TErster allergikerfreundlicher Apfel mit Siegel: Der Pompur wird zum Star
Erzeuger und Vermarkter Frank Suhr zeigt einen Foodtainer mit allergikerfreundlichen Pompur-Äpfeln. Im Hintergrund schwimmen sie fruchtschonend zum Verpacken. Foto: Vasel
Tränen, Kribbeln und Juckreiz nach dem Biss in den Apfel? Für 3,5 Millionen Allergiker in Deutschland gibt es jetzt Hoffnung: Die Pompur-Äpfel sind im Handel.
Altes Land/Kehdingen. Das Telefon klingelt. Das nächste Interview steht an - mit „Bild der Frau“. Doch nicht nur die Illustrierte, auch Zeitungen wie „Süddeutsche“ und „Welt“, Zeitschriften wie „Stern“ und „Focus“ und Sender wie RTL, Sat1 und NDR haben über die Markteinführung der ersten allergikerfreundlichen Pompur-Äpfel berichtet. „Das deutschlandweite Medienecho ist überwältigend“, sagt der Geschäftsführer der Züchtungsinitiative Niederelbe (ZIN), Maik Stölken.
ZIN-Geschäftsführer Maik Stölken aus Jork ist überwältigt von Medienecho und Nachfrage. Foto: Vasel
Ganz besonders habe er sich über den Popmusiker Axel „Aki“ Bosse gefreut, der als Apfelallergiker für die neue Sorte warb - als „unbezahlbarer“ Influencer. Auch auf dem Wochenmarkt sowie in den Supermärkten und Discountern ist der Apfel gefragt.
„Der Verbraucher ist heiß auf den Pompur“, sagt Stölken. Knapp 500 Tonnen sind in diesem Jahr erstmals in den Handel gekommen. Edeka, aber auch die Discounter Penny und Aldi sind mit im Boot. Um die 2,80 Euro kostet das Kilo.

Foodtainer mit Pompur-Äpfeln in der Kiste. Foto: Vasel
230.000 Bäume sind an der Niederelbe in den vergangenen zwei Jahren gepflanzt worden. In vier Jahren wollen die Altländer und die Kehdinger 15.000 Tonnen vermarkten. Zielmarke: eine Million Bäume. Jetzt ernten die ZIN-Mitglieder - rund 160 Erzeuger und 20 Handelsbetriebe - die Früchte ihrer Arbeit. Seit 2002 haben sie drei Millionen Euro in die Züchtung neuer Sorten investiert.

Prof. Dr. Werner Dierend mit den neuen Apfelsorten Pompur auf einem Teil der Versuchsflächen an der Hochschule Osnabrück. Foto: Hochschule
Zwei allergikerfreundliche Sorten haben sie mit Professor Dr. Werner Dierend von der Hochschule Osnabrück mit den Sorten ZIN 168 und ZIN 186 entwickelt, die unter dem Markennamen Pompur am 17. November 2025 auf den Markt gekommen sind.
Langer Weg bis zum Durchbruch
Das war ein langer Weg. Die Züchter arbeiten ohne Gentechnik. Die Kreuzung der ersten Pompur-Sorte erfolgte 2004, die der zweiten 2007. Anschließend erfolgte eine langjährige Prüfung auf Eigenschaften wie Aussehen, Geschmack, Ertrag und Allergenpotenzial. Schließlich sollten die Pompur-Äpfel die ersten sein, die das begehrte Siegel Allergiefreundlich der Europäischen Stiftung für Allergieforschung (ECARF) tragen dürfen.

