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24-Stunden-Reportage

TMittags in der NSB-Betriebskantine: Fischtage sind der Renner

Kantinenchef Marko Weise gibt Azubi Marcel Ciesinski Pannfisch auf

Azubi Marcel Ciesinski findet die Fischtage fantastisch. Foto: Weselmann

Zwischen 11 und 12 Uhr startet bei NSB der Tellertanz. In der Kantine der Buxtehuder Reederei stehen Schiffskapitäne, Flugzeugbauer, Studenten und Ruheständler gemeinsam Schlange.

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Von Fenna Weselmann
Sonntag, 07.07.2024, 21:03 Uhr

Buxtehude. Eine halbe Stunde bevor die NSB-Kantine um 11.30 Uhr ihre Türen öffnet und ein Essen nach dem anderen über den Tresen wandert, hat die Küchen-Crew noch einen Moment Verschnaufpause. Da ist das große Kochen längst getan und die Edelstahlküche schon wieder blank geputzt.

Chefkoch Marko Weise kommt gerade von der Buxtehuder Lebenshilfe zurück. Die bezieht von der Kantine regelmäßig Essen, genauso wie der Mehrgenerationen-Mittagstisch der St.-Paulus-Gemeinde.

Seit 6.30 Uhr haben Weise und sein Team in ihrem Küchen-Reich gewirbelt. Geschnippelt, gerührt, gegart und gebraten. Jetzt wartet alles auf die Gäste.

Bei NSB chillt das Essen bis zur Ausgabe

Auf einem Rollwagen türmen sich Behälter voll Pannfisch, Kräuterkartoffeln, Pilz-Omelett und Gemüse. Und auf einem weiteren Wagen duftet schon der Hackbraten für den nächsten Tag. „Cook & Chill nennt sich dieses Verfahren“, erklärt der Küchenchef.

Der Chef der NSB-Kantine rührt mit einem riesigen Kochlöffel Gemüse in einem überdimensionalen Topf um.

In dieser Küche haben Topf und Kochlöffel andere Ausmaße: Drei Stunden vor Kantinenöffnung bereitet Chefkoch Marko Weise eine riesige Ladung Gemüse zu. Foto: NSB

Die einzelnen Komponenten der Gerichte werden erst kurz vor knapp fertig erhitzt - nur so viel, wie in der Ausgabe gerade benötigt wird. „Je mehr los ist, desto frischer ist das System“, sagt Weise. In der NSB-Kantine gibt es immer genug Andrang. Vor allem an Fischtagen wie diesem.

Die sind der Renner. Dann gehen hier 150 Teller und mehr über den Tresen. Noch größer ist die Zahl, wenn Specials wie Spargel oder Gänsebraten auf dem Plan stehen. An solchen Tagen sind es schon mal 250 Essensportionen.

In der Woche verarbeitet das sechsköpfige Kantinen-Team etwa 1,2 Tonnen Lebensmittel. Zeit kostet allein die schiere Menge, die zuzubereiten ist. Zum Beispiel das Panieren und Braten von 200 Schnitzeln oder das Schneiden von massenhaft Gemüse.

80 Prozent der Gäste sind nicht von NSB

Früher war die NSB-Kantine außerhalb des Unternehmens ein Geheimtipp. Seit die Schranke zum Betriebsgelände entfernt wurde und Marko Weise das Konzept umgestellt hat, erfährt das Mittagsangebot stetig wachsenden Zulauf. Neben den Reederei-Mitarbeitern sind rund 80 Prozent der Gäste extern, davon kommen fast alle mehrmals die Woche.

Marko Weise arbeitet nicht erst seit seiner Stellung als Kantinenchef für NSB. Jahrelang bekochte er als stellvertretender Küchenchef die Gäste im Buxtehuder Navigare Hotel. „Ich habe auch schon mit Pinzette und Lineal auf dem Teller angerichtet“, erzählt der 38-Jährige.

Früher stand Marko Weise bis nachts in der Küche

Dann wechselte er den Kurs - von Sterne-Gastronomie und Fine Dining in den Großhandel. „Ich hatte einfach das Gefühl, mir würde das Leben davonrennen.“ 2019 kam schließlich das Angebot aus der NSB-Kantine. Beruflich ist er also in gewohntes Fahrwasser zurückgekehrt - unter der gleichen Flagge, aber mit völlig anderen Rahmenbedingungen. Statt bis in die Nacht in der Küche zu stehen, ist in der Kantine mittags schon mehr als der halbe Arbeitstag geschafft. Und feiertags ist auch frei.

Koch Daniel Horn beim Fischbraten

Koch Daniel Horn beim Fischbraten. Foto: NSB

Um Punkt 11.30 Uhr greifen die ersten Gäste zum Tablett. Daniel Horn ist sicher: „Heute wird es wieder knallen.“ Er ist der zweite Koch im Boot und wird Recht behalten mit seiner Vermutung. Bald sind die 85 Sitzplätze im Raum besetzt.

Wie sein Chef hat Daniel Horn früher à la carte gekocht und mit der NSB-Kantine seinen Traumjob am Herd gefunden: „Für mich ist das hier wie ein Sechser im Lotto“, sagt der 31-Jährige. So könne er diesen Beruf und Familienleben mit zwei Kindern ohne Probleme verbinden.

Typische Gerichte aus der Kindheit stehen auf dem Plan

Trotzdem muss er seinen Anspruch als Koch hier nicht über Bord werfen. „Klischee ist ja, dass es in der Kantine nur Tütenfraß gibt. Aber so arbeiten wir hier nicht“, betont Horn. Die beiden Köche sind da voll auf einer Wellenlänge, verstehen einander ohne viel zu reden.

