THeftige Kritik an der Bundesregierung: Widerstand gegen A20-Aus formiert sich

Es gibt viele Gegner und viele Befürworter der A20. Die Gegner profitieren vom Streit in der Bundesregierung. Foto: Sina Schuldt/dpa
Das ist ein Schock für die Region: Der Streit um den Bundeshaushalt blockiert viele wichtige Verkehrsprojekte. Das sagen die Bundestagsabgeordneten dazu.
Buxtehude. In der Region sind vier Projekte von dem Autobahn-Finanzierungschaos betroffen. Auf Basis der aktuellen Finanzplanung können keine Baufreigaben erteilt werden. Im Zuge der Küstenautobahn A20 ist der Bau des Autobahnkreuzes Kehdingen betroffen. Hier gab es sogar die Hoffnung, dass 2026 mit vorbereitenden Maßnahmen für den Bau des Anschlussstücks für den neuen Elbtunnel begonnen werden könnte.

Die Autobahnen im Norden im Überblick. Foto: DEGES
Auch das A20-Teilstück zwischen Bremervörde und Elm ist blockiert. Für die A26 kann es aufgrund des fehlenden Geldes keine Freigabe für die Teilstücke zwischen Stade und Drochtersen geben. Insgesamt wird damit eine Alternativstrecke für den staugeplagten Elbtunnel in Hamburg in die ferne Zukunft verschoben.
A26-Lückenschluss nach Hamburg nicht betroffen
Nicht betroffen ist die Fertigstellung der im Bau befindlichen A26 West zwischen Stade und Hamburg. Das letzte Teilstück zwischen Neu Wulmstorf und dem neuen Autobahnkreuz Hamburg-Hafen an der A7 ist im Bau und soll 2028 für den Verkehr freigegeben werden.
Kommentar
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Landrat Kai Seefried (CDU) hat sich am Donnerstag nach Bekanntwerden der ersten Meldungen direkt an die Bundestagsabgeordneten Vanessa Zobel und Christoph Frauenpreiß gewandt. Er bat sie „um Aufklärung, wie die Lage derzeit wirklich und inwieweit diese drohende negative Entwicklung noch abzuwenden ist“.
Ist dies das Aus für das Industriegleis?
Vor diesem Hintergrund bat er die Abgeordneten zudem, „auch die Planungen für das Stader Industriegleis erneut in den Fokus zu nehmen und zu unterstützen“. Das Industriegleis ist mit dem A26-Weiterbau zwischen Stade und Drochtersen verknüpft. Auch die Ortsumgehung für Elstorf im Zuge der B3 soll erneut verschoben werden.
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„Mit großem Entsetzen habe ich die Berichterstattung verfolgt, in der es heißt, dass die Finanzierung der Autobahnprojekte rund um Hamburg vom Bundesfinanzministerium gestoppt worden sei“, sagt Seefried.
Schlimmes Signal für den Landkreis Stade
„Insbesondere bei der A26 und der A20 handelt es sich um für unseren Landkreis herausragende Infrastrukturprojekte, die nicht zuletzt für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Elbe-Weser-Region von großer Bedeutung sind“, so der Landrat. „Insofern wäre ein Stopp der Baufreigaben ein schlimmes Signal für die Entwicklung des Landkreises Stade, aber auch für ganz Norddeutschland.“

So sehen die Planungen für das Kehdinger Kreuz aus. Nur wenn die Planungen dafür rechtskräftig sind, darf der Elbtunnel für die A20 gebaut werden. Foto: Landesbehörde für Verkehr
Auch die Wirtschaft reagiert entsetzt: „Wie kann man ein Sondervermögen Infrastruktur beschließen – und dann scheitern Autobahnprojekte am Geld? Das ist die Quadratur des Kreises. Jahrelang warten wir auf Planfeststellungen, dann sind sie da – und plötzlich fehlen die Mittel“, wundert sich Alexander Anders, Geschäftsführer der IHK Nord.
Jahrzehntealte Defizite in der Infrastruktur
Das Sondervermögen Infrastruktur sei geschaffen worden, um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit zu sichern. „Mit den Mitteln sollte in großem Umfang in die Modernisierung Deutschlands Infrastruktur investiert werden, um jahrzehnte alte Defizite endlich zu beseitigen“, so Alexander Anders.
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Umso unverständlicher sei es, dass zentrale Neubauprojekte im Norden wie A20, A26 und A39 trotz fortgeschrittener Planungsreife und teilweise bereits vorhandenem Baurecht derzeit nicht in der Finanzplanung des Bundes berücksichtigt werden sollen.
Logistisches Rückgrat des deutschen Außenhandels
„Norddeutschland ist das logistische Rückgrat des deutschen Außenhandels: Über die Seehäfen laufen die Warenströme für die gesamte Volkswirtschaft. Unsere Sonderauswertung zur Seeverkehrsprognose zeigt, dass der seewärtige Außenhandel bis 2040 weiter deutlich wachsen wird. Diese Entwicklung verlangt belastbare Verkehrsachsen zwischen Häfen und Hinterland“, so der IHK-Geschäftsführer.

