Vermisster Arian: Suche in Kanalisation – „Leise Strategie“ für die Nacht

Auch in Estorf im Kreis Stade untersuchen Retter Gräben und Rohre. Foto: Philipp Schulze/dpa
Arian aus Elm bleibt verschwunden. Auch am Freitag wird die Suche unvermindert fortgesetzt, die Polizei hat noch einmal ihre Strategie geändert. Ein Vermisstenfall um einen autistischen Jungen aus dem Jahr 2022 könnte helfen.
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Update: 20 Uhr
Von Arian fehlt seit vier Tagen fehlt jede Spur, doch die Rettungsmannschaften geben nicht auf: Bei der Suche nach dem Sechsjährigen rund um Elm bei Bremervörde ist die Zahl der Einsatzkräfte am Freitag noch einmal aufgestockt worden. Die Bundeswehr beorderte weitere 150 Soldatinnen und Soldaten nach Bremervörde westlich von Hamburg. Ein Lebenszeichen von dem Kind gab es allerdings weiterhin nicht. „Die Hoffnung bei den Einsatzkräften ist noch enorm hoch“, sagte Polizeisprecherin Sara Mehnen. „Wir wissen aber, dass die Zeit gegen uns spielt.“
Am Freitagnachmittag nahmen die Einsatzkräfte auch Rohre um den Wohnort des Jungen ins Visier. Ein Spezialist des Technischen Hilfswerks (THW) hatte die Umgebung am Freitag auf mögliche Verstecke insbesondere an Kanälen und Gräben an Feldern in dem Gebiet geprüft. „Der hat sich hier in diesen Bereichen nochmal die Kanalisation angeschaut, hat geguckt, in welchen Bereichen denn Möglichkeiten wären, dass sich ein Mensch darin verstecken könnte“, sagte Polizeisprecherin Sara Mehnen. Kräfte des Technischen Hilfswerks und der Feuerwehr untersuchten diese Orte am Freitagnachmittag.

Polizisten gehen auf der Suche nach dem vermissten Arian am Ufer der Oste entlang. Foto: Philipp Schulze/dpa
Suche nach Arian: Einsatzkräfte setzen auf „leise Strategie“ in Nacht
In der Nacht zum Sonnabend werden die Einsatzkräfte eine „leise Strategie“ einsetzen. Das sagte Polizeisprecherin Mehnen am Freitagabend. In vorherigen Nächten wurde unter anderem Feuerwerk abgebrannt, da der Junge dies möge. Damit erhoffte sich die Polizei eine Spur zu dem Jungen zu bekommen. Die Einsatzstrategie werde mit vielen besprochen, sagte die Polizeisprecherin - darunter ist auch eine Expertin für Autismus.
Die Bundeswehr soll laut Polizeisprecherin in der Nacht zu Sonnabend mit rund 200 Soldaten nach dem Jungen suchen. Dabei sollen Nachtsichtgeräte unterstützen, die Soldaten sollen in kleinen Gruppen unterwegs sein.
Weniger Kräfte bei der Suche einzusetzen oder diese nach mehreren Tagen einzustellen, ist laut Polizei weiterhin keine Option. „Auf gar keinen Fall“, betonte die Sprecherin.
Arian wird seit Montagabend vermisst. Hunderte Einsatzkräfte durchkämmen seit Tagen die Gegend rund um Elm, dem Heimatort des Sechsjährigen. Angesichts der niedrigen Temperaturen der vergangenen Tage ist die Suche zu einem Wettlauf gegen die Zeit geworden. Eine Überwachungskamera hatte den Jungen dabei gefilmt, wie er nach dem Verschwinden aus seinem Elternhaus in Richtung eines angrenzenden Waldes lief. Nach Angaben der Polizei ist Arian Autist und reagiert nicht auf Ansprachen.

