TVerkehrskonzept: Das sind die fünf großen Themen im Kreis Stade

Für die Anreise zum Mobilitätstag im Kreishaus nutzten viele das Fahrrad. Foto: Richter
Schlechte Infrastruktur, fehlende Vernetzung, verpasste Anschlüsse: Im Kreis Stade wollen alle mobil sein, doch das Angebot ist dem oft nicht gewachsen. Das soll sich ändern.
Landkreis. „Wir haben in den letzten Jahrzehnten ein unglaubliches Bevölkerungswachstum erlebt“, erklärt der Erste Kreisrat Thorsten Heinze. Von 1971 bis zum Jahr 2012 hatte die Einwohnerzahl im Landkreis Stade um 37 Prozent zugenommen - auf knapp 196.000 Einwohner. Inzwischen sind daraus fast 208.000 geworden. Die Verkehrsinfrastruktur ist aber nicht überall mitgewachsen.
Mobilitätsbedürfnisse haben sich rasant verändert
Auch die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen haben sich verändert. „Bei der Entwicklung sind wir bisher nicht mitgekommen“, räumt Heinze ein. Genau um diese Bedürfnisse geht es beim Mobilitätsforum. Es ist der letzte Schritt zu einem integrierten Gesamtverkehrskonzept für den Landkreis. Im Februar 2026 soll es verabschiedet werden.
Schon vorher hatten Bürger die Möglichkeit, sich in den Prozess einzubringen, den der Landkreis mit dem Fachbüro Planersocietät gestaltet hat. Eine breite Beteiligung gilt als Erfolgsfaktor für das Konzept, das laut Heinze für Chancengleichheit sorgen soll - für alle Verkehrsteilnehmer, alt und jung, zu Fuß, mit Rad, Roller, Bus, Bahn oder Auto.

Bei der Nahmobilität finden sich vor allem beim Radverkehrskonzept viele grüne Punkte. Foto: Richter
In einer Online-Umfrage im vergangenen Jahr hatten mehr als 1300 Menschen Ideen und Wünsche beigesteuert. Jetzt geht es auf die Zielgerade - noch einmal mit Bürgerbeteiligung, beim Mobilitätsforum live vor Ort. In einem Arbeitskreis sitzen außerdem Politik und Verwaltung sowie Interessengruppen von Landwirtschaft über ADFC und IHK bis Tourismusverband zusammen am Konzept.
Inzwischen sind fünf Themenkomplexe nebst Maßnahmenvorschlägen erarbeitet worden, denen beim Mobilitätsforum je eine Stellwand zugeordnet war. Etwa 60 teilnehmende Bürger haben sich mit Experten ausgetauscht und mit grünen Klebepunkten und Notizkärtchen klarmachen dürfen, was ihnen besonders wichtig ist.
Die fünf großen Themen und die Ideen der Bürger dazu
1. Nahmobilität (Rad- und Fußverkehr)
Schon bei der Online-Bürgerbeteiligung spielten die Anliegen der Radfahrer eine zentrale Rolle. „Ja, schön, die Harsefelder Straße wird gemacht. Aber das braucht noch Jahre und wäre besser gewesen, bevor der Bildungscampus Riensförde eröffnet“, sagt eine Staderin, die in der Innenstadt wohnt und in Riensförde arbeitet.
Thema der Woche
T Mehr als ein Lückenfüller - Mobilitätsangebote auf dem Land
Sie ist nicht die Einzige, die der Radverkehr besonders beschäftigt, wie die vielen grünen Punkte auf dieser Themenwand zeigen. Sichere Querungsmöglichkeiten an Kreisstraßen für Fußgänger und die Unterstützung der Kommunen zur Optimierung des Fußverkehrs sind weitere Kernthemen.
Wie Ines Utecht vom Tourismusverband betont, ist der Radverkehr auch für den Tourismus besonders wichtig: Viele der 8,6 Millionen Tagesgäste, die in die Region kommen, wollen sie mit dem Rad erkunden.
2. Vernetzte Mobilität
Kevin von Wissel von der Verkehrsgesellschaft Nord-Ost-Niedersachsen (VNO) hält die vernetzte Mobilität für die größte Herausforderung: Bei Bus, Bahn und Fähre müssen Anschlüsse klappen und getaktet werden. Beim Radwegenetz gilt es, kommunale Grenzen zu überwinden und zusammenzuarbeiten.

