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24-Stunden-Reportage

TSchlepper Bützfleth bugsiert dicke Pötte in den Stader Seehafen

Der Schlepper Bützfleth hat sich auf der Elbe kurz vor dem Seehafen Stade an die Helga Essberger gehängt. Im Hauptfahrwaser kommt ihnen ein großes Containerschiff entgegegen Richtung Nordsee.

Der Schlepper Bützfleth hat sich auf der Elbe kurz vor dem Seehafen Stade an die Helga Essberger gehängt. Im Hauptfahrwaser kommt ihnen ein großes Containerschiff entgegegen Richtung Nordsee. Foto: Strüning

Nahezu täglich gehen Schiffe im Stader Seehafen ein und aus, häufig begleitet vom Schlepper Bützfleth. Der hilft den Kapitänen und Elblotsen beim Bugsieren ihrer mittelgroßen Pötte. Das TAGEBLATT war mit an Bord.

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Von Lars Strüning
Donnerstag, 11.07.2024, 17:50 Uhr

Stade. Bloß keine Hektik. Hier läuft alles sutsche ab, aber hochkonzentriert. Schiffsführer Mario Speer hat alles im Blick. Höhe Tonne 99, querab von Abbenfleth, nimmt die Bützfleth Kontakt zur Helga Essberger auf, einem 120 Meter langen und 20 Meter breiten Chemie-Tanker.

Mit acht Knoten nimmt die Bützfleth Fahrt auf zum Kunden

„Wir kommen auf Euch zu“, tönt es sonor aus dem Funk. Der Elblotse von der Helga Essberger hat sich gemeldet. Und sagt noch: „Alles wie gehabt.“ Die Bützfleth nähert sich der Kundschaft mit acht Knoten, passiert sie langsam und hängt sich ans Achterschiff.

Die Matrosen auf der Helga Essberger haben bereits die Schmeißleine in der Hand, die sie auf das Heck des Schleppers herunterlassen, um den Schleppdraht der Bützfleth, das wiederum die beiden Decksleute und der Maschinist Hermann Wichers mit der Schmeißleine verbinden, zu sich an Deck zu holen. Helga Essberger und Bützfleth sind jetzt fest verbunden.

Kapitän Mario Speer fährt die Bützfleth bei dem Manöver rückwärts, hat seine Instrumente im Rücken und beobachtet genau, was sich am Heck abspielt. Mit seinen beiden Händen führt er die Hebel wie Joysticks, um die beiden Motoren und ihre Propeller zu steuern und den Schlepper zu bugsieren. Die Aktion läuft routiniert ab, die Handgriffe sitzen.

Kapitän Mario Speer hat im Fahrwasser der Elbe vor Bützflethersand bereits die Helga Essberger im Visier.

Kapitän Mario Speer hat im Fahrwasser der Elbe vor Bützflethersand bereits die Helga Essberger im Visier. Foto: Strüning

6300 Tonnen Natronlauge der Dow für Finnland

Die Liaison hält bis zum Südhafen in Bützfleth. Hier am Anleger der Dow soll der Chemie-Tanker 6300 Tonnen Natronlauge aufnehmen und nach Kokkola in Finnland transportieren.

Kurz vorm Anlegen kommt der Auftritt der Bützfleth. Das Schiff soll übers Heck gedreht werden zum Festmachen. Die Bützfleth unterstützt das Wendemanöver und zieht den roten Tanker zwischen Fahrwasser und Pier in die richtige Stellung. Dann wird noch ein bisschen gezogen und die Leinen werden an Land festgemacht. Routine. Die Helga Essberger ist eine alte Bekannte im Seehafen.

Der Schlepper Bützfleth hilft der Helga Essberger, an der Dow-Pier vom Seehafen Stade anzulegen.

Der Schlepper Bützfleth hilft der Helga Essberger, an der Dow-Pier vom Seehafen Stade anzulegen. Foto: Strüning

In guten Jahren zählte Marcus Schlichting 800 See- und 600 Binnenschiffe im Industriehafen von Bützfleth, der schickerweise Seehafen Stade genannt wird. Schlichting ist Mister Seehafen Stade. Er führt den gleichnamigen Verein als Interessensvertretung gegenüber Wirtschaft, Politik und Behörden und ist Geschäftsführer von Elbclearing, der Firma, die auch den Schlepper Bützfleth stellt.

Seit Ukraine-Krieg und Energiekrise ist der Umschlag im Hafen um fast die Hälfte geschrumpft, von sieben Millionen Tonnen auf unter vier Millionen. Dow und AOS haben ihre Produktion angesichts der stark gestiegenen Preise für Gas und Strom runtergefahren. Zurzeit entspannt sich die Lage wieder. Und die Hoffnungen sind groß.

Aller Unbillen zum Trotz: Stades Seehafen hat Zukunft

Der Energiehafen ist gerade vom Land für 300 Millionen Euro gebaut werden - für den Import verflüssigter Gase wie LNG. Für die großen Tankschiffe müssen bis zu vier Schlepper mit jeweils 70 Tonnen Pfahlzug zum Einsatz kommen. Die Bützfleth hat „nur“ 27 Tonnen.

Im Dow-Hafen wird gerade ein neuer Löschkopf gebaut. Und für die Zukunft setzt Seehafen-Betreiber N-Ports auf einen Ausbau des Nordhafens. Das würde die Entwicklung rund um den Chemie-Park Bützflethersand mit dem LNG-Terminal und möglicherweise mit einem Holzkraftwerk und einer Batteriegrundstoff-Produktion weiter befeuern.

