Zähl Pixel
Arbeitskampf

TBusverkehr im Kreis Stade lahmgelegt: Warum die KVG-Fahrer streiken

Mit Trillerpfeifen und Sprechchören: KVG-Mitarbeiter bei der Kundgebung auf dem Stader Pferdemarkt.

Mit Trillerpfeifen und Sprechchören: KVG-Mitarbeiter bei der Kundgebung auf dem Stader Pferdemarkt. Foto: Richter

Weil bei der KVG gestreikt wird, ist am Dienstag kein Linienbus im Kreis Stade unterwegs. Die Fahrer und ihre Kollegen wollen mehr Geld. Warum, erklären sie bei einer Kundgebung in Stade.

author
Von Anping Richter
Dienstag, 22.04.2025, 16:05 Uhr

Landkreis. „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“, ruft Wolfgang Häusler. Der Betriebsratsvorsitzende der Nahverkehrsgesellschaft KVG bekommt dafür lautstarken Beifall von mehr als 100 Busfahrerinnen und Busfahrern sowie Kollegen aus anderen Abteilungen und Landkreisen, die zur Kundgebung auf dem Pferdemarkt in Stade gekommen sind. Der Grund für das Trillern und Klatschen: Die Mitarbeiter wollen für ihre Arbeit mehr Geld.

Was KVG-Busfahrer verdienen

Im Tarifbereich Verkehrsbetriebe Niedersachsen (AVN) wird schlechter gezahlt anderenorts, beispielsweise im benachbarten Hamburg. Zwischen 17,46 Euro und 18,06 Euro bekommen die KVG-Busfahrer pro Stunde - in Hamburg kommen die Kollegen auf Löhne von mehr als 21 Euro, berichtet Detlev Harbarth, ebenfalls Vorsitzender im Betriebsrat bei der KVG.

Gleiches Geld für gleiche Arbeit: Für diese Forderung bekommt der Stader KVG-Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Häusler lautstarken Beifall.

Gleiches Geld für gleiche Arbeit: Für diese Forderung bekommt der Stader KVG-Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Häusler lautstarken Beifall. Foto: Richter

Verdi hat deshalb zum Warnstreik aufgerufen. Harbarth und Häusler sitzen in der Verdi-Tarifkommission und verhandeln in der aktuellen Runde mit. Sie fordern eine Angleichung des Entgelts an den Bundestarifvertrag TV-N, der für Busfahrer eine Bezahlung von 17,71 Euro bis zu 21,93 Euro vorsieht.

Die Unterschiede sind erheblich: Das mediane Bruttogehalt eines Busfahrers in Niedersachsen beträgt laut Infoportal für den öffentlichen Dienst 2765 Euro, in Hamburg sind es 3165 Euro. In der laufenden Tarifrunde bieten die Arbeitgeber eine Erhöhung von 4,2 Prozent an - auf drei Jahre. „Das deckt nicht einmal den Inflationsausgleich“, sagt Harbarth.

Rentenpunkte werden teurer

Es geht bei dem Arbeitskampf auch um Rentenansprüche: Wer einen Rentenpunkt erhalten will, muss ab 1. Juli 2025 pro Jahr 50.493 Euro verdienen, bisher waren es 45.358 Euro, erklärt Frank Richter, der schon lange bei der KVG arbeitet. Hier ergeben 17,45 Euro Stundenlohn in der unteren Entgeltgruppe bei einer monatlichen Arbeitszeit von 165 Stunden einen Jahreslohn von 34.551 Euro, allerdings zuzüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Stark nachgefragt: die Streikgeld-Anträge am Verdi-Stand auf dem Pferdemarkt.

Stark nachgefragt: die Streikgeld-Anträge am Verdi-Stand auf dem Pferdemarkt. Foto: Richter

Viele machen Überstunden, um sich etwas dazuzuverdienen, berichtet Häusler. Doch das habe seine Grenzen, schon aus arbeitsrechtlichen Gründen. Gerade für junge Leute und Azubis sei es attraktiv, berichtet Karam Alahmar, Vorsitzender der Jugend-Azubi-Vertretung (JAV) bei der KVG. Aber Überstunden können schnell auch zu anstrengend werden, weiß er aus eigener Erfahrung. „Deshalb engagiere ich mich in der JAV, berate andere junge Leute und sage auch mal: Hier ist Stopp“, erklärt er. Seine Ausbildung als Busfahrer hat Alahmar abgeschlossen, seit August lässt er sich bei der KVG zum Kfz-Mechatroniker ausbilden.

Genügend Busfahrer zu finden, ist zurzeit nicht leicht. Dabei mache der Job Spaß, sagt Karam Alahmar: „Hier bei der KVG ist es familiär und kollegial. Egal zu wem ich gehe: Wenn ich ein Problem habe, wird jeder Kollege mir direkt helfen.“ Busfahrer-Azubis verdienen im ersten Lehrjahr 1085 Euro, im zweiten 1160 und im dritten 1195 Euro.

Einige Schüler schaffen es nicht zum Unterricht

Die KVG-Mitarbeiter aus Stade, Buxtehude und Cuxhaven sowie im Raum Braunschweig und Lüneburg sind dem Aufruf der Gewerkschaft Verdi im Rahmen des niedersachsenweiten ÖPNV-Streiks am Dienstag gefolgt. Außer einigen Linien, die von Auftragsunternehmen betrieben werden, fielen alle Busse aus.

Auch die Schülerbeförderung war betroffen. „Der Streik wurde zwar vorher angekündigt, aber wegen Ostern konnten wir keine Informationen an die Familien herumschicken“, berichtet beispielsweise OIaf Hesse, der Leiter der Oberschule Jork. Dorthin fahren viele Schüler mit dem Bus. Über die Presse hätten einige Familien das nicht mitbekommen, manche waren über Ostern noch im Urlaub. Betroffen war hier aber nur eine einstellige Zahl von Schülern.

FDP: Streik auf Kosten der Bildung unverantwortlich

„Kinder brauchen Bildung, keine Streiks“, sagt André Grote, Fraktionsvorsitzender der Buxtehuder FDP. Aus Sicht der Freien Demokraten sei es unverantwortlich, einen Tarifstreik auf dem Rücken der Kinder auszutragen. Die Folgen: „Unterricht verpasst, Eltern unter Druck, Chaos im Alltag, Zusatzbelastung für das Klima durch mehr Privatfahrten der Eltern“, so Grote.

Die meisten Streikenden auf dem Pferdemarkt sind Busfahrer, aber auch andere Sparten der KVG sind dabei.

Die meisten Streikenden auf dem Pferdemarkt sind Busfahrer, aber auch andere Sparten der KVG sind dabei. Foto: Richter

„Die Busfahrer sind das Rückgrat der Verkehrswende“, sagt Jana Mehl, Gewerkschaftssekretärin von Verdi, bei der Kundgebung auf dem Platz am Sande - und unterstreicht damit die Bedeutung dieses Berufsstands. Es wird nicht der letzte Warnstreik sein, vermuten die KVG-Betriebsräte: Am 28. April wird wieder verhandelt. Die nächste Kundgebung soll in Buxtehude stattfinden.

Weitere Artikel