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TObstbautage in Jork: Erzeuger und Forscher setzen auf Hightech

KI in der Kiste: Der Schlepper fährt mit der Samson-Sensorbox durch die Obstplantage.

KI in der Kiste: Der Schlepper fährt mit der Samson-Sensorbox durch die Obstplantage. Foto: Vasel

Die 75. Norddeutschen Obstbautage stehen im Zeichen von Zukunftstechnologie. KI-unterstützte Sensorsysteme sind in der Erprobung. Hightech soll den Obstbau im Wettbewerb stärken.

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Von Björn Vasel
Montag, 10.02.2025, 05:50 Uhr

Jork. Im Vorfeld der 75. Norddeutschen Obstbautage hatte sich bereits Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Obstbauzentrum Esteburg über die Digitalisierung im Obstbau informiert. Weil sieht im Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) eine „riesige Perspektive“ für die knapp 500 Familienbetriebe an der Niederelbe. Damit teilt der Niedersächsische Ministerpräsident unter anderem die Auffassung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Sowohl der Mensch als auch die Natur werden vom Präzisionsobstbau profitieren. Davon ist auch Benjamin Schulze vom Fraunhofer-Institut in Stade überzeugt.

Die Experten vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Stade arbeiten eng mit den Beratern des Obstbauversuchsrings des Alten Landes (OVR) und der Angewandten Forschung auf der Esteburg zusammen. Gemeinsam mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg, der Hochschule 21 in Buxtehude und Technische Universität Hamburg haben die Forscher eine Sensorbox entwickelt, die an jeden Schlepper montiert werden kann.

Moritz Hentzschel vom Obstbauzentrum Esteburg gab beim Techniktag 2024 einen Überblick zum Samson-Projekt.

Moritz Hentzschel vom Obstbauzentrum Esteburg gab beim Techniktag 2024 einen Überblick zum Samson-Projekt. Foto: Vasel

„Mit der Hilfe der KI bekommen wir über das Jahr so etwas wie ein Daumenkino von jedem Apfelbaum“, erklärt Projektleiter Benjamin Schulze. Sensoren und Kameras erkennen, wie viele Blüten beziehungsweise Früchte der Baum trägt. Mit den Daten können die Anzahl und Größe der Früchte reguliert werden. Die Pflanzenschutzmittel können noch gezielter ausgebracht werden. Die Technik erkennt die Bauform, der Mitteleinsatz wird verringert. „Wir können baumspezifisch handeln“, bringt es Schulze auf den Punkt. Die KI werde als Digitaler Assistent die Obstbauern unterstützen.

Sesamstraße liefert Namen der Forschungsprojekte

Mit dem Forschungsprojekt „Smarte Automatisierungssysteme und -services für den Obstanbau an der Niederelbe“ - kurz Samson - können die Forscher bereits einen digitalen Zwilling von jedem Bau erstellen. Samson ist ein weiterer Meilenstein bei der Digitalisierung und Automatisierung. 2025/2027 wird dieses Projekt angeschlossen sein. Im November 2024 ging mit Kermit ein weiteres an den Start. Die Abkürzung steht für „Klimaschutz im Erwerbsobstbau durch modellgestützte Bilanzierung und intelligente Reduktion von THG-Emissionen auf dem digitalen Zukunftsbetrieb“. Der Bund hat 2,7 Millionen Euro bewilligt.

Ein Arbeitsfeld ist die Entwicklung elektrischer Anbaugeräte. Diese könnten mit dem Strom aus senkrecht montierten Photovoltaik-Modulen an ungenutzten Wegrändern und an Gräben und Wettern angetrieben werden. Doch die Module sollen nicht nur Energie liefern und Treibhausgasemissionen reduzieren, sondern - wie bei den hohen Hecken - die ohnehin schon minimierte Abdrift von Pflanzenschutzmitteln in Gewässer noch weiter reduzieren.

 Benjamin Schulze vom Fraunhofer-Institut erläutert den Einsatz der KI.

Benjamin Schulze vom Fraunhofer-Institut erläutert den Einsatz der KI. Foto: Vasel

Esteburg-Leiter Dr. Karsten Klopp und Projektleiter Schulze sehen einen hohen Mehrwert im Smarten Obstbau. Schulze spricht von einem möglichen Mehrertrag von etwa 50.000 bis 100.000 Euro auf einem Durchschnittsbetrieb. Wenn die Forschung erfolgreich ist, könnten die Höfe sich autark mit Strom versorgen, von der Lagerung bis zu Schleppern und Geräten. Geringere Energie- beziehungsweise Produktionskosten könnten die Betriebe im Wettbewerb stärken. Das Label „Klimaneutrales Obst“ könnte den Absatz stärken. Weiteres Forschungsfeld: der Einsatz von Eisspeicher-Technologie.

