TZweifach Helfen im Kreis Stade: Sie lernen Deutsch und tun dabei Gutes

Leyson Cortés (vorne) spielt bei BTS Neustadt in der fünftklassigen Bremen-Liga. Sein Ziel: Profi werden. Inzwischen lernt er beim Kochen mit Kabuschka-Leiterin Frauke Menke und Bols Albitar Nützliches. Foto: Richter
Sie schnippeln Salat in der Schulmensa, packen beim Kanuverein oder DRK mit an. Wenn Asylbewerber gemeinnützig arbeiten, nützt das auch ihrer Integration.
Stade. Ofenhähnchen: Dieses Wort geht Bols Albitar leicht über die Lippen. Der 24-jährige Syrer ist erst seit fünf Monaten in Deutschland. Doch er arbeitet in der Kabuschka, der Mensa im Stader Gymnasium Athenaeum, und dabei lernt er automatisch praxistaugliches Deutsch. Zwischen 160 und 180 Essen gehen hier täglich über den Tresen, erklärt die Leiterin Frauke Menke, die heute mit einer anderen Mutter, Bols Albitar und zwei kolumbianischen Kollegen in der Küche am Werk ist.
Erfolgreich mit „Zweifach helfen“ seit zehn Jahren
Die Eltern arbeiten ehrenamtlich in der Kabuschka. Auch die Helfer aus Syrien und Kolumbien sind freiwillig dabei: Im Projekt „Zweifach helfen“ des Berufsbildungswerks Cadenberge-Stade, das jetzt seit zehn Jahren Teil der aktiven Integrationspolitik des Landkreises Stade ist, hat man damit gute Erfahrungen gemacht, erklären Julia Pleyn und Katja Drechsler. Bei „Zweifach helfen“ sind die beiden Ansprechpartnerinnen für Vereine, Einrichtungen und Asylbewerber, die dort im Einsatz sind.
Zum Beispiel in den von Eltern ehrenamtlich betriebenen Schulmensen wie der Teeküche der Halepaghen-Schule in Buxtehude und der Kabuschka in Stade, beim Kanuverein, in der Kirche, beim Bauhof oder beim DRK. Schon 2014 wurde im Landkreis erkannt, dass noch viele Geflüchtete aus Syrien zu erwarten waren.
Mit Dezernentin Nicole Streitz und Detlef Wiggers als Leiter stellte sich die Stader Ausländerbehörde damals neu auf. Das Konzept von „Zweifach helfen“ wurde entwickelt. „Das war sehr weitsichtig“, sagt Katja Drechsler vom Bildungswerk Cadenberge-Stade, das seit zehn Jahren mit der Durchführung des Projekts beauftragt ist. Ziel ist es, den Teilnehmern Orientierung und Struktur zu bieten und ihnen erste Kontakte mit Sprache, Gesellschaft und Arbeitsleben zu ermöglichen.
Aufwandsentschädigung: 80 Cent pro Stunde
Theoretisch könnten Asylbewerber laut Gesetz verpflichtet werden, gemeinnützige Arbeit zu leisten. Einige Kommunen tun das inzwischen, doch der Landkreis Stade setzt auf Freiwilligkeit. Das sorge für viel Zufriedenheit - bei den Freiwilligen wie auch bei den Einrichtungen, wo sie zum Einsatz kommen. Für die „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung“, bekannt als Ein-Euro-Job, bekommen die Teilnehmer eine Aufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde, der Arbeitseinsatz ist auf 20 Stunden pro Woche begrenzt.
Asylverfahren
T Abschiebungen kaum durchzusetzen: So ist die Lage im Kreis Stade
Viele nehmen diese Möglichkeit gerne wahr, sagt Katja Drechsler. Ein Grund dafür: „Wer nicht gerade im Sportverein ist, bekommt sonst oft gar keinen Kontakt zu Deutschen.“ Einen Sportverein hat Leyson Cortés allerdings schon: Der 21-jährige Kolumbianer spielt in der fünftklassigen Bremen-Liga beim BTS Neustadt und nimmt dafür regelmäßig die Fahrt nach Bremen in Kauf. Sein Ziel: die 1. Liga. Er will Profi werden, berichtet er, während er in der Kabuschka im Athenaeum Salat schnippelt.

In der Kabuschka lernen Teilnehmer des Projekts „Zweifach helfen“ Deutsch und kommen beim gemeinsamen Arbeiten in Kontakt. Foto: Richter
Durch „Zweifach helfen“ kommen die Geflüchteten raus aus den Unterkünften und lernen die Sprache auf einer Alltagsebene, beiläufig und ohne Erfolgsdruck. In den ersten Jahren gingen die Projekt-Mitarbeiterinnen noch in die Gemeinden und sprachen die Menschen dort direkt an. Seit 2018 übernimmt der Landkreis die Aufforderung. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein noch laufendes Asylverfahren. Jeder, der über 18 ist, bekommt das Angebot, sich bei „Zweifach Helfen“ zu melden. Das tun auch 75 Prozent der Angesprochenen, berichtet Julia Pleyn.
Ziel bleibt eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt
Beim Erstgespräch geht es darum, welche Kenntnisse und welche Neigungen die Teilnehmer haben, damit beide Seiten profitieren können. Die gemeinnützige Tätigkeit dient der Integration, soll aber nur vorübergehend sein. Ziel bleibt eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt. 25 Prozent der Menschen, die sich bei ihnen melden, würden am Ende tatsächlich vermittelt - auch, weil zwischenzeitlich viele aus dem Raster fallen. Zum Beispiel, weil sie schon eine Arbeitsstelle haben, weil sie Kinder betreuen müssen oder weil rechtliche Gründe im Zuge ihres Anerkennungsverfahrens doch dagegen sprechen.

In der Kabuschka lernen Teilnehmer des Projekts „Zweifach helfen“ Deutsch und kommen beim gemeinsamen Arbeiten in Kontakt. Foto: Richter
Der 47-jährige Wilder Reyes aus Kolumbien bereitet gerade zwei Bleche Ofentomaten mit Feta vor. Wie er erzählt, ist er als pharmazeutische Verwaltungsfachkraft ausgebildet und hat in Kolumbien viele Jahre in seinem Beruf gearbeitet. Den B1-Kurs in Deutsch als Fremdsprache hat er schon abgeschlossen und hofft, dass er seine Qualifikationen in Deutschland möglichst bald beruflich einbringen kann. Dafür braucht er allerdings noch mehr Deutschkenntnisse. „Das Sprechen in der Kabuschka hilft“, sagt er.
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