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Verkehr

TA26 und A20: Der Kampf um die Autobahnen

So soll der Weiterbau der A26 Ost in Moorburg aussehen. Ob die Bauarbeiten 2025 starten können, entscheidet die Justiz.

So soll der Weiterbau der A26 Ost in Moorburg aussehen. Ob die Bauarbeiten 2025 starten können, entscheidet die Justiz. Foto: DEGES

Trotz Streit und Klagen rund um die Autobahnen der Region: Die Elbtunnel-Sperrung am Wochenende bringt Fortschritte nicht nur für die A26. Wo derzeit noch gebaut wird – und wo nicht.

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Von Karsten Wisser
Freitag, 04.07.2025, 17:50 Uhr

Landkreis. Starke Wirtschaft braucht starke Infrastruktur. Der Ausbau der Autobahnen in Norddeutschland stockt aber seit vielen Jahren. Fortschritte werden durch ein kompliziertes Planungsrecht und vom Widerstand von Naturschutzverbänden und Anwohnern blockiert. Zwei wichtige Infrastrukturprojekte betreffen dabei die Region und den Landkreis Stade besonders: Der Weiterbau der Autobahn A20 sowie die Fertigstellung der A26 West und der Baustart für die A26 Ost.

Fledermaus stoppt A20-Weiterbau

Geradezu exemplarisch für die Probleme, die von der Wirtschaft geforderten Verbesserungen im Straßennetz umzusetzen, ist die A20. Zusammengenommen ist die Küstenautobahn aktuell das größte Straßen-Infrastrukturprojekt - mindestens in Norddeutschland. Wenn sie fertig gebaut wird, verbindet die Autobahn Polen über Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen mit den Niederlanden. Das wären 545,6 Kilometer, von denen 345,2 Kilometer in Betrieb sind.

Aber: Die A20 endet seit 2009 östlich vor Bad Segeberg. 2013 stoppte das Bundesverwaltungsgericht den Weiterbau. Die Richter sahen den Fledermausschutz nicht ausreichend beachtet. Die Segeberger Kalkberghöhlen gelten als größtes Fledermaus-Überwinterungsquartier Deutschlands.

IHK: „Aktuelle Verkehrssituation ist unhaltbar“

Die Handelskammern als Vertreter der Wirtschaft im Norden drängen auf den Bau der A20. In einer Umfrage von acht IHKs sprach sich ein Großteil der fast 400 Teilnehmer Ende 2024 für die baldige Realisierung des länderübergreifenden Infrastrukturprojekts aus. Die Antworten der knapp 400 Unternehmen waren erwartbar, eindeutig und im Sinne der Handelskammern. Eine große Mehrheit spricht sich für den Ausbau aus.

Über 80 Prozent der Unternehmen aus Industrie, Verkehr und Logistik, Dienstleistungen und Großhandel sind überzeugt, dass sie mit dem Ausbau der A20 besser erreichbar sind und ihre Betriebskosten sinken. Ebenfalls mehr als drei Viertel betrachten die vorhandenen Verkehrswege als überlastet.

„Die aktuelle Verkehrssituation ist unhaltbar“, sagte Knud Hansen, Vize-Präsident der IHK Schleswig-Holstein, stellvertretend für die an der Umfrage beteiligten IHKs. „Wir können es uns nicht leisten, dass Unternehmen aufgrund fehlender Infrastruktur abwandern oder sich gar nicht erst in Norddeutschland ansiedeln. Die Zeit des Zögerns muss vorbei sein. Jetzt brauchen wir Entscheidungen und vor allem: Taten“, forderte Hansen.

Drei Klagen gegen das Kehdinger Kreuz

Es gab im vergangenen Jahr zumindest bei den Planungen Fortschritte. Der Planfeststellungsbeschluss für den Neubau des Kreuzes Kehdingen liegt vor. Er wird zwar beklagt, aber damit war zu rechnen. Das Kehdinger Kreuz ist der vorletzte Baustein, damit der Bau des neuen Elbtunnels zwischen Drochtersen und Glückstadt beginnen kann. Sowohl der niedersächsische Teil als auch der schleswig-holsteinische Teil des Tunnels sind gerichtsfest.