Auch im Kreis Stade wird nach dem sechsjährigen Arian aus Bremervörde gesucht. In der Nacht wurde sogar ein Feuerwerk gezündet,. Foto: Polizei
Dorfbewohner sollen nur noch mitsuchen, wenn sie dazu aufgefordert werden
„Liebe Elmer, Ihr seid aufgefordert, bei der Suche nach Arian zu unterstützen!“ Doch die Dorfbewohner sollen mittlerweile nur suchen, wenn sie dazu aufgefordert werden, sagt der Mann. Das habe mit den Spürhunden zu tun. Man soll die Fährte nicht zerstören. Auf dem Zettel, der an mehreren Stellen in Elm hängt, steht auch: „Bitte durchsucht in regelmäßigen Abständen intensiv nur Eure Grundstücke.“ Die Dorfbewohner beteuern gleich, man mache das, keine Frage.

„Liebe Elmer,...“ steht auf einen Aushang mit der Bitte die eigenen Grundstücke regelmäßig zu durchsuchen. Foto: Philipp Schulze/dpa
Die Polizei fordert die Bürger auch noch einmal auf, private Drohnenflüge zu unterlassen.
Es ist eine Suche unter erschwerten Bedingungen. Arian ist Autist. Er spricht nicht - und würde auf Zuruf von Fremden wahrscheinlich nicht reagieren. Auf Laufzetteln gibt es deshalb wichtige Hinweise für die Helfer. So sollen sie etwa den Namen des Jungen nicht rufen, weil er ängstlich reagieren und sich verstecken könnte. Helfer sollen auf Aufhäufungen achten, weil es möglich sei, dass sich der Junge, wenn er ruht, mit schwerem Material zudeckt.
Sollten Helfer ihn finden, soll nur eine Person auf ihn zugehen, sich zu ihm hocken - und nicht anfassen. Auf keinen Fall solle gejubelt werden. Wenn er liegt, ihn in liegender Position lassen. „Medizinisch absolut notwendig“, heißt es.