Der Schlepper Bützfleth hat seinen Liegeplatz im Nordhafen, wo die AOS ihr rotes Bauxit löscht und die fertigen Aluminiumoxid-Produkte verschifft. Bei dem Bauxit handelt es sich um aluminiumhaltige Erde aus Afrika. Wenn die Zwei-Mann-Besatzung kein Schiff zu begleiten hat, kümmert sie sich zum Beispiel darum, dass die Hafenbecken vom Schlick befreit werden und die jeweilige Solltiefe zwischen 7,50 und 14,5 Metern aufweisen. Würden sie die Sedimente nicht regelmäßig aufwühlen und von der Tide wegtragen lassen, würden die Hafenbecken pro Jahr um 1,50 Meter verschlicken, sagt Schlichting. Eine Folge der Elbvertiefungen.

Außerdem steht die Bützfleth mit ihren zwei Löschkanonen für den Feuerschutz zur Verfügung. Schaum ist an Bord. Das Prozedere wird jeden Donnerstag in Zusammenarbeit mit der Dow getestet.

Das Duo vom Schlepper Bützfleth nach getaner Arbeit: Maschinist Hermann Wichers (links) und Kapitän Mario Speer.

Das Duo vom Schlepper Bützfleth nach getaner Arbeit: Maschinist Hermann Wichers (links) und Kapitän Mario Speer. Foto: Strüning

Das Duo vom Schlepper Bützfleth arbeitet auch am Liegeplatz

Teams wie die von Käpt’n Speer und Maschinist Wichers müssen zudem immer dafür sorgen, dass klar Schiff herrscht. Für den guten Zustand der Bützfleth heimsen sie ein Lob vom Chef ein. „Der Schlepper ist wirklich gut gepflegt“, sagt Schlichting. Er war 1978 auf der Mützelfeldtwerft in Cuxhaven gebaut worden und ist immer noch voll einsatzfähig.

An diesem Tag kommt um 15 Uhr die Nachricht vom Schiffsmeldedienst, dass die Helga Essberger Brunsbüttel passiert. Mario Speer aus Niederochtenhausen geht in Bereitschaft. Er hat sich fürs Revier entschieden und damit für ein geregeltes Familienleben. Er schiebt dann wie der Maschinist 24-Stunden-Schichten. Sie leben an Bord und haben anschließend 48 Stunden frei. Die Schichten beginnen und enden jeweils um 8 Uhr morgens.

Gegen 16 Uhr kommen zwei Deckjungs an Bord. „Jungs“ ist untertrieben. Es handelt sich um zwei ehemalige Mitarbeiter mit Rentnerstatus, verrät Schlichting. Sie sind eine Woche lang in Rufbereitschaft. Der Einsatz, der dem Quartett bevorsteht, wird etwa eine Stunde dauern. Da die Essberger 120 Meter lang ist, herrscht für sie Schlepperpflicht.

Um 16.20 Uhr schmeißt Hermann Wichers aus Drochtersen die beiden Motoren an. Ein leichtes Dröhnen und Zittern ergreift den Schlepper. Wichers ist Chef im Maschinenraum. Hier ist es warm - und laut. Die Motoren müssen immer auf 40 Grad Celsius vorgeheizt sein, falls es mal schnell gehen muss.

Hermann Wichers im Maschinenraum des Schleppers Bützfleth.

Hermann Wichers im Maschinenraum des Schleppers Bützfleth. Foto: Strüning

Aus dem Krematorium in den Maschinenraum

Wichers ist seit 13 Jahren dabei, ist früher zur See gefahren und war auch schon mal Betriebsleiter im Krematorium, erzählt er.

Die Diesel-Maschinen von Deutz sind als Sechszylinder und Viertakter ausgelegt. Sie bringen es jeweils auf bis zu 800 PS. Dazu gehören noch zwei Hilfsdiesel für den Strom. Ist die Bützfleth in Fahrt, können schon mal 100 Liter Diesel pro Stunde verbrannt werden.

Um 16.38 Uhr erfolgt auf der Elbe die erste Kontaktaufnahme, um 16.47 Uhr hängt die Helga Essberger am Haken - oder umgekehrt. Das Tempo ist gedrosselt. In langsamer Fahrt geht es zur Pier.

„Die Bützfleth mal langsam auf die Bremse“, heißt es ruhig, aber bestimmt, vom Elblotsen kurz vorm Drehen. Er hat das Kommando, dem sich Schiffsführer Speer beugen muss. „Und die Bützfleth mal langsam rum.“

Mit den Worten „in Position“ ist der Einsatz um 17.13 Uhr beendet. Die Bützfleth nabelt sich ab und kehrt zurück zum Liegeplatz. „Tschüss und bis zum nächsten Mal“, krächzt es noch aus dem Funk.

Der Schlepper Bützfleth hat sich auf der Elbe kurz vor dem Seehafen Stade an die Helga Essberger gehängt. Im Hauptfahrwaser kommt ihnen ein großes Containerschiff entgegegen Richtung Nordsee.

Der Schlepper Bützfleth hat sich auf der Elbe kurz vor dem Seehafen Stade an die Helga Essberger gehängt. Im Hauptfahrwaser kommt ihnen ein großes Containerschiff entgegegen Richtung Nordsee. Foto: Strüning

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