Fleisch: Metzger und Supermärkte nach Stichprobe am Pranger

Kunden sollen bei Fleisch und Wurst nun erkennen können, wo Schwein, Schaf, Ziege und Geflügel aufgezogen und in welchem Land geschlachtet wurden. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Sie sollte für mehr Transparenz an der Fleischtheke sorgen, doch scheinbar nehmen Metzger und Fleischhändler die neue Kennzeichnungspflicht für unverpacktes Fleisch nicht sonderlich ernst.
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Seit gut acht Wochen gilt die Kennzeichnungspflicht für unverpacktes Fleisch. Doch wie sieht es aus an der Fleischtheke? Die Verbraucherzentrale machte eine Stichprobe, ob Kunden nun erkennen können, wo Schwein, Schaf, Ziege und Geflügel aufgezogen und in welchem Land geschlachtet wurde.
Ergebnis vom Besuch von drei Metzgereien und fünf Supermärkten mit Frischetheken: „Kein Betrieb hat die Pflicht zur Herkunftskennzeichnung vollständig und korrekt umgesetzt“, meldet Vanessa Schifano, Leiterin der Abteilung Lebensmittel und Ernährung. Bei allen Metzgereien fehlte die Herkunftsbezeichnung komplett, bei den Frischetheken waren die Informationen unvollständig. Entweder waren nur wenige Produkte gekennzeichnet oder es stand ein Land an den Produkten, aber nicht, ob das Tier dort aufgezogen oder geschlachtet wurde.
Kritik: Auch bei korrekter Kennzeichnung regionale Produkte nicht erkennbar
Wenn die Kennzeichnungspflicht so umgesetzt wird, führe das Verbraucher in die Irre anstatt für mehr Transparenz zu sorgen, ärgern sich die Verbraucherschützer. Sie kritisieren zudem einen Schwachpunkt der Regelung. Wer wirklich regional einkaufen will, erfahre nur das Land der Aufzucht und Schlachtung. Da könne ein Hähnchen mehrere Hundert Kilometer hinter sich haben, weil es etwa zum Beispiel in Schleswig-Holstein aufgezogen, in Sachsen-Anhalt geschlachtet und in Baden-Württemberg verkauft wurde. Da müsse die Herkunftskennzeichnung noch weiter präzisiert werden.
Die Verbraucherzentrale rät: Wer Verstöße gegen die neue Informationspflicht zur Herkunft von unverpacktem Fleisch feststellt, kann das der örtlichen Lebensmittelüberwachung oder der Verbraucherzentrale melden.
Fleischpreise: Mehrheit würde für mehr Tierwohl bezahlen
Das Rind wurde drei Jahre alt, lebte auf der Schwäbischen Alb und legte rund 9,7 Millionen Schritte in seinem Leben zurück. Kurzum: Das Tier hatte wohl ein gutes Leben auf der Weide. Angaben wie diese könnten Verbraucher irgendwann im Supermarkt, im Restaurant oder in der Kantine lesen. Die Realität sieht zurzeit anders aus.
Viele Verbraucher wären dafür bereit, höhere Preise für Fleisch aus besserer Tierhaltung zu bezahlen. Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigt, würden 58 Prozent mehr Geld ausgeben, wenn höhere Standards gegeben sind und 25 Prozent nicht.
Politik will mehr Transparenz
Angaben wie das Tierwohl-Label oder zur Haltungsform wurden bisher auf freiwilliger Basis gemacht. Im Juni 2023 wurde dann ein Gesetz für eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung beschlossen. Demnach gibt es fünf Haltungsformen von „Stall“ bis „Bio“. Diese Kennzeichnung soll vorerst für Schweinefleisch gelten und bald auf andere Tierarten übertragen werden.
Agrarminister Cem Özdemir brachte Anfang dieses Jahres zudem neue Regelungen für die Landwirtschaft auf den Weg: unter anderem strengere Vorgaben für bessere Lebensbedingungen von Tieren und eine neue Regelung zur Herkunftskennzeichnung beim Fleischkauf, nach welchem unverpacktes Fleisch mit der Herkunft gekennzeichnet sein muss. Der politische Trend ist sichtbar: Es soll mehr Transparenz in der Viehhaltung geben.
Verbraucherschützer wollen mehr
Die Verbraucherzentralen begrüßen die Regelung zu Herkunftskennzeichnungen beim Fleischkauf, fordern aber weitergehende Schritte etwa für Kantinen und Restaurants. Die Chefin des Bundesverbandes, Ramona Pop, wies Ende Januar darauf hin, dass Verbraucher in der Speisekarte erkennen können sollten, woher das Fleisch auf ihrem Teller stammt.
Auch die Tierschutzorganisation Peta befürwortet den Trend zu mehr Transparenz, kritisiert aber den bisherigen Umgang mit Informationen. Für die Agrarwissenschaftlerin und Peta-Fachreferentin für Tiere in der Ernährungsindustrie, Lisa Kainz, ist das neue Herkunftskennzeichnungsgesetz kontraproduktiv. Wenn Fleisch aus Deutschland komme, bestehe der Irrglaube, dies sei ein besonderes Qualitätsmerkmal. „Dem ist aber in keinster Weise so. Die Tierschutzgesetze in Deutschland sind marginal“, beklagt Kainz. Die Wissenschaftlerin wünscht sich eine Anpassung des Konsumverhaltens, da Tiere nicht wirtschaftlich gehalten werden könnten, ohne dass sie darunter leiden müssten.
Umsetzbarkeit in Landwirtschaft
Die elektronische Verfolgung von Tieren nutzen bereits viele Landwirte. Milchbäuerin Kerstin Wosnitza beispielsweise hat ihre 110 Kühe in Nordfriesland mit Sensoren ausgestattet, die die Bewegungen aufzeichnen, um Informationen über Tierwohl, Gesundheit und Fruchtbarkeit zu erhalten. Größere Betriebe hätten das häufig, um ihre Herden besser „managen“ zu können, sagt die Bäuerin. Dass diese Daten der digitalen Überwachung wie bei „Million Steps“ zusätzlich an die Verbraucher weitergegeben werden könnten, geht einen Schritt weiter. Wosnitza, die sich im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter engagiert und Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ist, kann sich eine Umsetzung gut vorstellen. Dies könne man sicher koppeln.
Grundsätzlich sei jedoch die Bereitschaft der Verbraucher wichtig, mehr Geld für mehr Tierwohl ausgeben zu wollen. „Wenn keine Gelder auch von der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden, dann werden es die im harten Wettbewerb wirtschaftenden Tierhalter sehr schwer haben, sich mit ihrer Tierhaltung dem anzunähern, was Verbraucher, was Bürger gerne wollen.“ (dpa/dpa-tmn)