TDarum ist jetzt Vorsicht im Wolfsgebiet im Landkreis Stade geboten

Nach der Paarungszeit im Winter kommen die Wolfswelpen Ende April, Anfang Mai auf die Welt. Foto: Sina Schuldt/dpa
Um das Oldendorfer Wolfsrudel am Hohen Moor ist es in den vergangenen Wochen ruhig geworden. Warum das so ist – und wie sich Spaziergänger im Wolfsgebiet richtig verhalten. Vor allem mit Hunden ist Umsicht geboten.
Oldendorf. Dutzende gerissene Schafe, dazu getötete Rinder: Die Wolfsattacken waren eines der bestimmenden Themen im Landkreis Stade im Spätsommer und Herbst 2023. „Warum es aktuell so ruhig ist, kann ich nicht sagen. Eine Rolle spielt sicherlich, dass viele Nutztierhalter ihre Tiere aufgestallt haben und das Land Niedersachsen viel Geld in wolfsabwehrende Zäune investiert hat und weiterhin investiert“, sagt der für die Region zuständige Wolfsberater des niedersächsischen Umweltministeriums, Michael Ohlhoff, auf TAGEBLATT-Nachfrage. „Dazu kommt eine größere Sensibilität der Nutztierhalter für die Problematik Wolf.“
Eine Tabelle der Landesjägerschaft zeigt die Zahl der Angriffe auf Nutztiere im Jahresverlauf. Mit Beginn der Weidesaison lag sie auf eher niedrigem Niveau. Im Juni gab es die wenigsten Risse, die meisten im September und Oktober.
Nicht mehr jede Wolfssichtung wird gemeldet
Auch die Zahl der Wolfsmeldungen an die Landesjägerschaft ist nicht konstant über das Jahr verteilt. Das zeigt der jüngste Quartalsbericht der Landesjägerschaft. Abhängig seien Sichtungen auch vom Vegetationswachstum oder der Erntezeit. In Gegenden, wo der Wolf inzwischen zum Alltag gehört, werde nicht mehr jede Wolfssichtung gemeldet, so der Wolfsbeauftragte der Landesjägerschaft Niedersachsen, Raoul Reding, in seinem Bericht.
Vor allem aber sei die Zahl der Sichtungen in der Biologie des Wolfes begründet. „Sein Bewegungsmuster und Aktionsradius variiert je nach Jahreszeit (Paarungszeit, Welpenaufzucht, Dispersionsphase), was das Entdecken von Wolfshinweisen beeinflusst.“
Was die Paarungszeit bei Wölfen bedeutet
Nach der Paarungszeit im Winter kommen die Wolfswelpen Ende April, Anfang Mai auf die Welt. Ein Rudel besteht im Normalfall aus dem Elternpaar, den Jährlingen und Welpen. Im Alter zwischen 11 und 22 Monaten verlassen die Jungtiere das Rudel, um sich ein eigenes Territorium zu suchen. Dabei wandern sie bis zu 70 Kilometer an einem Tag und legen manchmal mehr als 1000 Kilometer zurück.
Zurzeit und auch noch im März steht die Ranz, die Paarungszeit der Wölfe, an. Deshalb ist jetzt im Wolfsgebiet besondere Umsicht für Spaziergänger mit Hunden angeraten: „Wölfe können sich, im Gegensatz zu unseren Hunden, nur einmal im Jahr reproduzieren. In dieser Zeit, ungefähr Januar bis Ende März, reagieren Wölfe extrem aggressiv auf fremde Artgenossen beziehungsweise Hunde. Ein Eindringen in das Territorium der Wölfe endet fast immer tödlich für den Artgenossen oder Hund“, begründet Wolfsberater Michael Ohlhoff auf Nachfrage den Rat zur Vorsicht.
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Bei Wolfsbegegnungen: Hunde an die kurze Leine
Also: „In der Ranz - Hunde an die Leine!“, so Ohlhoff. Die allgemeine Leinenpflicht in der Brut- und Setzzeit beginnt am 1. April. Auch außerhalb der Ranzzeit gilt bei einer Wolfsbegegnung, die Hunde an die kurze Leine zu nehmen. Der Mensch sollte Ruhe bewahren und dem Wolf Zeit lassen, sich zurückzuziehen - auch, wenn das in dieser Situation eine Herausforderung sein kann.
Der Mensch solle sich durch Reden, Rufen oder Klatschen bemerkbar machen und beherzt auftreten. Sollte der Wolf näher kommen, könne es helfen, mit Bestimmtheit auf ihn zuzugehen, Lärm zu machen und mit Steinen und Stöcken nach ihm zu werfen.
Bloß nicht weglaufen, raten Experten. Das könne Verfolgung durch das Wildtier auslösen. Stattdessen solle der Mensch sich langsam und ruhig entfernen, immer mit dem Gesicht zum Wolf. Der Einsatz von Pfefferspray sei zur Abwehr ebenfalls wirksam.
„Der Wolf ist für den Menschen normalerweise ungefährlich“, informiert das Wolfsbüro des zuständigen Landesbetriebs NLWKN im Internet. Die Tiere mieden Menschen - wobei junge Wölfe neugieriger sein könnten als ausgewachsene Tiere. Autos und Häuser würden vom Wolf nicht mit dem Menschen in Verbindung gebracht und somit nicht als Bedrohung empfunden.
Wölfe durchstreifen auch Ortschaften
Wölfe sehen Siedlungen als Teil ihres Lebensraumes. Es könne vorkommen, „dass Wölfe in unmittelbarer Nähe von Ortschaften vorbeilaufen oder auch mal durchlaufen - meist in der Dämmerung und Nacht, wenn sie vom Menschen weniger gestört werden, manchmal aber auch tagsüber.“ Das Wolfsbüro betont: „Auch in Gebieten, in denen Wölfe leben, kann man sich weiterhin frei bewegen.“
Wo sich die Oldendorfer Wölfe derzeit aufhalten, ist nicht zu sagen: „Aktuell sind die Wölfe im gesamten Bereich ihres Territoriums unterwegs, ein durchschnittliches Wolfsterritorium liegt in Niedersachsen zwischen 250 und 400 Quadratkilometern - 40.000 Hektar - und das ist ein riesiger Bereich“, sagt Michael Ohlhoff. Auch für Gebiete in Drochtersen und Wiegersen werden Wolfsterritorien vermutet.
Bestätigte Rudel gibt es in der Region in Gnarrenburg, Tarmstedt, Schiffdorf, Garlstedt und Scheeßel, wie die Karte des niedersächsischen Umweltministeriums zeigt. Unbestätigt sind das Cuxhavener und das Vollersoder Rudel.
Minister informieren zum Streitthema Wolf
Seit vielen Jahren kritisieren Landwirte und Weidetierhalter hohe Hürden für den Abschuss von problematischen Wölfen. Nachdem sich die Umweltminister von Bund und Ländern Ende vergangenen Jahres prinzipiell auf einen deutlich schnelleren Abschuss als bisher geeinigt haben, wollen der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer und Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (beide Grüne) am Montag Details für das künftige Vorgehen in Niedersachsen vorstellen. Dabei geht es unter anderem um das genaue Verfahren und um die Festlegung von Gebieten mit erhöhtem Rissvorkommen von geschützten Weidetieren.
Die Ressortchefs des Bundes und der Länder hatten sich im vergangenen Dezember darauf geeinigt, dass anders als bisher für den Abschuss von problematischen Wölfen nicht erst eine DNA-Analyse abgewartet werden muss. Künftig soll der Herdenschutz ausschlaggebend sein für ein möglichst konfliktarmes Miteinander von Weidetierhaltung und Wolfsvorkommen.
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Die Meldung von Wolfssichtungen bleibt wichtig, um eine verlässliche Datenlage zu haben, aber auch, um auffällige Wölfe zu identifizieren. Wer einen Wolf gesehen hat, das Heulen gehört hat oder auf eine Fährte gestoßen ist, sollte das an den nächsten Wolfsberater oder direkt an die Landesjägerschaft Niedersachsen melden (Telefon: 0511/530430). Sichtungen sind auch direkt über die App „Wolfsmeldungen Niedersachsen“ möglich.

Ein junger Wolf steht in einem Gehege im Tierpark. Bei den Wölfen steht jetzt die Paarungszeit an - das kann im Wolfsgebiet zu Konflikten mit freilaufenden Hunden führen. Foto: Christian Charisius/dpa Foto: Sina Schuldt/dpa