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Nahverkehr

TBahnstrecke stundenlang gesperrt: Landrat fordert Baumfällungen

Nach der Erdung der Oberleitung zersägt ein Feuerwehrmann die umgestützte Esche auf der Bahnlinie zwischen Stade und Hamburg kurz vor dem Bahnhof Agathenburg.

Nach der Erdung der Oberleitung zersägt ein Feuerwehrmann die umgestützte Esche auf der Bahnlinie zwischen Stade und Hamburg kurz vor dem Bahnhof Agathenburg. Foto: Vasel

Wieder ist ein Baum auf die Bahnlinie gefallen, Fahrgäste mussten Stunden in der S-Bahn ausharren. Jetzt fordert Landrat Kai Seefried eine Baumfällaktion - wie bereits 2018.

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Von Björn Vasel
Montag, 09.12.2024, 17:56 Uhr

Agathenburg. Der Baum war gegen 9 Uhr auf die Gleise zwischen Stade und Agathenburg gekippt. Wenige Minuten zuvor hatte ein Zug von Start Unterelbe die Stelle passiert. Die S-Bahn - unterwegs in Richtung Hamburg - streifte die entwurzelte, knapp 30 Meter lange Esche an der Spitze.

Die Bahn sei bei dem Aufprall nicht großartig beschädigt worden. Es habe lediglich eine „leichte Berührung mit dem Astwerk gegeben“, sagte Christoph Dross von der S-Bahn Hamburg. Allerdings hing der tonnenschwere Baum in der Oberleitung.

Die flach wurzelnde Esche war aufgrund der anhaltenden Nässe umgekippt - inklusive Wurzelballen. Der Baum stand im Moor östlich der Bahnstrecke. Glücklicherweise war kein Landwirt oder Fahrradfahrer auf dem Wirtschaftsweg unterwegs. Die Ortsfeuerwehren Agathenburg, Dollern und Horneburg rückten um 9.22 Uhr mit 40 Einsatzkräften aus, auch ein Notarzt und Notfallsanitäter des Deutschen Roten Kreuzes waren vor Ort.

Fahrgäste stundenlang im Zug gefangen

Der Lokführer der S-Bahn habe beim Anblick des umgestürzten Baumes umgehend eine Notbremsung eingeleitet. Bis zu 140 km/h fahren die Züge auf dieser Strecke, so Dross. „Weder Bahnmitarbeiter noch Fahrgäste“ seien bei dem Bremsmanöver verletzt worden, sagten der Notfallmanager der Deutschen Bahn AG und der Ärztliche Leiter Rettungsdienst, Dr. Wolf Rößler, dem TAGEBLATT. Die knapp 50 Fahrgäste mussten fast zwei Stunden in der S-Bahn verbringen. Der Grund: Keine Einsatzkraft durfte sich dem Zug und dem umgestürzten Baum nähern.

Rund 40 Feuerwehrleute waren im Einsatz.

Rund 40 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Foto: Vasel

Lebensgefahr: Evakuierung erst nach Bahnerdung

Fast 15.000 Volt lagen noch auf der Oberleitung. Der Fahrdraht hing aufgrund des Gewichts der Esche nur wenige Meter über dem Gleis. „Es bestand Lebensgefahr“, sagte Horneburgs Gemeindebrandmeister Torben Schulze. Erst um 10.04 Uhr meldete die Feuerwehr- und Rettungsleitstelle in Stade-Wiepenkathen über Funk, dass die Deutsche Bahn die Oberleitung abgeschaltet habe.

Bahnerdungsspezialisten der Feuerwehr in Aktion.

Bahnerdungsspezialisten der Feuerwehr in Aktion. Foto: Vasel

Doch auch nach dem Abschalten lagen noch mehrere 1000 Volt an Reststrom auf der Leitung. Der Bahnerdungstrupp aus Horneburg konnte kurz nach 10 Uhr loslegen, die Spezialisten erdeten die Oberleitung. Danach sicherten sie die Leitung mit Seilen, wenig später war der Baum bereits in mehrere Teile zersägt.

Der Baum wird zersägt.