Frucht der Sorte ZIN 186 - vermarktet unter der Dachmarke Pompur. Foto: Hochschule
Der Traum wurde 2022 wahr. Bereits 2020 gab es das Vorabsiegel. Dafür waren klinische Tests im Labor und mit Probanden notwendig, die Pompur-Äpfel mussten über drei Ernten ihre Allergikerfreundlichkeit unter Beweis stellen. Die Züchter holten sich für das Forschungsprojekt das Universitätsklinikum Charité in Berlin und die Technische Universität in München ins Boot.
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Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung unterstützte die Erzeuger und Wissenschaftler mit rund 385.000 Euro. Vor drei Jahren sprach Charité-Allergieforscher Professor Dr. Karl-Christian Bergmann von einem Durchbruch. Die beiden ZIN-Sorten lagen deutlich vor den Vergleichssorten Wellant und Santana, die heute von vielen Allergikern gegessen werden. Doch die nachgewiesene Verträglichkeit reichte den Erzeugern nicht. Das Testurteil „hervorragender Geschmack“ gab den Ausschlag für die Anbauentscheidung.
Hoffnung für 3,5 Millionen Apfelallergiker
„Für Allergikerinnen und Allergiker bedeutet das eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität“, erklärt Professor Dr. Werner Dierend von der Hochschule Osnabrück. Mehr als sechs Millionen Deutsche leiden bekanntlich unter Heuschnupfen. Die Hälfte von ihnen habe bislang gar keine Äpfel essen können.
Wer von der verbotenen Frucht gekostet hat, litt unter Schwellungen in Mund und Rachen oder an der Lippe, einige unter Atemnot, Juckreiz und Kribbeln. Ursache sind Kreuzreaktionen zwischen den Apfelproteinen und Birkenpollen-Allergenen.

Hinweise für Allergiker vor dem Biss in den Pompur. Foto: Vasel
3,5 Millionen Menschen, die heute noch unter einer Apfelallergie leiden, könnten von der neuen Sorte profitieren. Eine medikamentöse Therapie gebe es bislang nicht. Betroffene mussten auf frische Äpfel verzichten oder auf erhitzte Früchte zurückgreifen. Auch in diesem Fall gilt allerdings: Vollständig allergenfreie Äpfel sind nicht möglich, so Dierend.

Auf in den Handel: 48 Kisten passen auf die Europalette bei Vermarkter Frank Suhr in Oederquart, gepackt wird vom Roboter. Foto: Vasel
Die allergenarmen tragen allerdings nicht dazu bei, dass die Allergie vollkommen verschwindet: Es handelt sich um eine Form der Desensibilisierung. So könne auch der Heuschnupfen weniger werden. Die neuen allergenarmen ZIN-Sorten könnten laut Bergmann „die allermeisten ohne jede Symptome“ essen.
ZIN gibt Verzehrempfehlung für Allergiker
Dennoch gehen die Vermarkter auf Nummer sicher. Ihr Tipp für Erstkonsumenten: Ein Apfelviertel essen und 10 bis 15 Minuten warten. Wenn keine Beschwerden auftreten, könne der Rest gegessen werden. Pompur-Äpfel werden ausschließlich in Folie verpackt, im Foodtainer oder in der Tasche verkauft. So soll verhindert werden, dass sie mit anderen Äpfeln vermischt werden, so Stölken.

Blick auf die Mitarbeiter von Suhrs Obstversand in Oederquart beim Verpacken der Äpfel. Foto: Vasel
Bei den Vertriebspartnern läuft der Pompur vom Band. Bei Frank Suhr in Oederquart kommt aktuell der späte Pompur (ZIN 186) bei zwei bis drei Grad aus dem Kühllager. Vorher waren die Äpfel nach Größe und Farbe mit Hilfe einer Spezialkamera sortiert worden.
Fruchtschonend werden die gefüllten Großkisten in einem Wasserbad entleert, dann schwimmen die Äpfel zum Verpacken. 48 Kisten passen auf eine Euro-Palette, gestapelt wird vollautomatisch. Wenig später geht es unter strikter Einhaltung der Kühlkette weiter in den Handel.
Pompur-Apfel ist aromatisch, saftig, knackig und robust
Stölken spricht von einem „Büro- und Wohnungsapfel“. Sehr fest, saftig, süß mit etwas Säure und sehr robust, so beschreiben ihn Apfelkenner. Auch nach drei Wochen bei Zimmertemperatur sei der Pompur immer noch fest und saftig.

Erzeuger und Vermarkter Frank Suhr beim Abpacken. Foto: Vasel
Bei der Fruit Attraction in Madrid war der Handel im Oktober ganz heiß auf den Apfel. Doch auch Obstbauern aus England und aus Schweden würden Pompur gerne anbauen, so Stölken. Überall wo es Birkenpollen-Allergiker gibt, eröffnet sich der ZIN als Sorteninhaberin ein neuer Markt. Sie hat das Monopol. Der Pompur ist mit dem europäischen Siegel einzigartig.

Auf in den Handel: 48 Kisten passen auf die Europalette bei Vermarkter Frank Suhr in Oederquart, gepackt wird vom Roboter. Foto: Vasel

Frucht der Sorte ZIN 168 - vermarktet unter der Dachmarke Pompur. Foto: Hochschule
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