TWarum wird ausgerechnet in der Sturmflutzeit am Elbdeich gebaut?

Deichschau im Morgennebel: Vertreter von Deichverband, Feuerwehr und Behörden überzeugen sich vom wehrhaften Zustand des Küstenschutzbauwerkes zwischen Lühe-Sperrwerk und Cranz. Foto: Vasel
Bauarbeiten am Elbdeich in der Sturmflutsaison, das ist eigentlich ein Tabu. Doch in Hinterbrack arbeiten die Deichbauer trotzdem. Warum das okay ist, weiß der Oberdeichrichter.
Jork. Die Baustelle liegt am Elbufer und bei Sturmflut droht Land unter. Deshalb haben die Arbeiter und Ingenieure des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) stets die Wasserstände im Blick. Und der Oberdeichrichter der II. Meile Alten Landes, Wilhelm Ulferts, betont, dass nicht im Deichkörper gearbeit wird.

Das 2,5 Millionen Euro teure Siel in Hinterbrack ist im Bau. Foto: Vasel
Mit einem Rüttelbären werden 20 Meter lange und drei Tonnen schwere Spundwand-Bohlen in den Untergrund eingebracht. In der Baugrube am Elbdeich in Hinterbrack soll ein weiteres Rohr für den Neubau des Siels auf Pfählen ruhen. Unterhalb der K39 war es bereits im Sommer 2023 verlegt worden.
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Das Bauwerk wird insgesamt 2,5 Millionen Euro kosten. Die neue Leitung wird auf einer Länge von 70 Metern unter dem Klimaschutzdeich liegen. Das Mittelstück wird mit Blick auf die Sturmflutsaison erst ab April 2025 eingebaut - im Zuge der Deicherhöhung.
Neues Sielbauwerk soll im September 2025 fertig werden
Das Siel im Deich sichert Ent- und Bewässerung in dem 300 Hektar großen Gebiet an der Hinterbracker Wettern. Das neue Rohr liegt etwas tiefer als das alte, sodass mit Blick auch auf die Wasserstände in der Elbe die Betriebsabläufe verbessert werden. Das neue Sielbauwerk soll im September 2025 fertig werden.
Die Baustelle war am Donnerstag eine Station der Herbstdeichschau. Die gute Nachricht: Der Elbdeich zwischen dem Lühe-Sperrwerk und Cranz ist wehrhaft. „Die Schaureife ist erteilt“, sagt Ulferts. Er dankte Lohnunternehmer Simon Mückenberger und Deichschäfer Vasile Buza für die gute Pflege.
Deichschäfer zu Unrecht an den Pranger gestellt
Der Deichschäfer der II. Meile hatte es zuletzt nicht leicht. Schafe fielen dem Wolf und der Blauzungenkrankheit zum Opfer. Damit nicht genug: Immer wieder schwärzen ihn vermeintliche Tierschützer beim Kreis-Veterinäramt wegen der angeblich unterernährten Schwarzkopfschafe an - zu Unrecht.
Hintergrund: Die Rasse ist dünner als die typischen Deichschafe. Der Amtstierarzt stellt Buza trotzdem eine Rechnung aus: fast 200 Euro pro Besuch. Das hat Folgen: Die nicht so proper aussehenden, distelfressenden Schwarzkopfschafe musste Buza aus Kostengründen abschaffen. Dadurch wird die Distelbekämpfung aufwendiger.

Die Schafe grasen auf dem Elbdeich. Foto: Vasel
Der Deichverband appelliert an Hundebesitzer, ihre Tiere auf und am Deich ganzjährig an der Leine zu führen, um das Aufbuddeln von Maulwurfslöchern und Verunreinigungen durch Hundekot zu verhindern und die Schafe zu schützen. Letztere sorgen für die dichte Grasnarbe, die Kleimantel und Sandkern wie ein Panzer vor Deichbrüchen sichert.
Altes Land bleibt Dauerbaustelle für Jahrzehnte
Der Deichverband hofft, dass die Erhöhung in Hinterbrack im April starten kann. Ab 2025 soll der neue Klimadeich auf 9,40 Meter Normalhöhennull erhöht und auf einer Länge von 2000 Metern stehen. 90.000 Tonnen Klei werden verbaut, mehr als acht Millionen Euro wird das voraussichtlich kosten.

Auf dieser Fläche soll das Kleilager auf Hahnöfersand entstehen. Foto: Vasel
Auf Hahnöfersand sind die Altländer dagegen noch keinen Schritt weiter. Der Deichverband hofft, dass Hamburg den Schafstall überträgt und der Schaffung von Kleilagerflächen auf 6,5 Hektar zustimmt. Vertraglich soll der Vorrang Küsten- vor Naturschutz fixiert werden. Bekanntlich will Hamburg hier eine Ausgleichsfläche für die Feldlärche anlegen. Das Gefängnis soll ab 2028 abgerissen werden.
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Im Zuge der Deicherhöhung muss auch das Lühe-Sperrwerk ertüchtigt oder durch einen Neubau südlich der Mündung ersetzt werden. Die Biotop-Kartierung für das Planfeststellungsverfahren soll 2025 starten, so Peter Schley vom NLWKN.
Die Planung soll ein Ingenieurbüro nach EU-weiter Ausschreibung übernehmen. Ulferts hofft, dass ein Spitzenschöpfwerk eingebaut wird. Mit dem könnte bei Starkregen- und Sturmflut das Wasser aus Aue/Lühe bei geschlossenem Sperrwerk in die Elbe gepumpt werden, um Überschwemmungen im Binnenland zu verhindern.

Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts erläutert die Deichbau- und Kleilagerpläne auf Hahnöfersand. Foto: Vasel
Im Kreis Stade sollen die Deiche auf 77 Kilometer Länge um bis zu zwei Meter erhöht werden. Deicherhöhung sowie Um- und Neubau von sieben Sperrwerken werden die Steuerzahler in den kommenden 30 Jahren mehr als 600 Millionen Euro kosten.