TIllegale Prostitution? Polizei-Razzia in der Buxtehuder Altstadt

Blick von der Fußgängerzone auf die durchsuchten Wohnungen während der Razzia in der Buxtehuder Altstadt. Mit dem Rücken zum Fenster sichert ein Polizist ein Zimmer. Foto: Wisser
Schlag gegen vermutete illegale Prostitution in der Buxtehuder Altstadt: Polizei und Behörden durchsuchten am Mittwochabend mehrere Wohnungen in der Langen Straße. Das ist bislang bekannt.
Buxtehude. Verdacht auf den Betrieb eines illegalen Wohnungsbordells: Mehrere Polizeibeamte haben am Mittwochabend Wohnungen in einem Gebäude in der Buxtehuder Fußgängerzone durchsucht. Beteiligt an der Razzia waren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Landkreises Stade und der Stadt Buxtehude.
Ein dunkler VW Transporter fährt gegen 20.46 Uhr durch die Lange Straße und hält zwei Häuser von dem Gebäude entfernt. Fünf uniformierte Polizeibeamte steigen aus und bewegen sich zu dem Treppenhaus des Wohn- und Geschäftshauses. Wenig später folgen ihnen zwei Gruppen von jeweils etwa fünf Männern und Frauen - die beteiligten Behördenmitarbeiter.

Blick aus der Straße Hasenmoor auf die Balkonseite der durchsuchten Wohnungen: Mehrere an der Razzia beteiligten Personen sind in den beleuchteten Zimmern zu sehen. Foto: Wisser
Offenbar versuchen Wohnungsinsassen zu telefonieren. „Handy weg, Handy weg“, rief jemand, hörbar durch das geöffnete Fenster. Ansonsten verläuft die Razzia geräuschlos und unspektakulär. Erste Erkenntnisse dürften am heutigen Donnerstag zu erwarten sein. Bis zum Redaktionsschluss war die Durchsuchung nicht beendet.
Schon seit Wochen sind Anwohner eines Wohn- und Geschäftshauses in der Buxtehuder Fußgängerzone in der Langen Straße genervt: Seit über einer Boutique offenbar ein Wohnungsbordell betrieben wird, ärgern sie sich über einen freizügigen Blick auf das Treiben und ihrer Meinung nach zwielichtige Leute.
„Leider verhängen die Akteure die Balkontür nicht immer. Bei voller Innenbeleuchtung hat man einen vollen Einblick auf das Geschehen“, heißt es in einem Schreiben an das TAGEBLATT.
Männer auf dem Balkon: Nachbarn haben Angst
Der Brief ist anonym - offenbar aus Furcht vor rachsüchtigen Zuhältern. Bis zu fünf „Herren“ würden sich zeitweilig auf den Balkonen auf der Rückseite des Gebäudes in der Straße Hasenmoor aufhalten und die Umgebung beobachten.
„Viele Nachbarn haben Angst vor diesem Personenkreis und es wird nur leise über unsere Beobachtungen gesprochen. Befürchtet wird, dass plötzlich jemand vor der Tür steht, den man da nicht haben will“, so der anonyme Schreiber.
Adresse und Preise kommen über die Whatsapp-Funktion
TAGEBLATT-Recherechen bestätigen den Verdacht: Bis zu sieben Frauen arbeiten offenbar in dem Wohnungsbordell. Inserate auf einem Hamburger Online-Portal, auf dem ausschließlich Prostituierte ihre Dienstleistungen anbieten, geben Auskunft zu ihnen: Blutjung sollen sie demnach sein, zwischen 18 und 25 Jahre alt. Ihre Herkunft: osteuropäisch - vermutlich aus Ungarn, Rumänien oder Bulgarien.
#RoteKartefürFreier
Gleichstellungsbeauftragte für eine Fußball-Europameisterschaft ohne Sexkauf
Wer über eine Whatsapp-Funktion des Portals Kontakt mit ihnen aufnimmt, erhält in kürzester Zeit Antwort: Dienstleistungen, Preise und die Adresse werden genannt. In deutscher Sprache, mit einigen Rechtschreibfehlern.
Die Adresse in der Fußgängerzone, in einer der besten und teuersten Lagen von Buxtehude, ist für ein Wohnungsbordell ungewöhnlich. Üblicherweise findet sich eine Bordellnutzung eher in heruntergekommenen Gebäuden mit geringeren Mietkosten, damit die Rendite möglichst groß ausfällt.
Prostitution in der Langen Straße ausgeschlossen
Prostitution in Wohnungen sei nicht grundsätzlich verboten, sagte Buxtehudes Rechtsamtsleiter Ralf Dessel dem TAGEBLATT auf Nachfrage. An der Langen Straße in der Fußgängerzone allerdings schon: Eine städtische Satzung schließe dort Vergnügungsstätten und störendes Gewerbe aus. „Ein Bordellbetrieb an der Adresse dürfte also nicht zulässig sein“, sagt Dessel.

In einer Wohnung nahe des Rathauses in der Buxtehuder Fußgängerzone befindet sich das Wohnungsbordell. Eine Satzung schließt Vergnügungsstätten und störendes Gewerbe an diesem Standort aus. Foto: Wisser
Tatsächlich gibt es auch die Möglichkeit, dass die Immobilien in unmittelbare Nähe zum historischen Rathaus gerade zum Verkauf angeboten werden. Der Kaufpreis soll bei rund 1,6 Millionen Euro liegen. Brancheninsider bestätigen dies.
Sollen die Sexkäufer kriminalisiert werden?
Prostitution ist in Deutschland erlaubt. Sie ist auch gewerblich geregelt. Die Idee dahinter war, den betroffenen Frauen mehr Sicherheit und Schutz zu garantieren. Aus Sicht vieler Experten hat sich das aber nicht erfüllt - Frauen müssen weiterhin in schlimmen Situationen Sexarbeit verrichten.
So kämpfen die Gleichstellungsbeauftragten in der Region gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution. Sie fordern mittels der Kampagne RotlichtAus?! im Kreis Stade ein Sexkaufverbot nach dem Nordischen Modell. Der bekannteste Punkt dieses Modells ist die Kriminalisierung der Kunden von Prostituierten durch das Sexkaufverbot.
Prostitution: Dunkelziffer sehr viel höher
In Deutschland gibt es rund 30.000 offiziell angemeldete Prostituierte. Tatsächlich sind es in der Realität wesentlich mehr. Schätzungen gehen von 250.000 aus. Zuständig für die Anmeldung ist für Buxtehude und den Landkreis Stade die Kreisverwaltung. Die Prostituierten dürfen sich in jedem Landkreis anmelden und mit dieser Anmeldung dann bundesweit arbeiten. Die Anmeldungen müssen alle zwei Jahre neu beantragt werden, allerdings nicht im selben Landkreis.
Die Behörden bekommen auch nicht mit, wenn eine Prostituierte ihre Tätigkeit aufgegeben hat und keine neue Anmeldung beantragt. Ein bundesweites Register gibt es nicht. Deshalb gibt es keine wirklich verlässlichen Zahlen. Bei einer Kontrolle eines Bordells in Horneburg im Mai 2023 traf die Polizei auf sieben Frauen. Nur drei von ihnen waren als Prostituierte gemeldet.