Zähl Pixel
Zukunft

TEx-Dow-Manager Stefan Engel: So klappt es mit dem Chemie-Park in Stade

Der Stader Chemie-Park an der Elbe: Die Chancen auf eine gute Entwicklung sind groß.

Der Stader Chemie-Park an der Elbe: Die Chancen auf eine gute Entwicklung sind groß. Foto: Martin Elsen

Stephan Engel hat einen Traum. Der Koordinator für den Chemie-Standort sieht die etablierten Werke weiter produzieren und spannende neue Unternehmen sich ansiedeln. Ein Überblick.

author
Von Lars Strüning
Freitag, 18.07.2025, 11:50 Uhr

Stade. Stephan Engels Wunschszenario sieht so aus: Die Dauerbrenner Dow, Olin und AOS produzieren rentabel. Dazu gesellen sich im Industriegebiet auf Bützflethersand ein Holzkraftwerk sowie die Herstellung von Lithium für E-Auto-Batterien und von Grünem Wasserstoff.

Das LNG-Terminal importiert bereits Erdgas und später grüne Wasserstoff-Derivate. Der Nordhafen ist im Bau. Wenn‘s gut läuft, kann dieser Traum Wirklichkeit werden.

Am Chemie-Park in Stade hängt die ganze Region

Stephan Engel kümmert sich seit Januar 2024 um die Sicherung und Weiterentwicklung des Chemie-Parks, der so wichtig ist für das wirtschaftliche Gedeihen der ganzen Region. 2500 Arbeitsplätze hängen zurzeit an den Betrieben. Indirekt werden es etwa 10.000 Menschen sein, deren Jobs vom Wohl und Wehe des Standorts abhängen. Stadt und Landkreis Stade leben zudem gut von den Gewerbesteuereinnahmen der großen Unternehmen.

Die Betriebsräte aus dem Chemie-Park machten einst den Anfang, sie schlossen sich zusammen, kämpften für den Bestand. Stadt und Landkreis Stade zogen nach, ebenso wie die Politik auf Bundes- und Landesebene. Institutionen wie die IHK, die Agentur für Arbeit, der Arbeitgeberverband und selbstredend die Geschäftsführungen sitzen mit im Boot.

Ihr erster Erfolg: Der Job von Stephan Engel, der sich als ehemaliger Dow-Manager bestens auskennt im Chemie-Park, in der gesamten Branche mit ihren Abhängigkeiten von den Energiepreisen.

Guter Kontakt: Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies (links), hier noch als Wirtschaftsminister, und der Koordinator für die Stader Chemie-Industrie, Stephan Engel.

Guter Kontakt: Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies (links), hier noch als Wirtschaftsminister, und der Koordinator für die Stader Chemie-Industrie, Stephan Engel. Foto: Strüning

Engel wird zu 90 Prozent vom Land Niedersachsen bezahlt, zehn Prozent steuert der Landkreis Stade dazu, bei dessen Wirtschaftsförderungsgesellschaft er angestellt ist.

Engels Traum vom prosperierenden Bützflethersand bietet der gesamten Region ungeahnte und einmalige Chancen.

Dow: Deutschlands zweitgrößter Stromverbraucher

Dow und AOS produzieren seit Jahrzehnten ihre Stoffe auf Bützflethersand. Beide Unternehmen litten stark unter den gestiegenen Energiepreisen im Zuge des Ukraine-Kriegs. Die Dow gilt nach der Deutschen Bahn als der bundesweit größte Stromverbraucher. Die AOS benötigt Unmengen an Gas. Beide fuhren ihre Produktion nach einem Tiefstand wieder hoch. Doch die Leiden sind noch nicht ausgestanden.

AOS und Dow kämpfen mit gefallenen Preisen und einer Absatzkrise sowie mit Konkurrenz aus dem asiatischen Raum. Beide Unternehmen sind extrem wichtig für den Standort. Bei der AOS sind 500 Menschen beschäftigt, bei der Dow 1300.