Der Bau darf aber erst starten, wenn auch das schleswig-holsteinische Anschlussstück des Tunnels gebaut werden darf. Das ist der siebte Bauabschnitt zwischen der Bundesstraße B431 bis zur Autobahn A23. Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat diesen Planfeststellungsbeschluss für das erste Halbjahr 2025 angekündigt. Bis zum Redaktionsschluss des Wirtschaftsmagazins Kraftzentrum lag der Planfeststellungsbeschluss aber noch nicht vor.

So sehen die Planungsabschnitte für die Küstenautobahn aus. Das Bestandsnetz zeigt, wo schon gefahren werden kann. Grafiken: DEGES

So sehen die Planungsabschnitte für die Küstenautobahn aus. Das Bestandsnetz zeigt, wo schon gefahren werden kann. Grafiken: DEGES Foto: DEGES

Allerdings gibt es bei Bad Segeberg Bewegung in Sachen A20. Der Bau der zehn Kilometer langen Umgehung der Stadt der Karl-May-Festspiele rückt in Sichtweite: Der NABU Schleswig-Holstein hat sich entschieden, keine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom März einzulegen. Der BUND plant zwar eine Klage, verzichtet jedoch auf Eilrechtsschutz und hat sich zu weiteren Gesprächen mit der DEGES und der Autobahn GmbH des Bundes bereiterklärt.

Die Umweltschutzorganisation BUND Niedersachsen wird nicht gegen das Autobahnkreuz Kehdingen in Drochtersen klagen. Trotzdem wird sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit diesem Teilstück der Autobahn, das die A26 und die A20 miteinander verbinden soll, beschäftigen. Das Gericht bestätigte drei Klagen von Privatpersonen und Unternehmen gegen das Autobahnkreuz.

Umweltverband lehnt A26 ab

„Wir sind nach wie vor kategorisch gegen die A20. Sie ist im Bundesverkehrswegeplan das Projekt, das die meiste Natur zerstört“, so Susanne Grube vom Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A20. Der Verzicht auf eine Klage ändere nichts am Widerstand gegen die umstrittene Autobahn.

Der BUND Niedersachsen klagt allerdings gegen den Bau des ersten Bauabschnitts der A20 in Niedersachsen bei Westerstede. Hier hatte die Umweltschutzorganisation vor Gericht einen wichtigen Teilerfolg errungen.

Hintergrund: Der Planfeststellungsbeschluss zum ersten Abschnitt war vom Gericht als rechtswidrig und damit nicht vollziehbar eingestuft worden. Derzeit läuft die juristische Auseinandersetzung um den Versuch der Planungsbehörde, die Fehler im Planfeststellungsbeschluss zu heilen.

Von der Grenze zu Niedersachsen bis zur A7 wird die A26 gerade gebaut. Der Bereich hinter dem Ende der Baustelle gehört zur sogenannten Hafenquerspange, der A26 Ost.

Von der Grenze zu Niedersachsen bis zur A7 wird die A26 gerade gebaut. Der Bereich hinter dem Ende der Baustelle gehört zur sogenannten Hafenquerspange, der A26 Ost. Foto: DEGES

Die Notwendigkeit, gegen das Autobahnkreuz Kehdingen zu klagen, ist aus Sicht der Gegner aber auch aus einem anderen Grund nicht so hoch wie bei anderen Bauabschnitten. Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr als Planungsbehörde hat keine sofortige Vollziehbarkeit angeordnet und den Bau des Kehdinger Kreuzes an Bedingungen geknüpft. Mit dem Bau darf erst begonnen werden, wenn auch der Elbtunnel gebaut werden darf. Er soll dazu beitragen, dass der Hamburger Elbtunnel als Teil der A7 deutlich entlastet werden soll.

Elbtunnel nach Drochtersen-Assel soll 1,5 Milliarden Euro kosten

Die Gesamtausbaukosten in Schleswig-Holstein bis Drochtersen und in Niedersachsen sollen - Stand 2021 - laut bundeseigener DEGES ungefähr 5,6 Milliarden Euro betragen. Darin enthalten sind die Kosten von über 1,5 Milliarden Euro für den 6,5 Kilometer langen Elbtunnel. Der BUND geht von mindestens sieben Milliarden Euro Baukosten aus. Aus Sicht der Landesregierung ist der Bau der Autobahn eines der Projekte, die perfekt auf die Finanzierung durch das Sondervermögen für Infrastruktur passen würden. Die Landesregierung stehe trotz der Widerstände hinter einer Realisierung der A20.