Der Baum wird zersägt. Foto: Vasel

Anschließend wurde die S-Bahn evakuiert. Über eine Steckleiter kletterten die Fahrgäste - unterstützt von Feuerwehrleuten - aus dem Zug. Einsatzkräfte halfen ihnen über Schotter, Böschung und Graben. Unter ihnen war auch eine Frauengruppe aus Hüll.

„Wir wollten eigentlich zum Weihnachtsmarkt nach Lübeck“, sagte Diana Hilbert. Stattdessen mussten die Frauen in den KVG-Bus des Ersatzverkehrs umsteigen. Die Feuerwehr brachte die Fahrgäste mit Mannschaftstransportwagen zum Bahnhof Agathenburg. Hilbert und weitere Reisende kritisierten die ihrer Meinung nach zu spärlichen Infos der S-Bahn.

Die S-Bahn wird mit der Hilfe der Feuerwehr evakuiert.

Die S-Bahn wird mit der Hilfe der Feuerwehr evakuiert. Foto: Vasel

Trotz alledem nahmen die Kunden die Verspätung überwiegend mit stoischer Gelassenheit hin. Ein verärgerter Fahrgast trat allerdings später voller Wut gegen ein Wartehäuschen in Agathenburg. Beim Eintreffen der Polizei fehlte jede Spur von ihm, so Pressesprecher Rainer Bohmbach.

Landkreis fordert Fällung von Bäumen an der Bahn

Der Vorfall soll nicht ohne Folgen bleiben. Gegenüber dem TAGEBLATT kündigte Landrat Kai Seefried an, eine neue Initiative starten zu wollen. Sein Ziel: mehr Baumfällungen entlang der Bahnstrecke.

„Die schadhaften, nicht mehr standsicheren Bäume müssen weg“, fordert Seefried. Die Deutsche Bahn AG sei „in der Pflicht, die Strecke betriebsbereit zu halten“, sagt Kreissprecher Daniel Beneke und verweist auf die wieder steigende Zahl der Vorfälle. Der Landkreis Stade werde die Bahn und das Ministerium einschalten.

Notfallmanager im Gespräch mit Gemeindebrandmeister Torben Schulze und dem Ärztlichen Leiter Rettungsdienst, Dr. Wolf Rößler (von links).

Notfallmanager im Gespräch mit Gemeindebrandmeister Torben Schulze und dem Ärztlichen Leiter Rettungsdienst, Dr. Wolf Rößler (von links). Foto: Vasel

Bereits im Herbst 2017 hatte der Kreis Stade unter Federführung des damaligen Ersten Kreisrats Eckart Lantz mit dem damaligen Parlamentarischen Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU) im Bundesverkehrsministerium und der Deutschen Bahn den Aktionsplan Vegetation initiiert. Mehrere 1000 Bäume waren, überwiegend von der Bahn selbst, von 2018 bis 2020 an der rund 100 Kilometer langen Bahnstrecke im Rahmen eines bundesweiten Pilotprojekts gerodet worden - auf Bahngrundstücken sechs Meter beiderseits der Bahnlinie.

Blick auf den Wurzelballen der umgekippten Esche.

Blick auf den Wurzelballen der umgekippten Esche. Foto: Vasel

Die S-Bahn sieht keinen Nachholbedarf. „Diese Aktion ist sehr erfolgreich gewesen“, sagt Sprecher Dross. Die Meldungen „Baum auf Gleis“ hätten sich im Vergleich zu früher „deutlich reduziert“. Es würden weiterhin „im Standardprozess“ Vegetationskontrollen und -pflegearbeiten durchgeführt. Auch Private, Verbände und Kommunen würden im Fall der Fälle zum Fällen oder Stutzen ihrer Bäume aufgefordert.

Blick auf den umgekippten Baum.

Blick auf den umgekippten Baum. Foto: Vasel

Die Reparatur ging am Montag schnell über die Bühne. Ein Turmtriebwagen war in der Nähe. Die Bahnarbeiter konnten die Oberleitung schnell reparieren. Lediglich der Fahrdraht musste neu gezogen werden, so Dross. Die Masten seien unbeschädigt geblieben. Um 14.31 meldete die S-Bahn die Aufhebung der Streckensperrung.

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