TNach fast 22 Jahren: Auftakt im Buxtehuder Baggersee-Mordprozess

Der Angeklagte verdeckt sein Gesicht hinter Büropappe. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 43-Jährigen vor, im August 2022 einen Mann an einem Baggersee bei Buxtehude erschossen zu haben. Foto: Thomas Sulzyc
2002 wurde ein Mann an einem Baggersee in Buxtehude erschossen aufgefunden. Beinahe 22 Jahre später stehen deswegen vier Männer vor dem Landgericht Stade. Grund ist ein Bekennerschreiben - das der Angeklagte inzwischen wieder zurückgenommen hat.
Buxtehude/Stade. Vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Stade hat am Freitag die Hauptverhandlung gegen vier Männer (41, 43, 43 und 46 Jahre alt) in einem Fall begonnen, der fast 22 Jahre zurückliegt.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, im August 2002 in der Nähe eines Baggersees bei Buxtehude-Ovelgönne einen damals 27 Jahre alten Mann gemeinschaftlich heimtückisch ermordet zu haben.
Angeklagter nimmt Bekennerschreiben zurück
Obwohl die Angeklagten bereits kurz nach der Tat in den Fokus der Ermittler geraten waren, reichten die Beweise nicht aus, um Anklage zu erheben. Das änderte sich im vergangenen Jahr. Grund ist ein Bekennerschreiben an die Polizei in Hamburg, in dem sich einer der Angeklagten zu der Tat aus dem Jahr 2002 bekannte und die Namen der anderen drei mutmaßlich am Mord Beteiligten nannte. Dieses Schreiben habe der Angeklagte inzwischen wieder zurückgenommen, sagte ein Sprecher des Landgerichts Stade dem TAGEBLATT. Allerdings habe die Polizei die Ermittlungen wieder aufgenommen.
Die Angeklagten und ihre Verteidiger äußerten sich am ersten Prozesstag nicht zu den Vorwürfen. Zwei der Angeklagten wurden in Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Sie verbüßen derzeit wegen anderer Delikte Haftstrafen in den Justizvollzugsanstalten Bremervörde und Hamburg-Fuhlsbüttel. Die anderen beiden Angeklagten leben in Hamburg.
Drei Schüsse in den Oberkörper
Der 43 Jahre alte Angeklagte, der in Bremervörde in Haft sitzt, soll laut Staatsanwaltschaft in der Nacht vom 10. auf den 11. August 2002 mit einem Schrotgewehr, Kaliber 12, auf das Opfer geschossen haben. Mit drei Schüssen in den Oberkörper habe er den damals 27-Jährigen getötet. Das Opfer sei mit 2,23 Promille stark alkoholisiert gewesen. Nun muss sich der 43-Jährige wegen Mordes vor dem Landgericht verantworten. Die Haare sind mittlerweile grau, im Gerichtssaal trug er einen Kapuzenpullover in Rot, Schwarz und Weiß, dazu dunkelgraue Sneakers der Marke Nike.

Der TAGEBLATT-Bericht vom 13. August 2002. Foto: Archiv
Nach der Anklageverlesung durch die Staatsanwaltschaft beantragten die beiden Verteidiger von einem der Angeklagten, die Verhandlung auszusetzen. Nach Aussage eines Verteidigers sei nicht genug Zeit zur Akteneinsicht gewesen. Die Verteidigung habe sich darum nur unzureichend auf die Verhandlung vorbereiten können, hieß es. Die Rechtsanwälte der anderen Angeklagten schlossen sich dieser Einschätzung an. „Die Beweislage ist äußerst fragil“, sagte ein Verteidiger noch.
Verteidiger: „Akte ist ein großes Wunderwerk“
Offenbar erfordern die Prozessunterlagen ein intensives Studium. Die Sammlung von Bänden und Dokumenten sei nur schwer verständlich. Eine Besonderheit des Verfahrens sei die Aktenführung. „Die Akte ist ein großes Wunderwerk“, sagte ein Verteidiger. Er warf Staatsanwaltschaft und Polizei zudem vor, Angeklagte vernommen zu haben, ohne die Verteidigung zu informieren.
Das Landgericht setzte die Verhandlung daraufhin aus. Die ursprünglich am 24. April und 22. Mai angesetzten Verhandlungstermine fallen aus, damit die Verteidiger Zeit zur Vorbereitung erhalten. Die Verhandlungstage sollen voraussichtlich im Juni oder Juli neu angesetzt werden.
Dennoch wird die Verhandlung am Donnerstag, 14. März, zunächst fortgesetzt. Dabei soll es laut dem Vorsitzenden Richter Julien Zazoff lediglich um die Übergabe von Dokumenten an die Verteidiger gehen.
An dem Tag werden sich zudem Zeugen zu dem damaligen Tatort äußern.
Dass die Angeklagten nach 22 Jahren ihr eisernes Schweigen brechen, ist offenbar nicht zu erwarten. Jedenfalls sagte der Verteidiger des Angeklagten, der die tödlichen Schüsse abgegeben haben soll, am ersten Prozesstag in Richtung der Richter: „Mein Mandant wird mit Ihnen nicht sprechen wollen.“

So berichtete das TAGEBLATT am 12. August 2002. Foto: Archiv