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Aurora

TSchiefe Mühle von Borstel: Zieht hier bald wieder ein Restaurant ein?

Schiefer Turm von Borstel: Blick auf die 1860 erbaute Windmühle Aurora auf dem alten Elbdeich.

Schiefer Turm von Borstel: Blick auf die 1860 erbaute Windmühle Aurora auf dem alten Elbdeich. Foto: Vasel

Die schöne Aurora leidet unter Schiefstellung. Damit die Borsteler Mühle nicht als Trümmerberg endet, sichert der Kreis Stade das Fundament. Zieht bald wieder ein Gastronom ein?

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Von Björn Vasel
Mittwoch, 05.11.2025, 20:15 Uhr

Jork. Die Italiener haben in den vergangenen Jahren mehr als 50 Millionen Euro in die Sicherung ihrer schiefen Türme in Pisa und Bologna investiert. Die Rettung der Galerieholländer-Windmühle am alten Elbdeich in Jork-Borstel wird deutlich günstiger: 500.000 Euro hat Kreisbaurätin Madeleine Pönitz veranschlagt.

Das im Jahr 1856 errichtete Baudenkmal mit seinem viergeschossigen quadratischen Unterbau aus Backstein an dem historischen 250 Meter langen alten Elbdeich am Borsteler Hafen sackt ab. Damit die Mühle nicht irgendwann in Trümmern liegt, „muss das Fundament stabilisiert werden“, sagt Pönitz. Der Bau neige sich glücklicherweise lediglich „langsam“. Um größere Schäden zu verhindern, müsse diese Setzung allerdings abgefangen werden.

Einer der neuen Pfähle zur Stabilisierung der Borsteler Mühle ist bereits gesetzt worden, Reiner Pape hat schon mehrere Kubikmeter Schutt aus dem Keller geholt.

Einer der neuen Pfähle zur Stabilisierung der Borsteler Mühle ist bereits gesetzt worden, Reiner Pape hat schon mehrere Kubikmeter Schutt aus dem Keller geholt. Foto: Vasel

Reiner Pape und Abdulhamit Sari gehören zu den Rettern der schönen Aurora. Die Arbeit ist schweißtreibend. Unzählige Eimer mit Schutt und Ziegelsteinen haben sie aus dem Untergeschoss geholt. Mit einem mächtigen Bohrhammer mit Meißel haben die Mitarbeiter des Garten- und Landschaftsbaubetriebs Winckler aus Hollern-Twielenfleth im Keller das Mauerwerk aufgestemmt. Eine Spezialfirma setzt nachträglich Pfähle unterhalb der vorhandenen Gründung zur Stabilisierung der Windmühle in den Lücken ein.

21 Pfähle stabilisieren die Windmühle in Borstel

Insgesamt 21 sogenannte Fertigteil-Gliederpfähle werden bei der Nachgründung mit hydraulischer Vorpressung eingebaut. Bohrpfähle scheiden aus - der Platz im Untergeschoss fehlt, außerdem könnten die Erschütterungen das Denkmal gefährden. Der Marschboden gleicht einem Wackelpudding.

„Bis zu 13 Meter lang sind die Pfähle“, erklärt Pape. Die Segmente der Pfähle bestehen aus einem betonummantelten Stahlrohr und werden wie bei den klassischen Lego-Baukästen ineinander gesteckt. „Durch den Einbau der Pfähle kann und soll die vorhandene Schiefstellung der Borsteler Mühle aber nicht ausgeglichen werden“, ergänzt Kreis-Sprecherin Nina Dede. Das Bauwerk wird stabilisiert. Ein Aufrichten der Mühle wäre zu teuer geworden, zudem hätte darunter die Bausubstanz gelitten.

Abdulhamit Sari arbeitet sich mit dem Bohrhammer vor.

Abdulhamit Sari arbeitet sich mit dem Bohrhammer vor. Foto: Vasel

Die Handwerker gehen abschnittsweise vor, um die Stabilität nicht zu gefährden. Die reinen Tiefgründungsarbeiten „sind voraussichtlich bis Ende November/Anfang Dezember abgeschlossen“. Danach wird die Terrasse wiederhergestellt. Zwei tiefe Schächte müssen am Eingang wieder verfüllt werden. Die Innenarbeiten werden im Anschluss erfolgen.

Landkreis Stade rettet das Baudenkmal

Die Windmühle gehört seit 1981 dem Landkreis Stade . Zuletzt gab es im Sommer 2024 umfangreiche Maler- und Holzarbeiten an Galerie und Fenstern. 2014 waren die Fenster und Flügel für knapp 100.000 Euro saniert worden.

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Aurora von Königsmarck (1662-1728) gab der Mühle auf dem mittelalterlichen Deich ihren Namen. Sie war eine der Enkelinnen des ersten schwedischen Generalgouverneurs der Herzogtümer Bremen und Verden, Graf Hans Christoph von Königsmarck (1600-1663). Aurora war Geliebte Augusts des Starken von Sachsen und danach Pröpstin des Stiftes Quedlinburg.

Blick auf die sanierungsbedürftige Borsteler Mühle und den alten Elbdeich in den 1960er/1970er Jahren. Der Deich ist ein Relikt der spätmittelalterlichen Hollerkolonisation des 12./13. Jahrhunderts.

Blick auf die sanierungsbedürftige Borsteler Mühle und den alten Elbdeich in den 1960er/1970er Jahren. Der Deich ist ein Relikt der spätmittelalterlichen Hollerkolonisation des 12./13. Jahrhunderts. Foto: Altländer Archiv

Mit dem Segen des Erzbischofs von Bremen wurde 1605 am Deich eine Bockwindmühle errichtet. 1633 war der Bau abgängig. Der Kirchenfürst verlieh Nicolaus Dehmel im Jahr 1633 für den Wiederaufbau das „Recht des freien Windes“.

Das Bauwerk gehörte zwischen 1672 und 1740 zum gräflichen Besitz. Der Familie von Königsmarck gehörte der Herrensitz (ab 1657) in Borstel, heute Wehrt‘scher Hof, und die Mühle. Vorher residierten hier die Altländer Gräfen Schulte und Dehmel. Nach dem Tod des Generalgouverneurs gehörte die Mühle seinem Sohn. Dieser vererbte sie 1688 an Aurora und ihre Schwester Amalia.

1740 erwarb George II. von Hannover für 45.000 Taler die Agathenburger Besitzungen der Königsmarcks inklusive Bockwindmühle. Diese wurde als Erbzinsmühle betrieben. Adolf Friedrich Peters ließ diese abbrechen und erbaute 1860 die heutige Galerieholländermühle.

Mühle wird im 2. Weltkrieg beschädigt

Bei einem Bombenangriff wurde 1943 das Flügelkreuz schwer beschädigt. Ein Motor trieb fortan das Mühlwerk an. Es ging bergab, 1961 war Schluss. 1981 kaufte der Landkreis Stade die Mühle und sanierte sie 1984.

Von 2011 bis 2023 betrieben Kerstin und Danny Riewoldt als Pächter ein Restaurant in der Mühle. Die Top-Gastronomen führen seitdem die Essigmanufaktur Zeit-Genusswerkstatt in Hinterbrack. Die Nachnutzung der Mühle ist noch offen, es gibt Interessenten aus der Gastronomie.

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