Erst in vier Jahren ist die Bahnstrecke baumfrei

Zehn Tage sollen die Arbeiter in dem 500 Meter langen Abschnitt im Einsatz sein. Foto: Beneke
Die Pendler werden auch in den kommenden vier Jahren damit rechnen müssen, dass Bäume auf die Gleise der Bahnstrecke Harburg – Stade fallen. Am Donnerstag hat die Deutsche Bahn symbolisch an einem Geesthang in Agathenburg den Aktionsplan Vegetation fortgesetzt.
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Von Daniel Beneke und Björn Vasel
Die Pendler werden auch in den kommenden vier Jahren damit rechnen müssen, dass Bäume auf die Gleise oder Züge der Bahnstrecke Harburg – Stade fallen und den Verkehr zum Erliegen bringen. Solange wird es laut Aussage des Serviceleiters Fahrwegdienst der DB Netz, Tim Gädcke dauern, bis „wir Grund in die Vegetation an der Bahnlinie gebracht haben. Wir werden noch vier Jahre dabei sein“. Am Donnerstag hat die Deutsche Bahn AG symbolisch an einem Geesthang am Hanfberg in Agathenburg den Aktionsplan Vegetation fortgesetzt.
Zur Vorgeschichte: Bis Ende Februar 2018 hatte die Deutsche Bahn AG nach den Schäden durch die schweren Stürme bereits 1800 Bäume im Kreis Stade gefällt oder beschnitten, auch bis Ende Februar 2019 werden nun wieder mehrere Tausend Bäume gefällt. Zum Schutz der Tierwelt gilt von März bis September laut Bundesnaturschutzgesetz ein weitreichendes Baumfäll- und Gehölzschnittverbot, lediglich bei Gefahr im Verzug darf ganzjährig gefällt oder gekappt werden.
Um zu verhindern, dass ein Erdrutsch statt ein Baum in Zukunft den Bahnverkehr unterbricht, werden die Bäume an den Geesthängen nicht in einem Rutsch gefällt, sagt Bahn-Förster Nikolai Pille. In diesem Herbst werden vor allem kranke oder Bäume zweiter Ordnung nahe der Bahnstrecke gefällt – wie Birken, Erlen und Weiden. Die Buchen und Eichen sollen bis Oktober 2019 stehen bleiben, um den Hang nach der ersten Durchforstung zu sichern. Für die Fällung dieser großen Bäume seien im Herbst nächsten Jahres Sperrungen des Bahnverkehrs erforderlich, sagt Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis. Um Erdrutsche nach der Baumfällung – auf Bahngrundstücken sechs Meter beiderseits der Bahnlinie – zu verhindern, werden Holunder, Vogelbeere und Schlehe gepflanzt. Mit dieser wallheckenartigen Struktur werde die Zone sogar „ökologisch aufgewertet“. 10 000 Sträucher statt bis zu 100 Bäume pro Hektar würden zukünftig dort stehen und mehr Tierarten ein Zuhause bieten, sagt Pille.
Meyer-Lovis lobt die Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde beim Landkreis. Doch mit Anwohnern läuft es offenbar nicht so rund. Bei ihnen stößt die Abholzaktion auf Widerspruch. Waldbesitzer entlang der Bahnstrecke sehen in dem Kahlschlag eine Schwächung des Landschaftsschutzgebiets Geestrand. Dass gesunde, Jahrzehnte alte Bäume gefällt würden, ohne dass es eine adäquate Aufforstung oder Ausgleichsmaßnahmen gebe, sei fragwürdig. „Wir sind natürlich immer in einem Zwiespalt, letztlich geht die Bahnsicherheit vor“, sagt Förster Pille. „Sie fangen an einer Stelle an, wo der Bestand relativ gut ist“, wundert sich ein Anwohner. Wenige Hundert Meter weiter entfernt, waren wiederholt Pappeln auf die Gleise gefallen. Hier sei jedoch kein Forstarbeiter am Werk, monieren die Waldbesitzer.
Die Bahn hatte an der Bahnstrecke zwischen Buxtehude und Burweg jüngst 1.000 Privatgrundstücke in Augenschein genommen. 120 Privateigentümer wurden von der Bahn angeschrieben und aufgefordert, Bäume zu fällen oder einen Rückschnitt auf eigene Kosten vorzunehmen. Allein in der Samtgemeinde Horneburg werden die Gemeinden, Privateigentümer und Verbände mehrere 100 Bäume fällen müssen. Allerdings gilt für diese nur eine Abstandsvorgabe von drei Metern, die Bahn hat höhere Auflagen.
Ortstermine mit den Bahnmitarbeitern zu vereinbaren, um über den individuellen Rückschnitt zu sprechen, sei schwierig, berichten Anwohner. Die Bahn verschickte nebulöse Schreiben, in denen es hieß, dass Bäume auf bestimmten Flurstücken aus Gründen der Verkehrssicherheit entfernt werden müssten. Bei Nichtbeachtung würden straf- und zivilrechtliche Konsequenzen drohen.
Um welche Bäume es sich handelt und warum sie schadhaft sind, war den Briefen, die das TAGEBLATT einsehen konnte, nicht zu entnehmen. Unklar bleibt auch, wie die Bahn die Privatwaldbesitzer für die Eingriffe in ihre Wälder – für die Abholzaktion sind Wege und Schneisen nötig – entschädigen will. Meyer-Lovis verspricht individuelle Lösungen.
Wer nahe der Schienen sägt, muss die Bahn informieren – und die Sicherungsposten (300 Euro pro Tag und Person) zahlen. Der Forstbetrieb ist laut Bahn frei wählbar. Kostenpunkt: oft mehrere Tausend Euro. Bundesweit arbeiten 1.000 Forstexperten im Konzern, für die Inspektion der Strecken wurden 150 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt.