Schiffsunglück nahe Helgoland: Ein Mensch ist tot, vier werden vermisst

Der englische Frachter „Verity“ ist zwischen Helgoland und Langeoog nach einer Kollision gesunken. Foto: Dietmar Hasenpusch/Dietmar Hasenpusch Photo-Productions/dpa
Zwei Frachter stoßen zwischen den Inseln Helgoland und Langeoog in der Nordsee zusammen. Eines der Schiffe ist gesunken. Für die Retter ist es ein Wettlauf mit der Zeit - unter widrigen Wetterbedingungen.
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Helgoland/Langeoog. Unter schwierigen Wetterbedingungen suchen Rettungskräfte auf der Nordsee nach dem Zusammenstoß von zwei Frachtern nach vier vermissten Seeleuten. Ein Seemann konnte nur noch tot geborgen werden, wie der Sprecher der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), Christian Stipeldey, am Dienstag in Bremen sagte. Zwei weitere Seeleute wurden aus dem Wasser gerettet, nachdem einer der Frachter sank. Bei Wellengang von bis zu drei Metern, schlechter Sicht und Windstärke sechs suchten die Besatzungen mehrerer Seenotrettungskreuzer und anderer Schiffe nach den Schiffbrüchigen. Wie es zu dem Unglück kam, blieb zunächst unklar.
Gegen 5 Uhr am Dienstagmorgen stießen nach Angaben des Havariekommandos in Cuxhaven das Massengutschiff „Polesie“ und das Küstenmotorschiff „Verity“ in der Deutschen Bucht zusammen. Der Unfall ereignete sich rund 22 Kilometer südwestlich der Hochseeinsel Helgoland und 31 Kilometer nordöstlich der ostfriesischen Insel Langeoog.
Zwei ungleiche Frachter kollidieren in der Nordsee
Die unter der Flagge Großbritanniens fahrende 91 Meter lange „Verity“ ging laut Havariekommando wahrscheinlich infolge der Kollision unter. Das Schiff der britisch-niederländischen Reederei Faversham Ships war auf dem Weg von Bremen nach Immingham, einem Hafen an der englischen Nordseeküste. Sieben Seeleute waren dort an Bord, vier von ihnen werden noch gesucht. Die beiden geretteten Seeleute kamen in ein Krankenhaus.

Der Frachter "Polesie" ist in ein Schiffsunglück verwickelt. Foto: Dietmar Hasenpusch Photo-Productions/dpa
Der andere Frachter, die mit 190 Metern Länge ungleich größere „Polesie“ unter der Flagge der Bahamas war seit Montagabend auf dem Weg von Hamburg nach La Coruña in Nordwest-Spanien. 22 Seeleute waren an Bord des Frachters, der zu der polnischen Reederei Polsteam Group gehört. Diese Seeleute sollen nach Angaben der Rettungskräfte unverletzt sein.
Die Rettungskräfte wollen die Suche nicht einstellen, solange es noch eine Chance gibt, Überlebende zu finden. Wind, Wellen und Kälte erschwerten aber die Suche. „Für die Einheiten vor Ort ist es sicherlich komplex, weil die Bedingungen herausfordernd sind“, sagte Stipeldey. Himmel und See hätten bei der herbstlichen Witterung nahezu die gleiche Farbe. Es sei dann schwierig, Vermisste auf See zu erkennen. Der Einsatz könne daher möglicherweise lange dauern.
Niemand wisse aber, wie die vermissten Seeleute ausgerüstet seien, sagte der Sprecher. Immer wieder würden Menschen auch nach längerer Zeit lebend in kaltem Wasser gefunden. An der Unglücksstelle beträgt die Wassertemperatur laut den Rettern etwa zwölf Grad.
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Kreuzfahrtschiff hilft bei Suche nach Vermissten
Sechs Seenotrettungskreuzer der DGzRS sind den Angaben der Gesellschaft zufolge im Einsatz, um die Vermissten zu suchen - darunter etwa die „Hermann Marwede“ von Helgoland und die „Bernhard Gruben“ aus dem friesischen Hooksiel. Auch der Notschlepper „Nordic“ und weitere Schiffe von Behörden waren im Einsatz. Die Deutsche Marine beteiligte sich mit einem SAR-Rettungshubschrauber.
Auch das Kreuzfahrtschiff „Iona“ der Reederei P&O Cruises, das nahe der Unglücksstelle unterwegs war, unterstützte den Einsatz. Das Kreuzfahrtschiff sei gebeten worden, am Ort zu bleiben, da es „medizinische Fähigkeiten“ an Bord gebe, sagte Stipeldey. Schiffbrüchige könnten dort medizinisch versorgt werden.
Frachter kollidierten in einem der meistbefahrenen Seegebiete
Das Havariekommando in Cuxhaven, das die Gesamteinsatzleitung übernahm, ließ das Seegebiet von einem Sensorflugzeug überfliegen, um nähere Erkenntnisse zu bekommen. Es ist die Behörde, die in Deutschland für die maritime Notfallvorsorge und das Unfallmanagement auf Nord- und Ostsee zuständig ist. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) drückte den Besatzungsmitgliedern, Angehörigen und Rettungsteams sein Mitgefühl aus.
Angaben dazu, wie groß das Schadensbild an der Unglücksstelle ist, ob möglicherweise Ladung der Frachter in die Nordsee gelangte oder inwieweit das Unglück Auswirkungen auf den Schiffsverkehr in der Deutschen Bucht hatte, war zunächst nicht bekannt. Das Havariekommando wollte am Dienstagnachmittag weitere Informationen mitteilen.
Frühere Frachter-Unglücke auf der Nordsee
Frühere Frachter-Unglücke auf der Nordsee
Die Frachter-Kollision weckte Erinnerungen an eines der größten Schiffsunglücke in der deutschen Geschichte - fast auf den Tag genau vor 25 Jahren. Am 25. Oktober 1998 war der italienische Frachter „Pallas“ auf der Nordsee unterwegs, als die Holzladung vor der dänischen Nordseeküste in Brand geriet. Das Schiff trieb führerlos in deutsche Gewässer und strandete vor der Insel Amrum. Es kam zu einer großen Ölverschmutzung, in deren Folge viele Vögel starben.
Brennender Auto-Frachter: Der mit rund 3800 Autos geladene Frachter „Fremantle Highway“ gerät im Juli 2023 vor der niederländischen Insel Ameland in Brand. Ein Besatzungsmitglied kommt ums Leben, weitere 22 Menschen werden leicht verletzt. Bevor das Schiff geborgen wird, wütet das Feuer mehrere Tage.
Zusammenstoß mit Windanlage: Im April 2023 prallt ein Frachter auf eine Offshore-Windanlage. Nach Angaben der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung ist das die erste Kollision eines Frachters mit einer Windanlage in der ausschließlich deutschen Wirtschaftszone.
Kollision mit Tanker: Der Frachter „Julietta D“ und der Tanker „Pechora Star“ stoßen im Januar 2022 vor der holländischen Küste zusammen. 18 Besatzungsmitglieder der „Julietta D“ werden mit Helikoptern gerettet.
Zwei Schiffe kollidieren: Vor Borkum verkeilen sich im November 2018 zwei Frachter. Die Besatzungen von fünf und 16 Mitgliedern bleiben unverletzt. Gefahrenstoffe hatten die Schiffe nicht geladen. (dpa)