Polizisten gehen auf der Suche nach dem vermissten Arian über ein landwirtschaftliches Gelände. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
Polizei, Rettungskräfte, Feuerwehr, auch aus dem Landkreis Stade, und die Bundeswehr sind vor Ort. Am Freitag konzentrierte sich der Einsatz auf die Gegend nordwestlich von Elm. Die Suche dort lief auch entlang des Flusses Oste. Groß ist die Sorge, dass der Junge ins Wasser gefallen sein könnte. Zudem waren die Retter abermals in dem Ortsteil. Schuppen und Garagen wurden durchsucht. Die Gemeinde hatte außerdem die für Freitag geplante Müllabfuhr abgesagt.
Vermisster Arian (6)
T „Da sollten wir noch mal nachsehen“: Suchtrupps im Kreis Stade geben nicht auf
Zugleich änderte die Polizei ihre Taktik in der Hoffnung, Arian lebend zu finden. „Wir haben wieder neue Suchkorridore eingerichtet und suchen dort, allerdings nicht mit den langen Polizei- oder Personenketten, sondern in kleineren Gruppen“, sagte Sprecher Heiner van der Werp. Das Kind ist nur mit einem längeren Pullover, einer Jogginghose und Socken bekleidet.
Erkenntnisse aus anderen Vermissten-Fällen
Helfen könnten den Einsatzkräften auch Erkenntnisse aus vergangenen Vermisstenfällen - darunter auch der Fall eines tagelang vermissten Achtjährigen aus Oldenburg 2022. Damals hatte sich ein geistig behindertes Kind in einem Kanalsystem verirrt. Ein Spaziergänger hatte nach acht Tagen Suche ein leises Wimmern aus einem Kanaldeckel gehört - nur wenige hundert Meter vom Elternhaus des Kindes entfernt. Der Junge wurde unverletzt gerettet.
„Wir haben Ermittler, die durchgehend die Spurenauswertung machen und sich natürlich auch andere Fälle angucken“, sagte Polizeisprecherin Mehnen. Dazu zähle auch dieser Fall aus Oldenburg. Auch eine Expertin für Autismus, die die Polizei bei der Suche nach Arian berate, habe sich speziell zu diesem Fall informiert.
Suche nach vermisstem Arian geht weiter
Bereits in der Nacht zu Freitag hatte die Polizei einige Aktionen durchgeführt, um die Aufmerksamkeit des kleinen Jungen zu erregen. So seien mit sogenannten Skybeamern Lichtkegel an den nächtlichen Himmel geworfen worden. „Auf so etwas reagiert der Junge möglicherweise positiv“, sagte der Polizeisprecher. Über Lautsprecher seien bis zum frühen Morgen auch Kinderlieder im Suchgebiet abgespielt worden.
Arians Eltern haben diese Bitte
Die Polizei teilt einen Aufruf von Arians Eltern in den sozialen Medien, in dem sie sich bei den Helfern bedanken. „Wir glauben, dass Arian sich auf Weg gemacht hat, um ein großes Abenteuer zu erleben, und das er sich nicht nur hier in Elm, sondern auch in den Gemeinden Estorf, Kranenburg, Oldendorf, Burweg bis nach Hechthausen bewegen und verstecken könnte,“ schreiben sie.
„Daher bitten wir die Anwohner der Gemeinden Estorf, Kranenburg, Oldendorf, Burweg bis nach Hechthausen weiterhin mehrmals täglich ihre Grundstücke, Schuppen, Gärten, Plätze mit Stoh oder Heu und andere Orte, an denen sich Arian versteckt haben könnte, regelmäßig zu durchsuchen.
In unserer letzten Nachricht haben wir bereits erwähnt, dass auch ungewöhnliche Orte, wie Misthaufen, große Rohre oder Dachböden in Frage kommen.
Wenn ihr Überwachungskameras habt, bitten wir euch auch, diese Aufnahmen regelmäßig zu prüfen. Vielleicht seht ihr Arian auf euren Aufnahmen oder Anzeichen eines vermehrten Wildwechsel, der auf Arians Anwesenheit hindeuten könnte.
Unter Bäumen, bei Laubhaufen oder auf Baustellen
Wer in der Umgebung von Elm, Behrste, Hude, Gräpel, Estorf, Oldendorf, Brobergen, Kranenburg, Blumenthal, Bossel, Burweg und Hechthausen spazieren geht, kann auch in den Wäldern, unter Bäumen, bei Laubhaufen oder auf Baustellen nach Arian Ausschau halten.
Wenn ihr in der Umgebung von Elm, Behrste, Hude, Gräpel, Estorf, Oldendorf, Brobergen, Kranenburg, Blumenthal, Bosssel, Burweg und Hechthausen mit dem Auto unterwegs seid, fahrt bitte langsam und vorsichtig und haltet in der Gegend Ausschau nach Arian.
Arian ist ein sportlicher, geschickter kleiner Junge mit fantastischen Instinkten.
Er kann sehr gut klettern und hat viel Energie, weshalb er auch weite Strecken zurücklegen oder einen Hochsitz erklimmen könnte.
Um sich zwischendurch auszuruhen, kommen viele der bereits beschriebenen Orte für Arian in Frage, und da er sich wahrscheinlich nicht bemerkbar machen kann oder wird, müssen wir weiter gemeinsam nach ihm suchen.
Wir versuchen natürlich auch, ihn aus einem Versteck zu locken, und haben Luftballons, Süßigkeiten und Trinkflaschen in der Umgebung verteilt. Auch ein Feuerwerk haben wir für Arian veranstaltet, in der Hoffnung, dass er diese Dinge sieht und aus einem Versteck hervorkommt.
Wenn ihr Arian seht oder einen Hinweis habt, der uns helfen könnte, dann würden wir uns freuen, wenn ihr das Bürgertelefon unter den Nummern 04761/74 89 135 oder 04761/74 89 144 anruft.“
Bundeswehr schickt zusätzliche Soldaten
Unterdessen stockte die Bundeswehr ihre Unterstützung auf. Zu den rund 300 Soldatinnen und Soldaten, die sich bereits an der Suche beteiligten, sollten am Freitag weitere 150 Soldaten des Objektschutzregiments der Luftwaffe aus Friesland ausrücken, wie eine Sprecherin des Landeskommandos in Niedersachsen sagte. Sie sind etwa mit Nachtsichtgeräten und Wärmebildkameras für die Suche in der Nacht ausgerüstet.
Die Bundeswehr hatte sich schon in den vergangenen Tagen an der Suche beteiligt - etwa mit einem Tornado-Flugzeug, das Aufnahmen mit einer Wärmebildkamera erstellte. Auch Drohnen und ein Hubschrauber waren in der Luft. (dpa/fe/tip)