Im Industrie- oder auch Seehafen Bützfleth, der vorwiegend von Dow, AOS und der Buss-Gruppe genutzt wird, werden in guten Jahren bis zu sieben Millionen Tonnen an Gütern umgeschlagen. Das Land Niedersachsen hat über seine Hafengesellschaft NPorts mit Hilfe des Bundes vor anderthalb Jahren den Energiehafen für den Import von LNG, von tiefgekühltem und daher verflüssigtem Erdgas, in Rekordzeit fertiggestellt. 300 Millionen Euro hat der neue Anleger an der Elbe gekostet.

Die Energos Force ist über alle Berge

Ursprünglich sollte ein Spezialschiff hier das LNG regasifizieren, doch die Pläne haben sich zerschlagen, die „Energos Force“ liegt nicht mehr im Stader Hafen. Spätestens mit der Inbetriebnahme des LNG-Terminals an Land wird der Energiehafen seinen Zweck erfüllen und später womöglich auch grüne Wasserstoff-Derivate ins deutsche Netz einspeisen.

Große Hoffnungen liegen zudem auf den Plänen von NPorts, das Hafengelände Richtung Norden zu erweitern. Als Erweiterung ist ein 24 Hektar großes Multifunktionsterminal mit Gleisanschluss im Gespräch. Dafür soll der bestehende Nordwest-Anleger, den die AOS benutzt, um 825 Meter verlängert werden. Die Planungen könnten sich bis 2031 hinziehen, bevor der Bau beginnt. Der nähme dann drei Jahre in Anspruch. Genutzt werden könnte dieser neue Abschnitt vor allem vom Holzkraftwerk und für die Prime-Lithium-Produktion.

Projektentwickler Hanseatic Energy Hub (HEH) nimmt gut eine Milliarde Euro in die Hand, um das Megaprojekt LNG-Terminal an der Unterelbe zu realisieren. 2027 soll das Bauwerk vollbracht sein, bis zu 13 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr sollen importiert werden können.

HEH versteht das Terminal als Instrument einer Brückentechnologie, bevor grüne Gase zur Entkarbonisierung zum Einsatz kommen. Das feste LNG-Terminal ist der große konkrete Hoffnungsträger für die Stader Region, er könnte weitere wasserstoffaffine Start-ups anziehen. Und es nutzt Abwärme aus den Dow-Prozessen.

Energie aus 500.000 Tonnen Altholz jedes Jahr

Das Unternehmen Hansekraft will im großen Stil Energie aus nicht mehr verwertbarem Altholz gewinnen. Geplant ist eine Investition in dreistelliger Millionenhöhe. Das Altholz mit einem Volumen von 500.000 Tonnen pro Jahr soll über den Stader Hafen angeliefert werden.

Vorteile am Rande, sollte das Holzkraftwerk realisiert werden: AOS könnte Prozessdampf geliefert bekommen, am Gas sparen und damit den Standort sichern. Außerdem könnten die Stadtwerke Stade ein Fernwärmenetz installieren, das unter anderem das Stader Airbuswerk in Ottenbeck oder Ortschaften wie Bützfleth und Schölisch mit Energie aus dem Holzkraftwerk versorgt. Das Kraftwerk will zudem an die Industrie grünen Strom liefern.

Eine integrierte Lösung schwebt auch Prime Lithium vor. Das junge Unternehmen will direkt neben der Dow eine der ersten Hightech-Produktionsanlagen zur Herstellung von Lithiumhydroxid Monohydrat (LHM) für Autobatterien in Deutschland errichten.

Erst soll eine Pilotanlage für 50 Millionen Euro entstehen. Wenn das System ausgereift ist, soll bis 2030 eine Großanlage gebaut werden. Das hätte ein Invest von 700 Millionen Euro zur Folge. Zwei weitere Anlagen könnten folgen. Für den ersten Schritt wird mit etwa 350 Angestellten gerechnet, sagte Ideengeber und Unternehmer Dr. Axel C. Heitmann im Gespräch mit dem TAGEBLATT.

