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Pflegekräfte

TPflegehelfer aus Kolumbien: Mehr als 50.000 Menschen sind gegen die Abschiebung

Zwei der von Abschiebung bedrohten Pflegehelfer aus Kolumbien.

Zwei der von Abschiebung bedrohten Pflegehelfer aus Kolumbien. Foto: Matthiesen

Das Wilstedter Pflegeheim „Haus Wilstedt“ ist seit fast zwei Wochen schon das Gesprächsthema Nummer eins. Nicht nur in Wilstedt, sondern auch bundesweit. Der Grund: Zehn Mitarbeitern aus Kolumbien droht die Abschiebung. Was jetzt geplant ist.

Von Helen Hoffmann, dpa Donnerstag, 21.11.2024, 05:00 Uhr

Wilstedt. Weil zehn Kolumbianer und Kolumbianerinnen, die im Wilstedter Pflegeheim Haus Wilstedt arbeiten, abgeschoben werden sollen, besteht die Gefahr, dass im Haus das Licht ausgeht. So erzählt es Heimbetreiber Tino Wohlmacher am Mittwoch auf Anfrage: „Wenn die unsere Kolumbianer hier abholen, mach‘ ich zu. Es gibt keine Alternative. Punkt.“

Wie berichtet, würde das Heim damit auf einen Schlag ein Drittel seiner Angestellten verlieren. Sollte das Heim also den Betrieb einstellen, müsste für mehr als 40 demenzerkrankte Bewohner eine neue Bleibe gefunden werden.

Angehörige rufen Online-Petition ins Leben

Eine Herausforderung, angesichts der Schwere der Erkrankung dieser Menschen und auch deshalb, weil es nur wenige derart spezialisierte Häuser geben soll, hatten nicht zuletzt Angehörige betont und eine Online-Petition ins Leben gerufen. Das Ziel der Kampagne: die Abschiebung der kolumbianischen Pflegehelfer zu verhindern und somit die weitere Pflege ihrer Angehörigen zu sichern.

Zehn Kolumbianerinnen und Kolumbianer, die in diesem Pflegeheim in Wilstedt arbeiten, sollen abgeschoben werden. Dagegen wehren sich Heimbetreiber und Angehörige.

Zehn Kolumbianerinnen und Kolumbianer, die in diesem Pflegeheim in Wilstedt arbeiten, sollen abgeschoben werden. Dagegen wehren sich Heimbetreiber und Angehörige. Foto: Matthiesen

Seit dem Petitionsstart am 14. November haben bereits mehr als 50.000 Menschen diese unterschrieben. Nun wollen Angehörigeninitiative und Heimbetreiber die Petition übergeben und laden dazu Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, Innenministerin Daniela Behrens und Gesundheitsminister Andreas Philippi ein.

Wohlmacher: Politiker verkriechen sich gerade alle

Doch ob die Politiker kommen? Spricht man mit Tino Wohlmacher, dann hört man, dass es von sämtlichen direkt angeschriebenen Politikern bislang keine Antwort gab.

Direkt bei ihm gemeldet habe sich einzig Detlev Schulz-Hendel, Fraktionsvorsitzender von Bündnis90/Die Grünen im Niedersächsischen Landtag. Mit ihm will Wohlmacher sich treffen, um ihm zu erzählen, was es für Auswirkungen hat, wenn die Kolumbianer wirklich abgeholt werden.

„Die verkriechen sich gerade alle“, sagt Wohlmacher über all jene Politiker, die bislang keinen Laut von sich gegeben haben. Was meint er, warum die Politik so verhalten reagiert? „Weil sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen“, ist er überzeugt. Weder mit dem aktuellen Problem in Wilstedt noch mit den bevorstehenden Problemen in Deutschland, dann nämlich, wenn es keine Menschen gibt, die bestimmte Arbeiten machen wollen, erklärt er.

Deutschland hat einen Arbeitskräftemangel

Für Wohlmacher steht fest: „Wir haben keinen Fachkräftemangel, sondern einen Arbeitskräftemangel.“ Wenn es nicht so traurig wäre, könnte er nur darüber lachen, was derzeit von Fachkräften erzählt wird, die man ins Land holen will. Was nützen 20.000 oder 30.000 Fachkräfte, wenn bis 2040 fast 280.000 Menschen in der Pflege fehlen, fragt er und sagt dann: „Die Basis fehlt. Die Pflegekräfte, die am Bewohner sind.“ Und genau das seien seine zehn Frauen und Männer aus Kolumbien.

Heimleiter Tino Wohlmacher kämpft gemeinsam mit Angehörigen um seine Mitarbeiter.

Heimleiter Tino Wohlmacher kämpft gemeinsam mit Angehörigen um seine Mitarbeiter. Foto: Matthiesen

Für ihn sind diese Menschen ein Glücksfall. Deshalb habe er auch nicht gezögert, als die Kolumbianer bei ihm anklopften und nach Arbeit fragten, obgleich sie keine ausgebildeten Fachkräfte sind.

Jeder von ihnen bestreite eigenständig seinen Lebensunterhalt, zahle Steuern und Sozialabgaben. Seine Mitarbeiter verfügten über eine Aufenthaltserlaubnis bis Juni 2025 und über eine Arbeitserlaubnis bis zum Jahr 2027 und 2028. Und trotzdem: Jeder von ihnen könne demnächst abgeholt und ausgewiesen werden.

Härtefallanträge in Hannover gestellt

Und um das zu verhindern, machen sie gerade „eine ganz große Welle“, sagt Wohlmacher. Im Haus Wilstedt wollen sie öffentliche Aufmerksamkeit erzielen, um für ihre Leute zu kämpfen und auch, um deutlich zu machen, dass die Asyl- und Einreisegesetzgebung nicht mehr zeitgemäß ist, und sich schnellstens etwas daran ändern muss.

Außerdem plant Wohlmacher, sämtliche Fälle bei der Härtefallkommission in Hannover einzureichen. In zwei Fällen der betroffenen Pflegekräfte wurden bisher Härtefallanträge gestellt.

Oliver Moje schreibt Brief an das Bundeswirtschaftsministerium

Auch Oliver Moje setzt sich für die von der Ausweisung betroffenen Mitarbeiter in Wilstedt ein. Am Mittwoch hat Tarmstedts Samtgemeindebürgermeister einen Brief an das Bundeswirtschaftsministerium geschickt. Dem Schreiben vorangegangen war ein Gespräch mit Conrad Bölicke. Der Wilstedter gehört dem Mittelstandsbeirat an und hat den Wilstedter Fall bei dieser Gelegenheit auch dort ins Gespräch gebracht. Dabei habe er erfahren, dass es vielerorts ähnliche Probleme gebe - und vereinzelt auch Lösungen. Moje verbindet sein Schreiben deshalb mit der Forderung, tätig zu werden und mit der Hoffnung, dass es doch noch eine gute Lösung im Fall Wilstedt gibt.

Heimleiter Tino Wohlmacher kämpft gemeinsam mit Angehörigen um seine Mitarbeiter.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wurde um 18 Uhr aktualisiert

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