Das Kehdinger Kreuz dürfte auch gebaut werden, wenn der Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt 5a der A26 zwischen Drochtersen bis Stade vorliegt. Aufgrund des Planungsfortschritts ist die Tunnel-Variante aber die schnellste Möglichkeit, den Bau des Autobahnkreuzes zu aktivieren.

Besonderheit in Stade: Ein Damm für Autobahn und Industriegleis

Der fünfte, 15,76 Kilometer lange Abschnitt ist zweigeteilt. 5A führt von Drochtersen bis kurz vor Stade und endet an der Ausfahrt der dann verlegten Freiburger Straße. Hier beginnt das Stück 5B mit dem Trog und der Besonderheit, dass ein Damm für die Autobahn aufgeschüttet wird, auf dem auch das neue Industriegleis nach Stadersand gebaut wird. Damit entspricht man dem Wunsch der Stadt Stade, das Gleis aus dem Stadtgebiet heraus zu verlegen.

Mehr zum Stader Industriegleis

Das Teilstück 5B soll auch an die bestehende A26 angeschlossen werden. Hier läuft die Genehmigungsplanung. Bis zu einem fertigen Planfeststellungsbeschluss wird aber noch Zeit ins Land gehen. Von 2028 ist die Rede. Das Industriegleis, das die Bahnstrecke Hamburg-Cuxhaven mit dem Industriegebiet auf Bützflethersand verbindet, läuft mitten durch die Stadt.

Freie Fahrt auf der A26 nach Hamburg im Jahr 2028?

Tatsächlich gebaut wird seit 2020 an dem A26-Lückenschluss nach Hamburg und die A7. Nach mehrfacher Verlegung geht die DEGES jetzt davon aus, dass der acht Kilometer lange Abschnitt 2028 genutzt werden kann. Die DEGES ist die Abkürzung für Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH. Sie ist eine Projektmanagementgesellschaft, die im Auftrag des Bundes und von zwölf Bundesländern Verkehrsprojekte, insbesondere den Bau und die Planung von Bundesfernstraßen, realisiert. Seit dem Baustart 2003 mit dem Abschnitt zwischen Stade und Horneburg werden dann 25 Jahre vergangen sein. Laut Planfeststellung werden circa 57.000 Fahrzeuge die Autobahn auf dem neuen Teilstück Richtung Hamburg nach der Fertigstellung nutzen.

Elbtunnel-Vollsperrung am Wochenende

Eine gute Nachricht: Der achtspurige Ausbau der A7 südlich des Elbtunnels ist fast fertig. Derzeit werden noch Restarbeiten erledigt. Die Freigabe soll nach einer Vollsperrung des Elbtunnels von Freitag, 4. Juli ab 22 Uhr, bis Montag, den 7. Juli bis 5 Uhr, zwischen den Anschlussstellen Hamburg-Stellingen und Hamburg-Heimfeld erfolgen.

Das neue Autobahnkreuz Hafen Hamburg ist zudem laut DEGES so weit vorbereitet, dass die A26 West aus Richtung Buxtehude und Neu Wulmstorf kommend, ohne neue Verkehrseinschränkungen von der A7 angeschlossen werden kann. Sogar der als Auffahrt geplante Überflieger, von dem die Autos aus Richtung Landkreis Stade auf die A7 auffahren sollen, ist bis Ende 2025 fertig. Bis dort Autos fahren, werden aber noch über zwei Jahre vergehen. à S.23

Teilstück wird um 100 Millionen Euro teurer

Die Kosten für das Teilstück zwischen der Landesgrenze bei Rübke bis zur A7 werden aktuell auf 768 Millionen Euro geschätzt, was einer Steigerung von 100 Millionen Euro gegenüber früheren Schätzungen entspricht. Den Kostensprung hatte die DEGES im vergangenen Jahr kommuniziert. Aufgrund der verlängerten Bauzeit und dem schwierigen Baugrund wird der Preis für die letzten Kilometer auf dem Weg nach Hamburg nach TAGEBLATT-Informationen aber auch noch einmal steigen.

