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Fußball-Länderspiel

Randale in Wembley: Deutsche Fans stürmen Pub

100 Männer sollen in einem Biergarten in London Gäste angegriffen haben. Symbolfoto: dpa

100 Männer sollen in einem Biergarten in London Gäste angegriffen haben. Symbolfoto: dpa

Vor dem Fußball-Länderspiel der DFB-Auswahl in England ist es zu Ausschreitungen gekommen. Es gab mehrere Verletzte und schwere Vorwürfe gegen die deutschen Angreifer.

Dienstag, 27.09.2022, 11:15 Uhr

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Vor dem Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen England (3:3) hat es in einem Pub in der Nähe des Londoner Wembley-Stadions Ausschreitungen gegeben. Am frühen Abend seien rund 100 Männer - viele davon maskiert - in den Biergarten des Pubs gekommen und hätten Gäste angegriffen, teilte die Metropolitan Police am Dienstag auf Anfrage mit. Obwohl einige England-Schals und -Hüte zu sehen waren, gehen die Behörden davon aus, dass es sich um deutsche Fans handelte.

In der Menge kam es den Angaben zufolge zu Schlägereien und Leitkegel wurden geworfen. Mehrere Gäste verletzten sich an Kopf und Gesicht, drei erlitten ernsthafte Verletzungen an Beinen oder Händen, keiner davon jedoch lebensbedrohliche. Als die Polizei einschritt, floh der Großteil der Angreifer. Vier Beteiligte wurden festgenommen.

„Auch dieser Tag ist leider nicht vorübergegangen, ohne dass Chaoten dafür gesorgt haben, dass kein gutes Licht auf uns gefallen ist“, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf am Dienstag auf der Bundeskonferenz der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) in Düsseldorf: „Ich kenne den aktuellen Stand nicht, aber es gab Verletzte und Festnahme. Und wir haben Sorge, dass es weitergeht, wenn die U21 in Sheffield spielt.“

Die „Sun“ berichtete von fünf Menschen, die ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Gäste, die teilweise mit ihren Familien in den Pub gekommen waren, um das Länderspiel zu schauen, äußerten sich auf Twitter schockiert über die gewaltsamen Szenen.

Flick verteilt die Hausaufgaben - Müller kennt WM-Lösung

Bundestrainer Hansi Flick will sich trotz des wilden Ritts beim 3:3 im Prestigeduell am Montagabend und dem letzten ernsthaften WM-Test kein Miesepeter-Gefühl einreden lassen. „Ich bin von Hause aus eher positiv”, sagte der Bundestrainer im Presse-Auditorium des Wembleystadions. „Viele Sachen haben wir gut gemacht”, fügte er vor der Heimreise aus London an. Es klang, als müsste er sich dies selbst einreden. Zweifel, Fragen, Hausaufgaben, das ist der reale Dreiklang, der Flick auf dem 57-Tage-Endspurt Richtung Katar nun begleitet.

Die deutsche Nationalmannschaft verspielte in London eine 2:0-Führung.

Die deutsche Nationalmannschaft verspielte in London eine 2:0-Führung.

Seinen Bayern-Block um WM-Hoffnungsschimmer Jamal Musiala schickte Flick zur kollektiven Form-Suche nach München. Mit dreizehn Spielen in 43 Tagen ist der WM-Countdown dort proppevoll. Doppel-Torschütze Kai Havertz fuhr einmal quer durch London nach Hause und wusste, dass die Leistung gegen die Three Lions nicht genügt, um die großen Ziele im WM-Advent zu schaffen. „In sieben Wochen dürfen wir die Fehler nicht mehr machen”, redete der Offensivmann vom FC Chelsea Klartext nach „einem weiteren Tag zum Lernen”. Sonst könnten die ersten beiden Gegner Japan (23. November) und Spanien (27. November) schon zu finalen Titel-Stolpersteinen werden und sich das WM-Trauma von Russland 2018 wiederholen.

Katar-Kandidaten unter Beobachtung

Flicks erster Plan ging nicht auf. Gegen Ungarn und in England wollte er seine beste Formation für Katar finden und einspielen lassen. Nach der 0:1-Enttäuschung gegen die Magyaren und dem Konfus-Fußball in der Schlussphase gegen die Engländer gibt es mehr Ungereimtheiten als zuvor. 2:0, 2:3, 3:3, diese Torreihenfolge in Wembley bot Argumente für Optimisten und Pessimisten gleichermaßen. Fest steht: Alle Katar-Kandidaten stehen im Oktober unter Beobachtung. Das machte Flick noch einmal deutlich.

„Ich glaube, dass es wichtig ist, dass jeder Einzelne in dieser Zeit noch an sich arbeitetet, für bessere Fitness, Sicherheit, Überzeugung, Passspiel. Da müssen wir noch besser werden. Dann können wir als Mannschaft noch einen Tick besser sein. Das ist notwendig”, räumte der 57-Jährige in seiner Analyse ein.