Marko Weise setzt auf einfache Gerichte, „die Kindheitserinnerungen an Familienessen zurückholen und viele zu Hause aber gar nicht mehr selbst kochen“. Kohlroulade, Himmel und Erde, gefüllte Paprikaschote oder Birnen, Bohnen und Speck.

Dank einer durchdachten Kalkulation könnten sie sich hier als Köche trotzdem ausleben und alles anbieten. Die Devise von Koch-Kollege Daniel Horn passt dazu: „Gutes Essen für jeden bezahlbar. Das bin ich“, sagt er. „Und in welcher Kantine bekommt man sonst kalte Gurkensuppe mit Räucherlachs?“

Das Publikum ist so bunt wie der Speiseplan

Zu der greifen heute nur wenige. An einem heißen Sommertag wäre das sicher anders. So bunt wie der Speiseplan ist das Publikum, das bei NSB zu Mittag isst. Kapitäne, die am NSB-Schiffsimulator trainieren, Flugzeugbauer von Airbus, Studenten der Hochschule 21, Mitarbeiter anderer Unternehmen und Ruheständler - sie alle reihen sich in die inzwischen bis zur Tür reichende Essensschlange ein.

Die Crew des Schiffssimulators isst Pannfisch

Von der Schiffsbrücke direkt in die Kantine: Die Crew des Schiffsimulators hat Pannfisch bestellt. Foto: Weselmann

„Der Typ mit Corvette kommt genauso wie der mit dem Fahrrad, der Schlipsträger wie der mit zerrissenen Jeans“, sagt Daniel Horn. Mit seinem Chef und Küchenkraft Monique Bonath wuppt er nun die Ausgabe, während Spülfee Brigitte Jahncke für sauberen Geschirr-Nachschub sorgt.

Brigitte Jahncke spült das dreckige Geschirr vor

Brigitte Jahncke ist die Spülfee. Während die Schlange an der Ausgabe länger wird, säubert sie schon das erste dreckige Geschirr. Foto: Weselmann

Von Montag bis Freitag stehen täglich zwei Hauptgänge zur Auswahl, dazu ein wöchentlich wechselnder Eintopf, zwei unterschiedliche Suppen in der Woche, Salatbar und Dessert - darunter mindestens ein vegetarisches Essen. Wem all das nicht zusagt, der kann alternativ immer eine Currywurst mit Pommes ordern.

Monique Bonath gibt eine Kelle voll Soße auf die frisch zubereitete Currywurst

Auf Bestellung frisch zubereitet: Monique Bonath richtet Currywurst mit Pommes an. Foto: Weselmann

Currywurst mit Pommes geht immer

Die wird auf Bestellung frisch gebraten. Darauf wartet gerade Will Pogson, der mit seinem Kollegentross von CPI in einer Ecke des modern eingerichteten Speiseraums sitzt. Alle loben die vielfältige Auswahl.

Margret und Erwin Krüger sitzen in der Kantine und genießen ihren Pannfisch mit Kräuterkartoffeln und Rote-Bete.

Margret und Erwin Krüger nutzen gerne das Kantinenangebot, wenn sie keine Lust hat, selbst zu kochen. Foto: Weselmann

Margret und Erwin Krüger schmausen nebenan. Die Buxtehuder Rentner steuern gerne die Kantine an. „Wenn ich keine Lust habe, zu kochen“, sagt sie. Krügers finden nicht nur die Atmosphäre angenehm, auch „das Preis-Leistungs-Verhältnis passt 100 Prozent“.

NSB-Mitarbeiterin Jana Baerbaum holt noch Getränke von der Ausgabe

NSB-Mitarbeiterin Jana Baerbaum verabredet sich immer mit Kollegen zum Mittagessen. Foto: Weselmann

Azubi Marcel Ciesinski findet es praktisch, dass er nichts mitbringen muss und „die Fischtage fantastisch“. Jana Baerbaum freut sich auch immer auf Fisch, weil sie den zu Hause nicht selbst zubereiten mag. Die gemeinsame Mahlzeit mit Kollegen hat Tradition. Hier sei Zeit für Gespräche, die sich mal nicht um Arbeit drehen, sagt sie. Als Studentin habe sie oft in einer Hamburger Kantine gegessen, wo einem „die gute Hafenarbeiter-Portion auf den Teller geklatscht wurde“. „Das ist kein Vergleich hier“, betont sie.

Inzwischen gibt es ein Rennen um die Plätze

Den feinen Unterschied wissen auch Kirsten und Heiko Störtenbecker zu schätzen. „Alles wird mit viel Liebe und Fantasie zubereitet“, sagen sie. Die Kantine ist für Störtenbeckers ein echter Treffpunkt.

Dieses Mal sitzen sie mit Rudi Helmcke am Tisch. Die Männer sind seit Schulzeiten Freunde. Für sie ist es „eine lieb gewonnene Gewohnheit“, hier miteinander zu klönen. Die drei gehören zu den vielen Buxtehuder Stammgästen. „Mittags gibt es mittlerweile ein Rennen um die Plätze“, so Heiko Störtenbecker.

 Koch Daniel Horn mit Stammgast Klaus Störtenbecker an der Kasse

Der Buxtehuder Klaus Störtenbecker gehört mit seiner Frau zu den Stammgästen in der NSB-Kantine Foto: Weselmann

Tatsächlich herrscht um 12 Uhr richtig Trubel. Trotzdem füllt das Kantinen-Team in aller Ruhe die Teller und nimmt sich Zeit für einen kurzen Schnack mit den Gästen. „Dieser persönliche Kontakt macht den Spaß hier beim Arbeiten“, sagt Marko Weise.

Kantinenchef Marko Weise gibt Azubi Marcel Ciesinski Pannfisch auf

Azubi Marcel Ciesinski findet die Fischtage fantastisch. Foto: Weselmann

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