Das Autobahnkreuz Hamburg-Hafen und die Verlängerung der A26 Richtung Neu Wulmstorf. Eigentlich soll auf der anderen Seite die A26 Ost gebaut werden. Sie soll die A7 und A1 verbinden. Auch dafür ist kein Geld da. Foto: Martin Elsen
Gleichzeitig sei der Norden ein tragender Pfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur. Die Küstenländer seien Standort sicherheits- und verteidigungsrelevanter Strukturen und verfügen über kritische Energie- und Industrieinfrastrukturen. „Angesichts geopolitischer Spannungen und hybrider Bedrohungen ist eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur unabdingbar – sowohl für die zivile als auch für die militärische Mobilität“, so Alexander Anders.
Norddeutschland darf nicht abgekoppelt werden
„Die Bundesregierung ist gefordert, die zugesagten Mittel im Sondervermögen und im Kernhaushalt zusätzlich und dauerhaft bereitzustellen und damit die Umsetzung der strategisch notwendigen Infrastrukturprojekte zu ermöglichen. Norddeutschland darf in dieser entscheidenden Frage nicht ins Hintertreffen geraten“, so Anders.

Vanessa Zobel (CDU) kündigt den Widerstand der Unions-Bundestagsfraktion an. Foto: Wisser
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Vanessa Zobel aus Bremervörde kündigt den Widerstand der Union an. „Die Haushalts-Neuigkeit aus dem Finanzministerium hat auch mich kalt erwischt. Wir haben - vor meiner Zeit - ein Sondervermögen Infrastruktur beschlossen“, sagt sie gegenüber dem TAGEBLATT.
Vanessa Zobel kündigt Widerstand der Union an
Statt die ländlichen Räume zu unterstützen, würden baureife Projekte auf Eis gelegt. „Das ist doch keinem Bürger zu vermitteln“, so die Abgeordnete für den Wahlkreis Stade I - Rotenburg II. „Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wir als Union werden das so nicht akzeptieren.“

Christoph Frauenpreiß (CDU) will den Baustopp nicht akzeptieren. Foto: Martin Elsen
„Die aktuellen Pläne, bei wichtigen Verkehrsvorhaben den Rotstift anzusetzen, sind absolut inakzeptabel“, sagt der Bundestagsabgeordnete Christoph Frauenpreiß (CDU) aus Cuxhaven.
Christoph Frauenpreiß will die Bau-Bremse lösen
„Ich werde nicht hinnehmen, dass der Bundesfinanzminister bei so wichtigen Projekten auf die Bremse tritt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir ein Sondervermögen für Infrastruktur beschlossen haben“, so Frauenpreiß.
Es wird deutlich, dass die örtlichen Bundestagsabgeordneten offensichtlich keine Einflussmöglichkeiten in Berlin auf den Verkehrsminister haben - der ihrer Partei angehört
Björn Protze, SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzender
„Es wird deutlich, dass die örtlichen Bundestagsabgeordneten offensichtlich keine Einflussmöglichkeiten in Berlin auf den Verkehrsminister haben – der ihrer Partei angehört“, sagt Björn Protze, SPD-Fraktionsvorsitzender im Stader Kreistag. Er findet es schwierig, dass der Landkreis Stade weiterhin, wie schon seit Jahrzehnten, vertröstet werde und die wichtigen Verkehrsprojekte nicht vorankommen. „Eine feste Elbquerung rückt in weite Ferne.“

„Eine feste Elbquerung rückt in weite Ferne.“ Björn Protze (SPD) will, dass die Elbfähre endlich ausgebaut wird. Foto: Berlin
Protzes Forderung: „Wir müssen in einer gemeinsamen Aktion aller Akteure im Landkreis, dafür eintreten, dass die Fährverbindung zwischen Wischhafen und Glückstadt verstärkt wird. Die Reederei hat hierzu ein Konzept vorgelegt, und ich lade alle ein, dass wir uns zusammen die Unterstützung bei den Landesregierungen in Kiel und Hannover und der Bundesregierung in Berlin einfordern, damit eine wirtschaftliche Entwicklung in Kehdingen möglich wird.“
Gegner: A20 war ein fossiles Dinosaurierprojekt
Uwe Schmidt, Sprecher der Initiativen gegen die A20, freut sich über die Blockade der Küstenautobahn: „Endlich hat die Vernunft gesiegt – die A20 war ein fossiles Dinosaurierprojekt – teuer, klimaschädlich und völlig aus der Zeit gefallen.“ Die A20-Gegner begrüßen die Fokussierung der Mittel auf den Erhalt der in Teilen maroden Infrastruktur und die Sanierung der Bahn.
Die Argumente gegen den Bau der A20 liegen aus Schmidts Sicht auf dem Tisch: Die zuletzt geschätzten Kosten lägen bei über sieben Milliarden Euro – ohne realistische Nutzenprognose. Die Trasse würde durch wertvolle Moore, Natura-2000-Gebiete und Wasserlandschaften führen – mit massiven Eingriffen in geschützte Lebensräume.

Landrat Kai Seefried (CDU) fürchtet ein schlimmes Signal für die Region, wenn den Ausbau der Verkehrswege im Norden blockiert wird. Foto: Christian Schmidt
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