Für Flick hat das WM-Jahr noch keinen glücklichen Verlauf. Seinen Alles-Sieger-Nimbus, den er als Titelsammler beim FC Bayern zum DFB-Team mit acht Siegen zum Start transportierte, ist er los. In den letzten sieben Partien gelang nur noch ein Erfolg, beim 5:2 gegen eine italienische B-Formation. Nie blieb man ohne Gegentor. Ein Kuriosum: Gegen keinen der anderen 31 WM-Teilnehmer konnte Flick bisher ein Spiel als Bundestrainer gewinnen. Erfolge gelangen nur gegen Mannschaften, die nicht in Katar dabei sind.

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Der Bundestrainer selbst wird nun ganz viel reisen. Spiele, Spiele, Spiele will er sehen. Oberste Priorität hat die Auswahl der 26 Kaderplätze, die Flick nur wenige Tage vor dem für den 14. November gebuchten Abflug zum Testspiel-Zwischenstopp im Oman vergeben wird. Bis dahin wird die Fußball-Nation diskutieren. Braucht Flick für den Angriff einen echten Stoßstürmer? Die Absenz einer klassischen Nummer neun ist ein Dauer-Diskussionspunkt. Timo Werner lieferte keine Argumente. Havertz traf erst, als er aus dem Rückraum kam.

Flick moderiert die Mittelstürmer-Debatte geschickt. Er schließt auch eine Berufung von Werder Bremens Niklas Füllkrug, der im Club-Fußball internationales Niveau noch nicht unter Beweis stellen musste, nicht prinzipiell aus. Angekündigt hat er schon, dass ein Spieler „für den besonderen WM-Moment” in Katar dabei sein soll, an den im Augenblick noch niemand denkt. Das könnte auch ein junger Kerl wie Dortmunds Youssoufa Moukoko (17) sein.

Kehrt Weltmeister Mats Hummels in Nationalelf zurück?

Längst am Laufen ist die Debatte um eine erneute Turnier-Reaktivierung von Mats Hummels für die Abwehr, auch wenn das schon Flicks Vorgänger Joachim Löw bei der EM 2021 kein Glück brachte. Der Rio-Champion zeigt bei Borussia Dortmund gute Leistungen. Laut „Bild-Zeitung” würde er sich auch mit einer Nebenrolle im WM-Kader zufriedengeben.

BVB-Profi Mats Hummels.

BVB-Profi Mats Hummels.

Nominiert hat Flick den 33-Jährigen noch nie. Er wird die Tür aber zumindest in der Öffentlichkeit bis zum Schluss offen lassen. Hummels' neuer BVB-Kollegen Nico Schlotterbeck verursachte bei allen von Flick geschätzten Qualitäten im fünften Länderspiel zum dritten Mal einen Elfmeter. Ein solcher Fauxpas kann bei der WM alle Träume zerstören.

Hummels' Plus. Er wäre in Topform ein Akteur, der sportliche Qualität und Anführer-Fähigkeiten vereint. Eine Verbindung, die in Flicks Personalauswahl zu selten zu finden ist. Gegen Ungarn wie gegen England fehlte ein Leader auf dem Platz, der den Weg wies, als Antrieb (gegen Ungarn) fehlte oder Ordnung (gegen England) verloren ging.

Kimmich will angreifen

Ersatz-Kapitän Joshua Kimmich sieht sich in dieser Doppel-Verantwortung und will es nun nach WM-Frust 2018 und EM-Enttäuschung 2021 endlich auch bei einem großen Turnier beweisen. „Jeder Spieler hat noch mal sechs Wochen Zeit, sich ein gutes Gefühl zu holen. Dann werden wir angreifen”, versprach er.

An kritischer Einsicht seiner Spieler mangelt es Flick also nicht. „Für uns gilt es, als Truppe weiter zusammenzustehen”, forderte Turnier-Routinier Thomas Müller. Man müsse diesen „deutschen Turnier-Mannschaft-Mythos wieder aufleben lassen”, sagte der 33-Jährige vor seiner vierten WM-Teilnahme. Müllers royaler Vorschlag: Einfach Real Madrid kopieren. Die Königlichen könnten das Vorbild sein. Beim Champions-League-Sieger laufe „auch nicht immer alles brillant, aber sie behalten den Kopf oben, sie behalten den Glauben an sich selbst.” (dpa)

Der WM-Zeitplan der Fußball-Nationalmannschaft

 

Mitte Oktober: Meldung eines 50-Mann-Kaders an die FIFA

ca. 10. November: Nominierung des WM-Kaders

13. November: Treffpunkt des WM-Kaders in Frankfurt

14. November: Meldung des finalen 26-Mann-Kaders an die FIFA und Abflug ins Trainingslager nach Oman

16. November: Testspiel gegen Oman in Maskat

18. November: Einzug ins WM-Quartier Zulal Wellness Resort in Katar

23. November: 1. Gruppenspiel gegen Japan

27. November: 2. Gruppenspiel gegen Spanien

1. Dezember: 3. Gruppenspiel gegen Costa Rica

5. oder 6. Dezember: Achtelfinale

9. oder 10. Dezember: Viertelfinale

13. oder 14. Dezember: Halbfinale

17. Dezember: Spiel um Platz drei

18. Dezember: Finale

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