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TAltländer geben ihren Kampf gegen Verkehrslärm an der L140 nicht auf

Der Lkw-Transitverkehr belastet die Menschen in Mittelnkirchen, Bürgermeister Joachim Streckwaldt (CDU) will das nicht klaglos hinnehmen.

Der Lkw-Transitverkehr belastet die Menschen in Mittelnkirchen, Bürgermeister Joachim Streckwaldt (CDU) will das nicht klaglos hinnehmen. Foto: Vasel

Sie wollen den Ist-Zustand nicht hinnehmen: Mittelnkirchens Bürgermeister Joachim Streckwaldt nimmt beim Kampf gegen den Verkehrslärm einen neuen Anlauf. Das sind die Forderungen.

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Von Björn Vasel
Montag, 06.10.2025, 05:50 Uhr

Mittelnkirchen. 2014 sagte eine Bürgerinitiative dem Lkw-Verkehr im Alten Land den Kampf an. Lediglich Tempo 30-Schilder für Lkw sind seitdem aufgestellt worden. „Diese haben für mich den Charakter von schwachen Baldriantropfen zur Beruhigung der gebeutelten Anwohner“, sagt Joachim Streckwaldt (CDU). Viele Mittelnkirchner hätten resigniert. Die Politiker aber machen den Verkehr wieder zum Thema.

Fast 42.000 Tonnen Abfälle aus dem Landkreis Stade transportieren Lkw jedes Jahr zur Beseitigung in die Müllverwertungsanlage Rugenberger Damm in Altenwerder. „Jeden Werktag sind das 160 Tonnen“, rechnet Streckwaldt vor. Laster fahren auf der Hin- und Rückfahrt auf der Landesstraße mitten durchs Dorf - von 4.30 Uhr bis 23 Uhr. Dass die Transporte nicht längst über den Schienen- oder den Wasserweg laufen, kann Streckwaldt nicht nachvollziehen. Das müsse der Landkreis Stade spätestens mit der nächsten Ausschreibung ändern.

Bürgermeister Joachim Streckwaldt wünscht sich das Zusatzschild „Lärmschutz“.

Bürgermeister Joachim Streckwaldt wünscht sich das Zusatzschild „Lärmschutz“. Foto: Vasel

Damit nicht genug: Auch der Transitverkehr zwischen Hamburg und Bremerhaven belaste Mittelnkirchen weiterhin. Streckwaldt bedauert, dass es hier bislang keine Lösung wie „Anlieger frei“ gab. Die Lkw-Fahrer nutzen die nicht mautpflichtige L140 seit der Freigabe der Umgehungsstraße Finkenwerder im Jahr 2012 verstärkt.

Tempo 30 gilt nicht für alle auf der L140

Seit Mai 2014 gilt Tempo 30 für Lkw in Mittelnkirchen. KVG-Busse und Reisebusse (Kraftomnibusse) sind davon ausgenommen. Für diese gilt die innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h - wie bei Pkw und Motorrädern.

Der Landkreis Stade begründete die Geschwindigkeitsbeschränkung für die Fahrzeuge über 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht in seiner verkehrsbehördlichen Anordnung seinerzeit mit der Verkehrsbelastung und dem schlechten Straßenzustand in Verbindung mit der kurvenreichen Strecke zwischen der K36 (Muddweg) und der L125 (Dollerner Straße).

Tempo 30 sei auch heute noch notwendig. Streckwaldt verweist auf den Lärmschutz. Außerdem gelte es, Erschütterungen und Schäden zu minimieren. In dem Deichhufendorf stehen die Häuser dicht an der Straße.

Die Ausnahme für die Busse kann Streckwaldt nicht nachvollziehen. „Wer hier 30 km/h statt 50 fährt, verliert lediglich 35 Sekunden. Das müsste für jeden zumutbar sein - auch für die KVG“, sagt der Bürgermeister. Der Rat der Gemeinde Mittelnkirchen würde sich, ähnlich wie die Samtgemeinde Lühe, mehr Geschwindigkeitskontrollen durch den Landkreis und die Polizei wünschen.

Altländer fordert Zusatzzeichen „Lärmschutz“

Der pensionierte Polizist appelliert an die Kreis-Straßenverkehrsbehörde und fordert, dass unter dem Tempo 30- und dem Lkw-Schild das Zusatzzeichen Lärmschutz montiert wird. Das wäre „ein deutlicher Hinweis“ für alle Fahrer, dass die Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h für Laster in der Ortsdurchfahrt Mittelnkirchen dem Schutz der Wohnbevölkerung diene.

Die im überarbeiteten Lärmaktionsplan in diesem Jahr vom Samtgemeinderat geforderte Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h für Lkw, Motorräder und Pkw zwischen der Lühe-Brücke und dem Ortsausgang nach Jork blieb bislang ein frommer Wunsch. Längst wurde lärmschluckender Asphalt eingebaut. Im Vergleich zu Tempo 50 wirkt Tempo 30 auf das menschliche Ohr wie eine Halbierung des Verkehrsaufkommens. Das entspricht einer Lärmminderung um 2 bis 3 dB(A).

Verkehrslärm macht Menschen krank

Der Lärmaktionsplan 2025 sei bislang ein Papiertiger, so Streckwaldt. Ein Grund: Der Plan ist unverbindlich. Das von den Altländern beauftragte Büro Lärmkontor aus Hamburg hielt das verkehrsrechtlich für möglich - nach einer Einzelfallprüfung durch den Kreis Stade.

15 Prozent der Bevölkerung in der Samtgemeinde Lühe leiden laut Lärmkontor unter krankmachendem Verkehrslärm. In Mittelnkirchen sind 400 Menschen (tagsüber) beziehungsweise 300 (nachts) belastet, knapp von ihnen 100 würden gesundheitlich stark belastet.

Rund 300 Wohnungen des 1100 Einwohner zählenden Dorfes sind betroffen. Studien zeigten: Lärmbelastung durch Verkehr kann Herzerkrankungen, Depressionen und Schlaganfälle, aber auch Lerndefizite bei Kindern auslösen.

Altländer klagen über Raser

Viele Lkw seien weiter zu schnell unterwegs. Das nicht geeichte Seitenradar der Kommune habe in Einzelfällen wiederholt 75 km/h gemessen. Streckwaldt fordert mehr Kontrollen und beklagt, dass der Kreis Stade keine Daten veröffentliche.

„Es gibt keine gravierenden Verstöße“, sagt der Landkreis-Sprecher Daniel Beneke. Vom 5. bis 10. September habe ein mobiler Blitzer im Ort gestanden. 32.243 Fahrzeuge seien erfasst worden, 147 Fahrer werden zur Kasse gebeten.

Die aktuelle Regelung sei, mit Blick auf die Verkehrssicherheit, ausreichend. Das Zusatzschild Lärmschutz könne nicht einfach so angeschraubt werden. Die Altländer müssten einen Antrag erst einmal mit Fakten untermauern - etwa aus dem Lärmaktionsplan. Bei Straßen des überörtlichen Verkehrs wie der L140 seien die Hürden sehr hoch.

Ärgernis: Der Restmüll aus dem Landkreis Stade wird durch Mittelnkirchen zur Müllverbrennungsanlage am Rugenberger Damm in Hamburg gefahren, im Hintergrund ein leeres Müllfahrzeug auf dem Rückweg.

Ärgernis: Der Restmüll aus dem Landkreis Stade wird durch Mittelnkirchen zur Müllverbrennungsanlage am Rugenberger Damm in Hamburg gefahren, im Hintergrund ein leeres Müllfahrzeug auf dem Rückweg. Foto: Vasel

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