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Wattenmeer

TNordsee immer wärmer – Wie das den Tourismus verändert

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hat für Nord- und Ostsee überdurchschnittlich hohe Temperaturen des Oberflächenwassers ermittelt.

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hat für Nord- und Ostsee überdurchschnittlich hohe Temperaturen des Oberflächenwassers ermittelt. Foto: Jonas Walzberg/dpa

Die deutsche Nordsee wies mit über 12 Grad einen Rekord auf. Das hat Folgen: Küstenorte verändern sich rasant.

Von Christian Mangels Dienstag, 28.01.2025, 14:45 Uhr

Cuxhaven. Die Ozeane erwärmen sich in alarmierendem Tempo. Weltweit erreichten die Meerestemperaturen in den vergangenen Jahren neue Rekordwerte, wie es sie seit Beginn der Aufzeichnungen nicht gab. Auch die Nordsee blieb davon nicht verschont. Die gemessene Oberflächentemperatur lag 2024 im Durchschnitt bei 12,1 Grad Celsius. Das geht aus aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie hervor.

Untersuchungen des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) bestätigen den deutlichen Temperaturanstieg. „Die Nordsee ist in den vergangenen 60 Jahren fast zwei Grad wärmer geworden“, sagt der Meeresökologe Christian Buschbaum, der an der AWI-Wattenmeerstation List auf Sylt arbeitet. „Darunter leiden unter anderem Arten wie der Kabeljau. Arten, die an wärmere Temperaturen angepasst sind, kommen bisher gut damit klar.“

Die Anpassung muss sehr schnell stattfinden

Die Nordsee und die angrenzenden Küsten würden sich derzeit so schnell verändern, wie sie es lange nicht gemacht hätten in ihrer Entwicklung, erklärt Buschbaum. „Die Anpassung, die die Organismen machen müssen, muss somit sehr schnell stattfinden. Ob das alle Arten hinbekommen, das wissen wir noch nicht.“

Die höheren Temperaturen setzen auch das Wattenmeer unter Druck und sorgen schon seit einigen Jahren für den Zuzug von „Neubürgern“, wie Bernhard Rauhut, Leiter des Wattenmeer-Besucherzentrums in Sahlenburg, erläutert. „Seit einiger Zeit macht die Pazifische Auster der Miesmuschel im Wattenmeer Konkurrenz“, sagt Rauhut. Insgesamt würden die Tiere des Wattenmeeres mit den steigenden Temperaturen (noch) recht gut zurechtkommen. „Extreme Schwankungen gab es schon immer: Im Sommer kann das Watt sehr heiß werden, im Winter wird es kalt.“

Klar ist: Der Klimawandel wird sich auf den Tourismussektor an der deutschen Nordseeküste auswirken. Cuxhavens Kurdirektor Olaf Raffel betrachtet die 2024 gemessenen Rekordtemperaturen mit gemischten Gefühlen. „Einerseits ergeben sich aus den höheren Temperaturen kurzfristig touristische Chancen, andererseits sehen wir auch die langfristigen Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt.“

Als Chancen nennt Raffel eine mögliche Verlängerung der Badesaison, die Ansprache von neuen Gästegruppen und den Aufbau einer Alternative zur Mittelmeer-Region. „Urlauber, die bisher eher Mittelmeer-Destinationen bevorzugten, könnten von der Kombination aus moderaten Temperaturen und unserem gesundheitsfördernden Klima angezogen werden“, glaubt der Geschäftsführer der Nordseeheilbad Cuxhaven GmbH.

Selbst bei einem Anstieg der Wassertemperaturen bleibe die Nordsee mit Sommertemperaturen zwischen 15 und 20 Grad deutlich kühler als das Mittelmeer. „Gerade diese moderaten Temperaturen, kombiniert mit der jodhaltigen, sauberen Luft, machen Cuxhaven zu einem gesundheitsfördernden Reiseziel.“

„Gesundes und authentisches Reiseziel erhalten“

Auf der anderen Seite stehen für Olaf Raffel mögliche Veränderungen im Ökosystem, der Schutz der Natur und die Nachhaltigkeit als Schwerpunkt. „Wir setzen auf nachhaltigen Tourismus, um unsere Region langfristig als gesundes und authentisches Reiseziel zu erhalten“, erklärt Raffel. Ziel der Nordseeheilbad Cuxhaven GmbH sei es, die positiven Effekte einer möglichen Erwärmung zu nutzen, dabei jedoch die Nachhaltigkeit und den Schutz der Natur stets in den Vordergrund zu stellen.

Auch für Ulrike Meyer, Tourismus-Chefin des Nordseebads Otterndorf, sind die steigenden Temperaturen der Nordsee „ein vielschichtiges Thema, das aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden muss“. Bei der Reiseplanung der Otterndorf-Gäste stehe nicht allein die Wassertemperatur im Fokus, sondern das Gesamtpaket, „die einzigartige Natur, die vielfältigen Freizeitmöglichkeiten und das maritime Flair“, so Meyer.

Gleichzeitig sei man sich der langfristigen Herausforderungen bewusst, die der Klimawandel mit sich bringt, sowohl für den Tourismus als auch für die Umwelt. „Eine nachhaltige Entwicklung und der Schutz unserer Küstenregion haben daher für uns große Priorität“, erklärt die Leiterin des Fachgebiets Tourismus, Stadtmarketing und Kultur.

  • Drei Fragen an den Meeresökologen Christian Buschbaum:

Wächst mit steigenden Meerestemperaturen die Gefahr vor Krankheitserregern?

Christian Buschbaum: Die Forschung steht hier noch weitgehend am Anfang. Was wir aber wissen, ist, dass verschiedene Bakterienarten häufiger in der Nordsee vorkommen. Mit der Aussage „Das Wasser wird wärmer, dadurch haben wir mehr Krankheitserreger“ wäre ich aber ein bisschen vorsichtig.

Die Meereserwärmung beschert uns neue Arten. Sind damit neue Profitchancen für die Fischerei verbunden?

Die größte Chance für Fischreichtum in der Nordsee wäre eine nachhaltige Fischerei. Jetzt zu sagen, die höheren Temperaturen gleichen den hohen Fischereidruck in der Nordsee aus, das ist falsch und würde ich nicht unterschreiben. Die Nordsee war einmal eines der fischreichsten Gewässer in der Welt. Wir haben es tatsächlich geschafft, sie nahezu komplett abzufischen. Aus meiner Sicht müssen wir uns erst einmal an die eigene Nase fassen, bevor wir auf höhere Temperaturen hoffen.

Bekommen wir bald Mittelmeer-Temperaturen an und in der Nordsee?

Nein, Mittelmeer-Temperaturen nicht. Aber ja, ich glaube, dass die Menschen, die im Sommer keine Lust mehr haben, in der Mittelmeer-Region zu braten, froh sein werden, in Zukunft Urlaub in einem Gebiet machen zu können, wo sie warme Sommertemperaturen haben, aber nicht unter der Hitze leiden. (skw)

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