TClan-Prozess: „Dauerhaft verhandlungsunfähiger“ Zeuge meldet sich

Der 34-jährige Angeklagte zwischen seinen Anwälten Dinah Busse (l) und Dr. Dirk Meinicke. Foto: dpa
Wurden zwei Zeugen im Clan-Prozess vor ihrer Aussage bedroht? Der eine sagt Ja, der andere Nein. Und der zweite tauchte nun überraschend als Zeuge auf - allerdings nicht im Gerichtssaal.
Stade. Mitte Januar hatte ein Zeuge aus der Familie Al-Zein noch im Schwurgerichtssaal behauptet, dass er und ein weiterer Zeuge im Vorfeld des 14. Prozesstags von der Großfamilie Miri bedroht worden seien. Über Verwandte seien „schöne Grüße von den Miris“ ausgerichtet worden.
Die Zeugen sollten die Aussage offenbar verweigern. Der zweite Zeuge erschien seinerzeit nicht vor Gericht. Stattdessen legte der 32-Jährige ein ärztliches Attest vor. Ein Mediziner bescheinigte ihm eine dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit.
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Zu Beginn des 18. Verhandlungstages sagte der Mann jetzt doch aus - allerdings nicht im Saal. Er saß an einem unbekannten Ort. Der 32-Jährige wurde per Videokonferenz zugeschaltet. Er hatte ein Mitglied der Al-Zeins (26), einen Cousin des Opfers Khaled R., beim Einrichten eines neuen Shisha-Ladens in Buchholz im Herbst 2023 unterstützt. Nach Haftentlassung habe er diesem lediglich geholfen. Entlohnt worden sei er für das Einräumen der Regale nicht.
Die Miris sahen in den Plänen der Al-Zeins bekanntlich eine Provokation. Sie betrieben in Buchholz seit längerer Zeit einen eigenen Shisha-Shop. Als der 26-Jährige mit dem 32-Jährigen und einem weiteren Helfer abends in einem Imbiss nahe dem Kino in Buchholz „einen Döner zum Mitnehmen“ in einer Immobilie des Angeklagten Mustafa M. bestellt hatte und vor die Tür getreten sei, „stürmten mehrere Leute auf uns zu“.
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Zeuge trägt nicht zur Aufklärung bei
Etwa 10 bis 15 Männer seien es gewesen, erklärte der 32-Jährige auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Erik Paarmann. Während der 26-Jährige detailliert vom Miri-Angriff am 1. November 2023 auf die drei mit Teleskopschlagstöcken und Schlagringen berichtet hatte, kann sich der 32-Jährige aus Stelle nach eigener Aussage an fast nichts mehr erinnern.
Für die Bluttat von Buchholz werden sich der Angeklagte und weitere Miris nach Zulassung der Anklage wegen „Landfriedensbruch in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“ in einem separaten Verfahren verantworten müssen.
Er habe einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen. Er sei bewusstlos gewesen und erst im Krankenhaus wieder zu sich gekommen. „Ich weiß nicht, das ist alles lange her.“ So einsilbig beantwortete er fast alle Fragen des Vorsitzenden Richters und der Staatsanwältin Dawert. Bei der Polizei war er gesprächiger gewesen. Immerhin bestätigte er, dass der Al-Zein-Laden in Buchholz auf den Namen der deutschstämmigen Freundin des 26-Jährigen lief.

Blick auf das Landgericht Stade. Foto: Landgericht
Letzteren sehe er „ganz selten“. Er habe ohnehin „mit keinem anderen etwas zu tun“. Auf Nachfrage von Dawert und Paarmann widersprach er auch der Aussage seines Bekannten. Er sei „nicht bedroht“ worden, um die Aussage zu verweigern.
Sollte der Miri-Clan die beiden tatsächlich bedroht haben, wäre das eine schwere Straftat. Bei Nötigung und Strafvereitelung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Sein eingeschränktes Erinnerungsvermögen trug nicht dazu bei, Licht ins Dunkel der Vorgeschichte der tödlichen Messerattacke auf Khaled R. am 22. März 2024 am Salztor in Stade zu bringen.
Bundeskriminalamt extrahiert Tonspur mit Todesdrohung
Wenn es konkret wird, berufen sich Zeugen im Stader Clan-Prozess weiter auf Erinnerungslücken oder das Recht, sich selbst oder Familienangehörige durch eine Aussage nicht belasten zu müssen. Detailliert wie in einem Drehbuch wurden nur die blutigen Taten und Beleidigungen der anderen geschildert. Der Prozess wird am 27. Februar, 9.30 Uhr, fortgesetzt. Experten des BKA haben eine Tonspur aus einem Video extrahiert. Mit einem Arabisch-Sachverständigen soll geprüft werden, ob einer der Brüder des Opfers auf der Brücke tatsächlich „Geh, tötet ihn“ in Richtung eines Miris gerufen hat.