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Cold Case

TDem Göhrde-Mörder entkommen? Vier weitere Frauen melden sich

Hat der Serienmörder Kurt-Werner Wichmann etwas mit den „Disco-Morden“ zu tun?

Hat der Serienmörder Kurt-Werner Wichmann etwas mit den „Disco-Morden“ zu tun? Foto: privat/Eggeling

Ingrid Peters ist überzeugt, vor Jahrzehnten im Kreis Cuxhaven dem Serienmörder Kurt-Werner Wichmann entkommen zu sein. Jetzt haben sich weitere Frauen gemeldet. Die Polizei schließt Wichmann als „Disco-Mörder“ nicht aus.

Von Christian Döscher Dienstag, 31.10.2023, 13:30 Uhr

Cuxhaven. Hat der „Göhrde-Mörder“ auch die „Disco-Morde“ begangen? Der Artikel der "Nordsee-Zeitung" über einen möglichen Zusammenhang hat für viel Aufsehen gesorgt, bei Lesern und auch bei der Polizei.

Kurt-Werner Wichmann steht im Verdacht, mindestens fünf Menschen getötet zu haben. So wurde im Herbst 2017 die Leiche von Birgit Meier unter Wichmanns Garage gefunden. Sie war 1989 verschwunden. Im selben Jahr wurden zwei Paare in der Göhrde, einem Waldgebiet bei Lüneburg, getötet, per Kopfschuss. Wichmanns DNA fand sich auf dem Fahrersitz eines Autos der sogenannten Göhrde-Opfer.

Zwischen 1977 und 1986 wurden im Elbe-Weser-Dreieck sieben junge Frauen getötet oder sind bis heute vermisst. Meistens waren sie als Anhalterinnen unterwegs.

Frau entkommt in Altenwalde dem Serienmörder Wichmann

Jetzt hat sich eine Frau gemeldet, die Mitte der 70er Jahre vor der Diskothek „Goldener Drache“ in Altenwalde von eben jenem Kurt-Werner Wichmann als Anhalterin in einem Sportwagen mitgenommen wurde. Sie ist sich sicher, dass es der Serienmörder war. Ingrid Peters, damals 16 oder 17 Jahre alt, und ihre ein Jahr ältere Freundin hatten Glück und konnten Wichmann entkommen.

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Nach Meinung der Polizeiinspektion (PI) Cuxhaven werde mit der Berichterstattung der Eindruck erweckt, „die Polizeiinspektion sähe keinen Zusammenhang zwischen den Vermisstenfällen der 70er und 80er Jahre in dieser Region mit dem sogenannten ,Göhrde-Mörder‘ Kurt-Werner W.“. Dieser Eindruck sei falsch. Richtig sei, dass die Ermittlungen der Einsatzgruppe Cold Case der PI Cuxhaven konkret die Möglichkeit in Betracht gezogen haben, dass Wichmann - die Polizei schreibt den Namen nicht aus - für einen oder mehrere der vermutlichen Morde als Täter in Betracht kommt.

Polizei: Verdacht nicht erhärtet - Wichmann als Täter trotzdem möglich

Diese Täterhypothese „Kurt-Werner W.“ sei auf Basis ganz konkreter Spuren, darunter auch DNA-Spuren, verfolgt worden. „Im Rahmen der Ermittlungen konnte dieser Verdacht aber durch die vorhandenen Spuren und den Abgleich von Asservaten, die im Bereich der Polizeidirektion Lüneburg durch Beamtinnen und Beamte der EG Göhrde sichergestellt wurden, nicht erhärtet werden. Die Tatsache, dass vorhandene Spuren den Tatverdacht gegen Kurt-Werner W. nicht erhärteten, bedeutet nicht gleichzeitig, dass diese Person als möglicher Täter gänzlich ausgeschlossen wird“, teilt Pressesprecher Stephan Hertz mit.

1993 war die Polizei in Wichmanns Haus auf ein geheimes Zimmer gestoßen. Räume, in denen sie Videokassetten und Zeitungsartikel entdeckte, die sich mit ungeklärten Mordfällen beschäftigten. Wichmann nahm sich dann in U-Haft das Leben. Nachdem die Privatermittler um die ehemaligen Hamburger LKA-Chefs Wolfgang Sielaff und Reinhard Chedor Birgit Meier 2017 unter Beton in der Garage von Wichmann gefunden hatten, sicherte die Polizei Lüneburg bei der Suche auf seinem Grundstück 423 Asservate - neben Frauenschuhen und Portemonnaies auch Handtaschen und Schmuck.

Polizeisprecher: Alles, was an Spuren vorliegt, ist abgeglichen worden

Hertz betont auf Nachfrage, „dass alles, was an Spuren vorliegt, abgeglichen worden ist“. Das gelte auch für die Lüneburger Asservate. Eine Verbindung zwischen Wichmann und den „Disco-Morden“ habe sich nicht ergeben.

Die Privatermittler hatten vor Jahren herausgefunden, dass Spuren aus alten Ermittlungen verschwunden sind, wohl auch, weil man gegen Tote nicht mehr ermittelt. Auch sind Akten durch einen Wasserschaden bei der Staatsanwaltschaft verschwunden.

Es werden laut Hertz „auch aktuell noch Ermittlungen in den ,Cold-Case-Fällen‘ im Rahmen der Alltagsorganisation durch Beamte des 1. Fachkommissariats getätigt“. Lediglich die speziell zur Abarbeitung konkreter Spurenkomplexe eingerichtete Ermittlungsgruppe „Cold Case“ wurde im Dezember 2022 aufgelöst, nachdem alle Spuren keine wirklichen konkreten Ergebnisse zutage gebracht hatten.

„Wir werden keinen dieser Fälle vergessen - das ist ein Versprechen an alle Angehörigen“, so Inspektionsleiter Arne Schmidt.

Viele Fragen bleiben unbeantwortet

Hertz: „Wichmann werde darüber hinaus als (verstorbener) Tatverdächtiger im Rahmen der Ermittlungen in der Polizeidirektion Lüneburg und nicht in Cuxhaven geführt. Entsprechende Fragen hierzu müssten demnach an die Kolleginnen und Kollegen dort gestellt werden.“ Ein Fragenkatalog der „Nordsee-Zeitung“ blieb folglich nahezu unbeantwortet. Zum Beispiel von wann die DNA-Spuren stammen oder auch, warum die Polizei im Fall der 1977 verschwundenen Midlumerin Anja Beggers von einem Einzeltäter ausgeht und wie sie diese Theorie begründet.

Interesse zeigt die Polizei an den Aussagen von Ingrid Peters. Die heute 65-Jährige ist aber nicht die Einzige, die einen Zusammenhang zwischen Wichmann und dem Cuxland herstellt. Nach der Berichterstattung haben sich innerhalb weniger Tage vier Frauen bei der „Nordsee-Zeitung“ gemeldet.

Vier Frauen melden sich - Persönliche Treffen vereinbart

Reinhard Chedor hält alle Hinweise schon nach der ersten Kontaktaufnahme „für so relevant“, dass er persönliche Treffen mit den Frauen vereinbart hat, um zu klären, ob es sich um Begegnungen mit Kurt-Werner Wichmann gehandelt hat.

Auch bei der Polizei sind nach Medienberichten neue Hinweise eingegangen. Pressesprecher Hertz: „Über die Qualität der Hinweise können wir aber noch nichts sagen.“

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