Grüner Wasserstoff made in Stade

Grüner Wasserstoff für Deutschland made in Stade - so zukunftsträchtig klingt das Vorhaben vom neuen Unternehmen Hanseatic Hydrogen, das einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag zur Produktion von grünem Wasserstoff investieren will. Dafür soll bis Ende 2028 ein 100-Megawatt-Elektrolyseur gebaut werden, der mit grünem Strom von der Nordsee betrieben werden soll.

Am Ende der Entwicklung ab dem Jahr 2030 könnten mit 500 Megawatt aus Stade etwa fünf Prozent des Bedarfs an grünem Wasserstoff in Deutschland abgedeckt werden. Vorteil auch hier: Hanseatic Hydrogen bezieht von der Dow gereinigtes Wasser aus der Produktion und liefert im Gegenzug Sauerstoff für die Kläranlage. Entscheidend für die Wahl des Standorts Stade war allerdings, dass der Chemiepark an das bundesweite Wasserstoffnetz angeschlossen wird.

Alle neuen Unternehmen würden sich zudem an Kosten für Infrastruktur, Werkschutz oder Feuerwehr beteiligen. So könnte bei integriertem Betrieb der Neuankömmlinge das Überleben der Platzhirsche gesichert werden.

Alles da in Stade: Hafen, Strom, Gas und Wasserstoff

Die Infrastruktur bietet dem Standort große Wettbewerbsvorteile. Da steht zuerst die Lage am seeschifftiefen Wasser. Da ist aber auch der Anschluss an das bundesweite Gasnetz und neuerdings auch an das nationale Wasserstoffnetz.

Auch für Strom ist gesorgt: Tennet betreibt auf dem Gelände des Chemie-Parks einen 380-Kv-Knotenpunkt mit grüner Energie aus den Windkraftanlagen auf hoher See oder aus Schleswig-Holstein.

Nicht umsonst lockt unter anderem die IHK Elbe -Weser mit dem Werbespruch „Come to where the power is“ Unternehmen an. Grüner Wasserstoff aus der Produktion mit überschüssiger Windenergie könnte in Salzkavernen bei Harsefeld gelagert werden.

Politik und Industrie setzen zudem auf den Weiterbau der Autobahnen A26 und A20 mit Elbtunnel bei Drochtersen, um den Chemie-Park verkehrlich gut anzuschließen. Sollte der Autobahnbau voranschreiten, könnte auch das von der Stadt Stade sehnlichst erwartete Industriegleis verlegt werden, um Seehafen und Unternehmen optimal per Bahn anzuschließen und die Innenstadt von den Chemietransporten zu entlasten.

Stades gute Kontakte nach Hannover

All diese Projekte hat Stephan Engel fest im Blick. Regelmäßig stimmt er sich mit Unternehmen, Offiziellen und Politik ab, damit sein Traum von einem miteinander verbundenen Chemie-Energie-Cluster in Erfüllung geht. Dass er dabei beste Kontakte nach Hannover hat - sowohl zu Ex-Ministerpräsident Stephan Weil wie auch zu dessen Nachfolger Olaf Lies, und dass Olaf Lies als Wirtschaftsminister es war, der die Zukunft der Chemie-Industrie in Stade zur Chefsache erklärte, könnte bei den vielfältigen Bemühungen hilfreich sein.

Schon jetzt merkt Engel, dass sich das Interesse von Unternehmen am Standort Stade deutlich verstärkt hat. Dabei weiß er: Gerade die Dekarbonisierung der Chemie-Industrie braucht einen langen Atem. Für ihn ist das alternativlos. Ansonsten könne Deutschland seine Klimaziele nie erreichen.

Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.

Weitere Artikel