Um die A26 Ost wird seit Jahren intensiv gestritten

Das nächste umkämpfte große Straßenbauprojekt ist die A26 Ost. Diese soll als Hafenpassage die aus Niedersachsen kommende A26 West verlängern und bei Stillhorn an die A1 angeschlossen werden. Zu dem Projekt gehören eine neue Brücke über die Süderelbe und ein 1,5 Kilometer langer Lärmschutztunnel im Stadtteil Wilhelmsburg. Das Projekt wird seit 2008 geplant, 2033 soll die sogenannte Hafenpassage fertig sein. Die Kosten sollen bei etwa 2,28 Milliarden Euro inklusive Planung und Grunderwerb liegen.

Die Vorgeschichte: Seit den 1980er Jahren wurden unterschiedliche Verläufe der Trasse diskutiert. Erstmalig angedacht wurde eine Autobahn in diesem Bereich schon in den 1940er Jahren. Auch in den 1970er Jahren gab es Planungen, die auf Widerstand stießen und aufgegeben wurden. Auch in den 1980er Jahren wurde angesichts der schon damals angespannten Situation eine A252-Verlängerung als „Hafenquerspange“ diskutiert. Abermals scheiterte das Vorhaben. Diesmal soll das Projekt umgesetzt werden.

Umweltverbände klagen gegen Hafenpassage

Im März 2024 haben die Hamburger Landesverbände von BUND und NABU aber Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zur A26 Ost beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erhoben. Das Bundesverwaltungsgericht will im September 2025 die Klage verhandeln. Die Umweltverbände befürchten, dass die Autobahn wertvolle Moore und Naturflächen zerstört und die Modernisierung des Hamburger Hafens verzögert. Einen Eilantrag der Umweltverbände hat das Gericht in Leipzig allerdings abgelehnt. Damit sollten vorbereitende Maßnahmen für den Bau verhindert werden. So gibt es am Autobahnkreuz Hafen Hamburg zum Beispiel schon Sandaufschüttungen für den Bau der A26 Ost.

Die Gründe für den Bau der A26 Ost: Die Reduzierung der Lärm- und Schadstoffbelastungen und der Trennwirkungen in innerstädtischen Wohnquartieren in Hamburg. Hier geht es wie bei der A26 West um eine Entlastung der B73. Hier sind täglich 44.000 Fahrzeuge unterwegs. Es geht aber auch um eine Verbesserung der Erreichbarkeit des Hamburger Hafens und die Bündelung des Ost-West-Verkehrs.

A26-Anschlussstelle Buxtehude: Fertig, aber geschlossen

Bei allem, was in Sachen Autobahn noch nicht fertig ist, wäre es eigentlich auch eine gute Nachricht, dass die Autobahnanschlussstelle Buxtehude Mitte fertig ist. Eigentlich - tatsächlich ist hier eine Geister-Autobahnanschlussstelle entstanden, die nach allen bekannten Informationen viele Jahre nicht genutzt werden kann. Grund ist, dass es aus der Hansestadt keinen Zubringer zur fertigen Anschlussstelle gibt.

Obwohl die Rübker Straße schon seit Jahrzehnten als Weg zur Autobahn gilt, wehren sich die Anwohner und Buxtehude hat in den 1980er und 1990er Jahren genau in diesem Bereich neue Wohngebiete ausgewiesen. Zuletzt hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg die bestehenden Pläne für den Ausbau der Straße zum Autobahnzubringer zum Jahreswechsel 2023/2024 als „Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit“ eingeordnet und umfangreiche Nachbesserungen gefordert. Im Gegensatz zum Verwaltungsgericht Stade schloss das höchste niedersächsische Verwaltungsgericht den Ausbau nicht grundsätzlich aus.

„Viele Unterlagen und Untersuchungen sind zehn Jahre und älter. Damit können wir heute nicht mehr arbeiten“, sagte Stades Kreisbaurätin Madeleine Pönitz. Der Landkreis Stade ist in Doppelfunktion für Planung und Genehmigung verantwortlich. Planungen und Gerichtsverfahren dauerten zwölf Jahre. Der Kreistag hatte den Planfeststellungsbeschluss im Oktober 2017 nach sechsjährigem Verfahren abgeschlossen. Das erste Urteil des Verwaltungsgerichts Stade fiel im November 2019. Bis zur Entscheidung des OVG Lüneburg vergingen vier Jahre. Eine Öffnung der Anschlussstelle in diesem Jahrzehnt ist unwahrscheinlich. Alleine die Bauarbeiten werden drei bis vier Jahre dauern.

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