Zähl Pixel
Influenza

Grippewelle: So krank ist Deutschland derzeit – Masken-Mahnung

In Deutschland leiden derzeit rund 7,5 Millionen Menschen an einer akuten Atemwegsinfektion (Symbolbild).

In Deutschland leiden derzeit rund 7,5 Millionen Menschen an einer akuten Atemwegsinfektion (Symbolbild). Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Millionen Erkrankte und eine mögliche Ansteckungswelle bis Ostern? Das RKI nennt aktuelle Zahlen - mit einer guten Nachricht.

Von Redaktion Donnerstag, 20.02.2025, 18:50 Uhr

Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!

Berlin. Der Höhepunkt der Grippewelle scheint nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) erreicht zu sein. Die Zahl der gemeldeten Fälle ist in der Woche vom 10. bis zum 16. Februar im Vergleich zur Vorwoche relativ stabil geblieben, wie aus einem aktuellen Bericht zu akuten Atemwegsinfektionen hervorgeht. Das Niveau an Krankheitsfällen ist aber nach wie vor hoch. Zudem sei davon auszugehen, dass die Grippewelle auch bis Ostern (Mitte April) anhalten könnte.

Rund 7,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden den Experten zufolge derzeit an einer akuten Atemwegsinfektion. Viele davon haben eine Grippe. „Influenzaerkrankungen werden in allen Altersgruppen verzeichnet“, so das RKI.

Krankenhauseinweisungen gehen zurück

Die Zahl der Menschen, die wegen einer akuten Ateminfektion ins Krankenhaus mussten, ist in den meisten Altersgruppen gesunken. Gut ein Drittel der Betroffenen kam wegen eines schweren Influenza-Verlaufs in eine Klinik. Auch bei Schulkindern habe es insgesamt einen Rückgang gegeben, allerdings liege die Zahl der schwer verlaufenden Fälle nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau.

„Wenn das Kind schwer Luft kriegt, nicht mehr genug isst, das Fieber nach mehreren Tagen nicht runter geht oder der Allgemeinzustand sich verschlechtert, sollten sie auf jeden Fall zum Arzt“, riet der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie Tobias Tenenbaum kürzlich.

RKI empfiehlt Masketragen

Wer Symptome einer akuten Atemwegsinfektion habe, sollte drei bis fünf Tage und bis zur deutlichen Besserung der Symptomatik zu Hause bleiben, rät das RKI. Während dieser Zeit sollte der direkte Kontakt zu Personen vermieden werden, vor allem zu Menschen, die ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben, zum Beispiel ältere Menschen. „Menschen mit akuten Atemwegssymptomen sollten eine Maske zum Fremdschutz tragen.“

Lesen Sie auch

Auch Menschen, die sich vor einer Infektion schützen wollen, empfiehlt das RKI das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes in Innenräumen. Die Impfungen gegen Covid-19, Influenza, RSV und Pneumokokken sollten gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission geschehen.

  • Risiko für Long Covid hat sich deutlich verringert

Groß war das Entsetzen, als vor etwa vier Jahren immer deutlicher wurde, dass Sars-CoV-2 die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit weit über die akute Infektion hinaus einschränken kann. Längst hat das Phänomen von Symptomen, die länger als vier Wochen andauern, mit Long Covid einen Namen bekommen. Von ursächlicher Heilung solcher Langzeitfolgen ist die Medizin aber weit entfernt.

Eine gute Nachricht ist: Im Zuge von mehr Immunschutz durch Impfungen und durchgemachte Infektionen sowie weniger aggressiver Virusvarianten hat sich das Risiko, nach einer Erkrankung Long Covid zu entwickeln, deutlich vermindert. Ergebnissen der „Virus Watch“-Studie des University College London zufolge weisen die jüngeren Omikron-Untervarianten ähnliche Wahrscheinlichkeiten für Langzeitsymptome auf wie andere akute Atemwegserkrankungen. Omikron ist die seit Anfang 2022 weltweit dominierende Corona-Variante.

