TTrinseo-Aus und Energiewende-Boom: Angst und Hoffnung im Industriepark Stade

Blick auf die Anlagen von Air Liquide in Stade. Foto: Air Liquide
Stade ist ein wichtiger Standort der Chemie-Industrie. Die hat es wegen schwacher Konjunktur und globaler Konkurrenz nicht leicht. Ein Blick auf Hoffnungsträger und Sorgenkinder.
Stade. Die Wirtschaftslage macht Chemie-Unternehmen in Deutschland Sorgen. „Wir haben ein konjunkturelles Problem und ein Nachfrageproblem“, sagt Dow-Deutschland-Chefin Julia Schlenz.
Im Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der vergangenen Woche wurde klar: Die Transformation der Industrie zu erneuerbaren Energien muss kommen. Das wirtschaftlich profitabel zu gestalten, wird aber eine große Herausforderung.
LNG: Ein Hoffnungsträger mit Fragezeichen
Ein Hoffnungsträger ist für viele das LNG-Terminal. LNG gilt als Brückentechnologie, die den Übergang von fossilem Gas zu erneuerbaren Energieträgern ermöglichen soll. Kritiker wie der BUND befürchten, dass daraus eine Dauerlösung wird. Denn vor einer Umstellung auf grünen Wasserstoff oder seine Derivate stehen noch viele Fragezeichen. Noch ist die Erzeugung aufwendig und teuer, weshalb grüner Wasserstoff mitunter „der Champagner der Energiewende“ genannt wird.
„Ich denke nicht, dass Deutschland ohne Wasserstoffimporte auskommen kann“, sagt Julia Schlenz. Sie frage sich, ob es realistisch ist, dass eigene Elektrolyseure konkurrenzfähig werden. Steinmeier sagt: Technisch sei es kein Problem, selbsterzeugten grünen Wasserstoff in der Produktion einzusetzen. Entscheidend sei aber die Frage: „Können wir diese Produkte auch absetzen?“ Zudem könne die Bundesregierung die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff nicht garantieren.

Dow-Deutschland-Chefin Julia Schlenz in Stade im Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Foto: Richter
Warum Dow für Technologieoffenheit plädiert
Für langfristige Investitionsentscheidungen ist Planungssicherheit wichtig, in Zeiten der Transformation aber schwer zu bekommen, sagt Julia Schlenz. Ihr Vorstandskollege Claudio Ciuchini mahnt an, beim Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur technologieoffen zu bleiben und modulare Lösungen in Betracht zu ziehen. Denn wo genau es hingeht, sei noch nicht klar.
Wo Air Liquide 40 Millionen investiert
Gleichzeitig wird im Chemiepark in Transformation investiert: Air Liquide steckt in diesem Jahr 40 Millionen Euro in die Modernisierung ihrer Anlagen in Stade. Die Firma produziert technische Gase und liefert seit 20 Jahren an Dow. Gerade wurde die Liefervereinbarung langfristig verlängert.
Air Liquide modernisiert zwei Luftzerlegungsanlagen sowie eine Anlage zur partiellen Oxidation. Letztere wird durch eine neue CO2-Recyclinglösung ergänzt. Das soll die Energieeffizienz um 15 Prozent steigern und die Emissionen um 15.000 Tonnen pro Jahr verringern.
Warum die Transformation Trinseo nicht rettet
Knapp 90 Beschäftigte von Trinseo hatten gehofft, dass der Transformations-Boom ihre Arbeitsplätze retten könnte. Doch daraus wird nichts, berichtet der Betriebsratsvorsitzende Bernd Guse: Der US-Konzern Trinseo lässt die Produktion in Stade zum Jahresende auslaufen. Das Betriebsrätenetzwerk im Chemiepark hatte Kunststoff-Recycling als Alternative ins Spiel gebracht und sogar Wirtschaftsminister Olaf Lies eingeschaltet - vergeblich.

Blick auf den Stader Chemiepark mit Trinseo, Dow, Olin, Air Liquide und schwimmendem LNG Terminal. Foto: Martin Elsen
„Die machen so etwas schon. Aber nicht in Stade“, sagt Bernd Guse. Als Grund für die Aufgabe des Standorts nennt Trinseo zu hohe Kosten und starke chinesische Konkurrenz. Einige Mitarbeiter haben sich schon neue Jobs gesucht. Der Rest wird 2025 die chemikalienfreie Übergabe der Anlage vorbereiten. Inwieweit sie zurückgebaut werden muss, steht noch nicht fest.
Guse hat mit Hansekraft Kontakt aufgenommen, um Beschäftigungsmöglichkeiten auszuloten.
Das Holzheizkraftwerk würde aber erst Ende 2027 in Betrieb genommen. „Für uns etwas zu spät“, sagt Guse. Immerhin sei der Markt für Chemie-Fachkräfte in Stade nicht schlecht: „Für die meisten wird es ein gutes Ende nehmen, denke ich.“
Neue Arbeitsplätze beim LNG-Terminal
Das schwimmende LNG-Terminal Energos Force bringt auch Arbeitsplätze. Etwa 100 sollen es laut Betreiber Deutsche Energy Terminal (DET) werden: 70 im operativen Betrieb, davon 30 direkt auf der Energos Force, und weitere 30 im Umfeld: Andocker, Feuerwehrleute, Schlepperpersonal.
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Die Inbetriebnahme lässt indes auf sich warten. Die Gasleitung liegt schon auf dem Deich, doch noch immer wird laut DET an Verladearmen und Leitungs- und Kontrollsystemen bis zum Übergabepunkt an das Fernleitungsnetz gearbeitet. Vor der Abnahme sei auch noch weitere Dokumentation nötig.
„Wir rechnen vor dem Winter mit der Inbetriebnahme“, sagt DET-Sprecher Andreas van Hooven. Was die Charter des ungenutzen Terminals derweil kostet, will das bundeseigene Unternehmen auf Nachfrage nicht verraten. In Fachmedien heißt es: Etwa 200.000 Euro pro Tag.
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2027 will das Konsortium Hanseatic Energy Hub (HEH), zu dem auch Dow gehört, das schwimmende Terminal durch ein landseitiges ersetzen. HEH investiert eine Milliarde Euro in diese Infrastruktur, die LNG, später auch synthetische Gase und flüssiges Biomethan in die Netze bringen soll. Es wird eine große Baustelle - sicherlich mit mehreren Hundert Arbeitsplätzen.