Obstbau muss 300 Millionen Euro in Lagertechnik investieren

Der Öko-Strom könnte in sonnenreichen Monaten in Form von Eis in den Apfellangzeitlagern gespeichert werden. Diese Kühl-Akkus könnten an den Wänden der CA/Ulo-Lager stehen und nach dem Einlagern nach der Ernte „wie früher in Eiskellern und Lagerhäusern“ zur Kühlung der Äpfel genutzt werden.

Noch Zukunftsmusik auf den Plantagen: Apfelernte-Roboter der Washington State University bei einem Versuch.

Noch Zukunftsmusik auf den Plantagen: Apfelernte-Roboter der Washington State University bei einem Versuch. Foto: Washington State University

Bekanntlich steht der Obstbau durch die von der Europäischen Union geforderte Umstellung von synthetischen auf natürliche Kältemittel vor großen Herausforderungen. Rund 310.000 Tonnen Äpfel können an der Niederelbe eingelagert werden. Der Esteburg-Experte Dr. Dirk Köpcke rechnet mit Kosten von bis zu 145 Millionen Euro - allein für die Umstellung auf die neue Kältetechnik. Für die Umstellung der Lagerinfrastruktur auf die fortschrittliche DCA-Lagervariante kämen in den nächsten 10 bis 20 Jahren noch einmal 150 Millionen Euro hinzu. Es gibt allgemeine Förderprogramme des Bundes im Zuge der Nationalen Klimaschutzinitiative für Kälte- und Klimaanlagen, doch obstbauspezifische fehlen bislang, so Köpcke.

Nicht nur Pflanzenschutz ist ein Thema auf den 75. Norddeutschen Obstbautagen in Jork.

Nicht nur Pflanzenschutz ist ein Thema auf den 75. Norddeutschen Obstbautagen in Jork. Foto: Vasel

In der Diskussion ist bereits ein weiteres Forschungsprojekt: Oskar. Roboterbasierte Ausdünnung und ein autonomes Fahrzeug für den Obstbau sollen entwickelt, der Einsatz biologischer und chemischer Pflanzenschutzmittel durch KI weiter reduziert werden - etwa durch das Erkennen von Krankheiten und Schädlingen.

Obstbautage im Zeichen von Hightech

Die Norddeutschen Obstbautage werden in diesem Jahr unter dem Leitmotiv „Zukunftstechnologien im Obstbau“ stehen. 160 Aussteller aus ganz Europa sind auf der Messe am Mittwoch, 12. Februar, von 9 bis 18 Uhr, und am Donnerstag, 13. Februar, von 9 bis 16.30 Uhr, auf dem Freigelände und in fünf Großraumzelten vertreten. Tageskarte: 15 Euro (Erwachsene); ermäßigt: 5 Euro (Jugendliche).

Donnerstags gibt es in Zelt 1 ein Forum zur Lagertechnik (11 Uhr). Nachmittags wird auf dem Freigelände der Obstroboter „Cäsar“ vorgestellt (14 Uhr). Bereits am Dienstag, 11. Februar, locken Fachvorträge in der Altländer Festhalle über Apfelernte-Roboter und Agri-PV. Beginn: 15 Uhr. Politisch wird es am Donnerstag. Bauernpräsident Joachim Rukwied ist Gast der Fachgruppe Obstbau im Landvolk. Der Verbandspolitische Tag in der Festhalle beginnt um 16 Uhr. Mit Spannung wird - nach der Übergabe der Meisterbriefe - die Rede von Lukas Stechmann erwartet. Die Jungmeister reden üblicherweise Tacheles. 2023 war Niedersachsens Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) die Meisterrede zu kritisch, sie ließ aus Ärger sogar das traditionelle Schinkenbrot stehen. Mehr Infos unter: www.norddeutsche-obstbautage.de.

Auf dem Messegelände erwartet die Besucher ab Mittwoch viel Technik.

Auf dem Messegelände erwartet die Besucher ab Mittwoch viel Technik. Foto: Vasel

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