TChemiepark Stade: Die Sorgen sind so groß wie die Hoffnungen

Der Stader Seehafen an der Elbe: Links die Dow, darüber die AOS und dazwischen die Baustelle für das LNG-Terminal. Foto: Martin Elsen
Jahrzehntelang waren Dow, AOS und Co. im Chemiepark an der Elbe eine Bank für die wirtschaftliche Stabilität der Region. Mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine und der damit verbundenen Energiekrise ist das Gerüst ins Wanken geraten. Wie geht es jetzt weiter?
Stade. Es sah alles so gut aus im Industriegebiet auf Bützflethersand. Seit Jahren lagen die Umschlagszahlen des Seehafens stabil - und sogar mit steigender Tendenz - bei jährlich bis zu sieben Millionen Tonnen. Die Geschäfte der AOS und der Dow liefen problemlos, wie selbstverständlich. Dann griff Putin die Ukraine an und die Vorzeichen änderten sich radikal.
Die Dow steckte noch 2022 insgesamt 80 Millionen Euro in die Erneuerung des Stader Werkes. Eine Auslastung von mehr als 95 Prozent war angepeilt. Doch die dunklen Wolken des Ukraine-Krieges zogen bereits auf. 2023 verdüsterte sich die Lage dramatisch. Der Seehafen kam nur noch auf 50 Prozent seines sonstigen Umschlags.
Der Standort hing am seidenen Faden
Die Chemie-Unternehmen drosselten ihre Produktion auf ein Minimum. Keiner mochte oder konnte verlässliche Aussagen zur Zukunft machen. Die durch die Decke schießenden Energiepreise verhagelten komplett das Betriebsergebnis. Wie lange gucken sich das die Chefetagen in London oder Michigan (USA) noch an? Wo liegen die Perspektiven?
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Die Frage ist bis heute nicht endgültig beantwortet. Aber es mehren sich die Anzeichen, dass es weitergeht. Zumindest für 2024 besteht dem Vernehmen nach Planungssicherheit für die AOS. Leichtes Aufatmen ist auch bei Dow und Olin zu vernehmen. Dass sie ihre enge Zusammenarbeit im Chemiepark Stade bis 2035 vertraglich festgeschrieben haben, ist als Zeichen der Hoffnung zu sehen. Nicht nur für die etwa 2500 direkt Beschäftigten im Chemiepark, sondern die insgesamt 10.000 Jobs in der Region, die von der Industrie in Bützfleth abhängen. Von der Gewerbesteuer ganz zu schweigen, von der nicht nur die Stadt, sondern der gesamte Landkreis profitiert.
In die schwer zu kalkulierende Gemengelage mischen sich immer mehr positive Nachrichten. Und das macht vielen Hoffnung. Allen voran der Bau des neuen Hafens in Stade, über den verflüssigte Gase importiert werden sollen.
Investition von einer Milliarde kurz vorm Start
Das Land Niedersachsen steckt über seine Hafengesellschaft NPorts 300 Millionen Euro in den neuen Anleger. Er wurde gerade an die Betreiber übergeben, die ab Februar über das schwimmende LNG-Schiff „Transgas Force“ das tiefgekühlte Flüssigerdgas in Deutschland einführen wollen.
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Kurz vor der endgültigen Investitionszusage steht auch die Milliarden-Investition in ein stationäres LNG-Terminal auf dem Gelände der Dow, das die Hanseatic Energy Hub (HEH) vorantreibt. Eine Milliardeninvestition - das hat es in der Region Stade noch nicht gegeben. Hier sollen später auch sogenannte grüne Gase auf Ammoniakbasis angelandet werden - für die Energiewende. Aber was bringt das alles für die Region?
„Der Landkreis Stade profitiert stark vom Betrieb des LNG-Terminals“
In einer Studie wird von einem Umsatz von 186 Millionen Euro, einer Wertschöpfung von 138 Millionen Euro und von 100 Beschäftigten ausgegangen - pro Jahr versteht sich. „Der Landkreis Stade profitiert stark vom Betrieb des LNG-Terminals“, heißt es in der Studie. Die Versorgung mit Energie zöge weitere Ansiedlungen nach sich, zum Beispiel Start-ups zum Thema Wasserstoff. Für Stade ergebe sich die Vision eines nationalen Wasserstoffzentrums.
Insgesamt spricht für den Standort seine Lage am seeschifftiefen Wasser, die 380-kV-Stromleitung mit grüner Energie, die von See kommt, das naheliegende deutsche Gasnetz, das Flächenpotenzial des 550 Hektar großen Dow-Geländes, die Anbindung womöglich mit A26 und Industriegleis. Nicht zu vergessen: das gut geschulte Personal.
Lithium-Hersteller als Hoffnungsträger
Diese Faktoren haben offenbar auch die deutsche Firma Prime Lithium überzeugt. Für seine zukunftsweisenden Pläne hat sich das Unternehmen eine Fläche von 22 Hektar im Chemiepark reserviert. Hier soll an der Lithium-Produktion für E-Autos geforscht und später auch gearbeitet werden. Für Stade ist das ein großer Hoffnungsträger.
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Die Prime Lithium AG ist ein Ableger der Deutschen Rohstoff AG mit Sitz in Mannheim. Die handelt vor allem mit Öl und Gas. Prime Lithium erforscht seit Juli des Jahres in Stade in einem Labor auf dem Dow-Gelände, inwieweit auch in Deutschland Chemikalien für den Batterieantrieb von Autos hergestellt werden können. Dieser Markt wird von China beherrscht.
2025 soll diese Anlage aufgebaut und ab 2026 intensiv genutzt werden. Die Pilotanlage soll Erkenntnisse für den Betrieb der Großanlage liefern. 2027/2028 können dann die Entscheidungen für den Bau der Großanlage getroffen werden, welche 2030 angefahren werden könnte. „Sollte es so kommen, wäre das ein großer Gewinn für den Standort“, schrieb das TAGEBLATT vor kurzem.
Zudem wird in Stade bereits von einem weiteren Interessenten für eine Ansiedlung auf Bützflethersand gesprochen. Der Name wird noch nicht öffentlich gehandelt. Aber Insider geben sich zuversichtlich. Das Jahr 2024 wird die Auflösung bringen.