb wichtige Hinweise für die Helfer. So sollen sie etwa den Namen des Jungen nicht rufen, weil er ängstlich reagieren und sich verstecken könnte. Helfer sollen auf Aufhäufungen achten, weil es möglich sei, dass sich der Junge, wenn er ruht, mit schwerem Material zudeckt.

Sollten Helfer ihn finden, soll nur eine Person auf ihn zugehen, sich zu ihm hocken - und nicht anfassen. Auf keinen Fall solle gejubelt werden. Wenn er liegt, ihn in liegender Position lassen. „Medizinisch absolut notwendig“, heißt es.

Wer von Elm über Behrste nach Gräpel und Estorf fährt, wer den Weg nach Kranenburg, Blumenthal oder Oldendorf wählt, hält die Augen offen, fährt langsam, achtet auf Bewegung und scannt automatisch die Landschaft nach einem kleinen orangefarbenen Fleck - das Foto des verschwundenen Arian in seinem Langarm-Shirt vor Augen.

Das Foto zeigt die Kleidung, die Arian bei seinem Verschwinden trug.

Das Foto zeigt die Kleidung, die Arian bei seinem Verschwinden trug. Foto: Polizei

Der sieht aber die Gegend auch plötzlich mit anderen Augen, sieht lose Bretter und Lücken in Scheunenwänden, sieht an Holzschuppen gestapelte Beton-Fundamente, Gartenhäuschen und Kunststoff-Truhen für Gartenstuhl-Kissen - überall Verstecke.

Eine Wildkamera, Luftballons und Süßigkeiten hängen zur Hilfe bei der Suche nach einem vermissten Jungen auf einem Feld.

Eine Wildkamera, Luftballons und Süßigkeiten hängen zur Hilfe bei der Suche nach einem vermissten Jungen auf einem Feld. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa/Daniel Bockwoldt

Suche nach Arian in Estorf: „Da sollten wir noch mal genau nachsehen“

Die Helfer lassen sich nicht entmutigen. „Sonst würden wir hier nicht stehen“, sagt Estorfs Ortsbrandmeister Bastian Eckhoff. Gemeinsam mit der Polizei macht sich der Fußtrupp zum nächsten Abschnitt auf. Die Ortskenntnis als Hilfe ist nicht zu unterschätzen. „Da sollten wir noch mal genau nachsehen“, schlägt einer für ein bestimmtes Grundstück vor - der Bewohner sei schließlich blind und könnte somit selbst nicht viel ausrichten.

Estorfs Ortsbrandmeister Bastian Eckhoff.

Estorfs Ortsbrandmeister Bastian Eckhoff. Foto: Klempow

Die Helfer verteilen sich auf einer Weide, die zwischen Dorfmitte und Ortsrand liegt und marschieren in einer Kette los. Einen Tümpel in der Nähe haben Kameraden in Wathosen bereits abgesucht.

Polizisten auf dem Sportplatz im Estorfer Ortsteil Gräpel.

Polizisten auf dem Sportplatz im Estorfer Ortsteil Gräpel. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa/Daniel Bockwoldt

Feuerwehrleute melden sich freiwillig für die Suche nach vermisstem Arian

An diesem Tag sind nicht ganz so viele Feuerwehrkräfte aus der Samtgemeinde im Einsatz wie in den Tagen zuvor. „Zeitweilig waren wir mit 80 Einsatzkräften dabei“, sagt Gemeindebrandmeister Malte Gooßen. So gut wie jede der 18 Ortswehren aus Oldendorf-Himmelpforten war vertreten - mit Kameraden als Suchtrupp, die Wehren Burweg und Gräpel mit den Booten oder die Estorfer mit ihrer Drohne im Dauereinsatz.

Soldaten marschieren in Kranenburg über ein Feld. Die Bundeswehr schickte noch mehr Personal.

Soldaten marschieren in Kranenburg über ein Feld. Die Bundeswehr schickte noch mehr Personal. Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Die Hilfsbereitschaft ist riesig. „Es gibt Kameraden, die mich persönlich anrufen und fragen, warum sie nicht gebraucht werden“, sagt Gooßen. Am heutigen Freitag ist nicht so sehr Mannschaftsstärke gefragt, die Bundeswehr ist in Elm im Einsatz.

Stader Landrat Kai Seefried bietet in Elm weitere Unterstützung an

Was gebraucht wird, ist die Ortskenntnis. In den Dörfern an der Oste wird jede Ecke durchlaufen. „Wir haben wieder neue Suchkorridore eingerichtet und suchen dort, allerdings nicht mit den langen Polizei- oder Personenketten, sondern in kleineren Gruppen“, sagte Polizeisprecher Heiner van der Werp am Freitag. Die Suche konzentriere sich auf einen Bereich nordwestlich von Elm, dem Heimatort des Sechsjährigen. Die Suche dort laufe auch entlang der Oste.

Auch für Gooßen ist ein solcher Einsatz bislang beispiellos. Er hat ein dickes Lob für die Nachbarn aus Elm, die sich vor Ort um die Versorgung der unzähligen Helfer bestens kümmern. Auch die Zusammenarbeit der Helfer und die Kommunikation zwischen Polizei, Feuerwehr und weiteren Hilfsorganisationen klappt bestens.

Seit vier Tagen unterstützen die Ortswehren der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten die Suche nach Arian.

Seit vier Tagen unterstützen die Ortswehren der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten die Suche nach Arian. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Das betonten am Freitagmorgen auch die beiden Landräte aus Rotenburg (Wümme) und Stade. Marco Prietz und Kai Seefried, die sich vor Ort ein Bild machten und laut Polizeipressesprecherin Sara Mehnen ihre grenzenlose Unterstützung anboten. Das habe auch der Einsatzleitung noch einmal den Rücken gestärkt.

Auch der Präsident der Polizeidirektion Lüneburg Thomas Ring kam mit Dank und Lob für eine reibungslose Zusammenarbeit, die es so noch nie gegeben habe. Aber alle Beteiligten hätten eben nur das eine Ziel: Arian zu finden. (mit dpa)

Hinweise zum Vermisstenfall Arian (6) nimmt die Polizei im Bürgertelefon unter den Telefonnummern 04761/74 89 135 oder 04761/74 89 144 entgegen.

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