Kerstin Benner und Bernhard Zimmermann vom Bürgerbus Apensen kleben ihre grünen Punkte an die für sie wichtigen Themen. Foto: Richter
Und was ist mit der Fahrrad-Mitnahme im ÖPNV, fragen Bürger. Bessere Vernetzung fordern auch Bernhard Zimmermann und Kerstin Benner vom Bürgerbus Apensen: „Die Anknüpfungspunkte müssen stimmen. So können wir Lücken schließen, die es noch gibt, zum Beispiel an den Samtgemeindegrenzen. Das würden wir mit dem Bürgerbus auch gerne tun.“
3. ÖPNV
Dass der Landkreis sich für den Ausbau des Schienenverkehrs einsetzen will, ist klar. Heinze spricht ehrlich an: „Es gibt Dinge, die nicht in der Macht des Landkreises stehen.“ Doch er könne Anstöße geben und Akteure zusammenbringen.
Eine einheitliche Tarifstruktur - die des HVV überall - sowie die Verstärkung eines On-Demand-Angebots und eine Digitalisierung und Vereinheitlichung des Angebots sind geplant. Das Deutschlandticket ist beim Mobilitätsforum großes Thema: Teilnehmer regen ein Sozialticket oder auch ein kostenloses oder stark vergünstigtes Ticket für Schüler und Azubis an. In Hamburg gebe es das.

Ursula Männich-Polenz wünscht sich unter anderem eine digitale, vernetzte Anzeige, die ihr an der Haltestelle zeigt, wann und ob der nächste Bus kommt. Foto: Richter
Laut Konzeptentwurf sollen Zubringerachsen zu zentralen Haltestellen gefördert werden - das heißt: Auch entlegene Kommunen sollen besser an die Schiene oder zentrale Buslinien angebunden werden.Ursula Männich-Polenz aus Himmelpforten wünscht sich ein smartes System für Bushaltestellen: „Das gibt es in Kopenhagen. Es ist wichtig, zu wissen, ob und wie sich der Bus verspätet oder ob er ausfällt.“
4. Motorisierter Individual- und Wirtschaftsverkehr
Logistikverkehre möglichst verträglich zu lenken, stellt für Heinze die größte Herausforderung dar. Mit einer Strategie, die Lkw gezielt lenkt und sensible Bereiche entlastet sowie der Definition eines Lkw-Positivnetzes und eines Lkw-Verbotsnetzes soll das gelingen.
Für die Sanierung der Kreisstraßen soll es einen Masterplan geben, und natürlich stehen die bessere Überwachung und Steuerung des Verkehrs allgemein auf dem Plan. Nicht zuletzt will der Landkreis ein Ladeinfrastrukturkonzept erarbeiten.
5. Integrierte Themen und Mobilitätsmanagement
Integrierte Themen betreffen alle genannten Bereiche. Unter diesen fand klimafreundliche Verkehrsplanung beim Mobilitätstag besonders viele Freunde, die einen grünen Klebepunkt anbrachten. Ebenso deutlich ganz vorne standen Kinderfreundlichkeit und schulisches Mobilitätsmanagement.

Leoni Westerkamp ist die neue Mobilitätsbeauftragte des Landkreises. Foto: Richter
Auf die Mobilitätsbeauftragte, die auf dieser Stellwand genannt wird und alle Bereiche im Blick haben soll, muss der Landkreis nicht mehr warten - sie stellte sich vor: Leoni Westerkamp ist seit Mitte Mai dabei, hat Geografie und Logistik studiert und ist jetzt Ansprechpartnerin in Sachen Gesamtverkehrskonzept und Mobilität.
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