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„Wahre Kosten“

Penny zieht Bilanz: Umstrittene Aktion überrascht

Bei der „Wahre-Kosten-Aktion“ des Discounters Penny gab es interessante Ergebnisse.

Bei der „Wahre-Kosten-Aktion“ des Discounters Penny gab es interessante Ergebnisse. Foto: Oliver Berg/dpa

Der Discounter kassierte – auch im Kreis Stade – eine Woche lang bei einigen Produkten deutlich höhere Preise. Wie oft die Kunden trotzdem zugegriffen haben.

Von dpa Dienstag, 23.01.2024, 09:30 Uhr

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Köln. Bei der „Wahre-Kosten-Aktion“ des Discounters Penny sind die Verkaufszahlen nicht so stark gesunken wie erwartet. Das ist das Ergebnis einer Studie von Wissenschaftlern der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald. Für die Untersuchung waren 2255 Personen vor und nach der Aktionswoche zu ihrem Kaufverhalten befragt worden.

Der Discounter Penny hatte Ende Juli 2023 für eine Woche bei neun ausgewählten Produkten die „wahren“ Preise kassiert - also den Betrag, der bei Berücksichtigung aller durch die Produktion verursachten Umweltschäden eigentlich berechnet werden müsste.

Die Produkte vom Käse bis zum Wiener Würstchen wurden dadurch um bis zu 94 Prozent teurer. Bio-Produkte erhielten niedrigere Aufschläge. Die Handelskette wollte damit nach eigenen Angaben mehr Bewusstsein für die Umweltbelastungen durch die Lebensmittelproduktion schaffen.

Die Handelskette wollte damit nach eigenen Angaben mehr Bewusstsein für die Umweltbelastungen durch die Lebensmittelproduktion schaffen und eine Debatte anstoßen, auch außerhalb der Penny-Kundschaft. Viele Kunden hätten die Aktion verstanden und unterstützt, sagte ein Sprecher von Penny. So hätten mehr Menschen zu den entsprechenden Produkten gegriffen als das angesichts der hohen Preisaufschläge zu erwarten gewesen sei. Eine Wiederholung oder Ausweitung der Aktion sei vorerst nicht geplant.

„Wahre Kosten“ bei Penny: So kauften Kunden ein

Dass die Verkaufszahlen nicht so stark gesunken sind wie bei derart großen Preisaufschlägen erwartet wurde, ist den Studienautoren zufolge auch auf die flankierende Wissenschaftskommunikation und die Verbindung mit der Spende zurückzuführen. 84 Prozent der Kunden, die die Produkte trotz Preiserhöhung kauften, gaben an, dass die Spende ein starker Grund gewesen sei. Die Mehreinnahmen - aufgestockt um eine Unternehmensspende von 50.000 Euro - spendete die zur Rewe-Gruppe gehörende Kette für ein Projekt zum Klimaschutz und zum Erhalt familiengeführter Bauernhöfe im Alpenraum. Laut Penny kamen dabei insgesamt mehr als 370.000 Euro zusammen.

Der Preis für Wiener Würstchen erhöht sich bei Penny plötzlich von 3,19 auf 6,01 Euro.

Der Preis für Wiener Würstchen erhöht sich bei Penny plötzlich von 3,19 auf 6,01 Euro. Foto: dpa

Die Verkäufe der Produkte sind der Untersuchung zufolge in ganz Deutschland gesunken. Kunden kauften die Produkte vor allem wegen des Preises nicht: 85 Prozent sagten, er sei zu hoch gewesen. In den neuen Bundesländern war der Rückgang der Verkaufszahlen mit bis zu 70 Prozent besonders stark. Im Westen und Süden Deutschlands sind die Verkäufe der Aktionsprodukte verhältnismäßig am wenigsten gesunken, vielerorts waren es nur bis zu 50 Prozent. Diese regionalen Unterschiede könnten auf verschiedene Faktoren wie Einkommen oder Interesse an Nachhaltigkeit zurückgeführt werden, schreiben die Wissenschaftler.

Kreislandwirt übt Kritik: Penny-Aktion nur ein PR-Gag

Der Studie zufolge haben 64 Prozent der Befragten von der Penny-Aktion mitbekommen. Bei jedem Zweiten hat diese demnach das Bewusstsein für die wahren Kosten von Lebensmitteln geführt. 46 Prozent gaben an, die Kampagne sei lediglich Marketing und habe keine positiven Auswirkungen.

„Nach der Kampagnenwoche sind zwar die Schätzungen der Mehrkosten für die wahren Kosten gestiegen, sowohl bei Produkten, die vorher überschätzt, als auch bei denen, die unterschätzt wurden. Dies zeigt, dass die Befragten realisiert haben, dass die wahren Kosten höher sind als ursprünglich angenommen“, sagte der Projektleiter und Ressourcenökonom der Technischen Hochschule Nürnberg, Tobias Gaugler. Dennoch finde bei den Kunden unverändert keine Differenzierung zwischen verschiedenen Produkten statt.

Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, urteilte: „Die Penny-Aktion zu „wahren Kosten“ ist vor allem ein auf Kosten der Bauern ausgetragenes Greenwashing-Projekt eines Discounters, der sich ansonsten wenig für faire Bepreisung interessiert.“

Kreislandwirt Johann H. Knappe erklärte im August im TAGEBLATT: Er halte „nichts“ von der Aktion. Für ein Unternehmen, das als Geschäftsmodell die drastische Preisreduktion verfolge und gegenüber den Erzeugern die Preise drücke, sei die Aktion nicht angemessen.

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch sprach von einem reinen PR-Gag. Während Penny für gerade einmal neun seiner Produkte die „wahren Preise“ verlange, drücke der Discounter gleichzeitig die Preise für etliche andere klima- und umweltschädliche Lebensmittel wie Fleisch aufs Minimum.

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Bundesverband der Verbraucherzentralen forderten bei einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur, das Problem der verdeckten Umweltkosten bei der Lebensmittelproduktion müsse endlich konsequent angegangen werden. „Wir halten es für notwendig, dass Produkte zu Preisen verkauft werden, die deutlich näher an ihrem „wahren Preis“ liegen“, erklärte der BUND. Dabei müsse jedoch zwingend ein sozialpolitischer Ausgleich für finanziell schwächer gestellte Menschen stattfinden, betonte der Verband.

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