In der ersten Infektionswelle der Pandemie habe das Risiko für mehr als zwölf Wochen andauernde Beschwerden - Post Covid genannt - bei etwa sechs bis acht Prozent gelegen, sagt Andreas Stallmach vom Universitätsklinikum Jena (UKJ). Inzwischen liege es wahrscheinlich bei ein bis zwei Prozent der Covid-Erkrankten.

Je länger die Symptome, desto schlechter die Prognose

„Der Anteil derer, bei denen sie innerhalb eines halben Jahres wieder verschwinden, ist recht hoch“, sagt Carmen Scheibenbogen von der Charité Berlin. Kritisch wird es danach: „Wer nach einem halben Jahr noch Symptome hat, hat sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach ein oder zwei Jahren noch.“

Doch was entscheidet darüber, ob man Long Covid entwickelt - und ob es langfristig bleibt? Bekannt ist, dass Frauen zwei Drittel der Long-Covid-Betroffenen stellen und ein großer Teil der Patienten vergleichsweise jung ist - bei beiden Faktoren spielt das aktivere Immunsystem eine Rolle, wie Scheibenbogen erklärt. Unter anderem Menschen mit Übergewicht und Erkrankungen des Immunsystems haben ebenfalls ein höheres Risiko.

Eine standardisierte, ursächlich helfende Therapie gibt es bisher nicht. Je nach Symptomen empfehlen Mediziner etwa Bewegungstherapie, Schmerz- und Kreislaufbehandlung, Atemtherapie, Entspannungsverfahren oder Hirnleistungstraining. Insbesondere bei schweren Fällen soll streng darauf geachtet werden, Patienten nicht zu überlasten.

Diagnose weiterhin schwierig

Ein Grundübel bei der Diagnose besteht nach wie vor: Es gibt keinen leicht zu bestimmenden Wert, an dem sich Long Covid festmachen ließe. „Viele Symptome lassen sich unterschiedlich bewerten - zudem kann aus dem Verdacht auf Long Covid eine ganz andere Diagnose werden“, sagt Stallmach, Leiter des Post-Covid-Zentrums am UKJ.

An den häufigsten Symptomen von Long Covid hat sich seit Beginn der Pandemie wenig verändert. Bei einer Studie unter Leitung von Winfried Kern von der Universität Freiburg mit Menschen, die sich in der ersten Corona-Welle infiziert hatten, zählten zu den vorherrschend angegebenen Beschwerden Müdigkeit und Erschöpfung, kognitive Störungen wie Konzentrations- oder Gedächtnisschwäche, Schmerzen im Brustkorb, Atemnot sowie Angst, Depressionen und Schlafprobleme. Bei Menschen mit länger anhaltendem Post-Covid-Syndrom berichtete mehr als ein Drittel, weniger belastbar bei Anstrengungen zu sein.

Die wohl gefürchtetste Ausprägung bei Post Covid ist ME/CFS - Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom. Ein Großteil der Langzeit-Post-Covid-Fälle gehe darauf zurück, bundesweit seien aktuell geschätzt etwa 150.000 bis 200.000 Menschen betroffen, erklärt Stallmach. Hinzu kommen zahlreiche Patienten, die ME/CFS unabhängig von einer Corona-Infektion entwickeln.

Einige sind eingeschränkt bis zur Pflegebedürftigkeit

ME/CFS ist eine komplexe Erkrankung, die unter anderem von bleierner körperlicher Schwäche und äußerst geringer Belastbarkeit geprägt ist. Typisch ist eine deutliche Verstärkung der Beschwerden schon nach geringer körperlicher oder geistiger Belastung. Viele Betroffene können sich kaum selbst versorgen. „Manche sind so schwer krank, dass sie ihr vorheriges Leben komplett verloren haben“, sagt Stallmach. Auch in diesem Bereich sei bisher keine überzeugende Therapie gefunden. „Ich bin aber optimistisch, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird.“

Weitere Artikel