Klopp wird zum Schattentrainer – und heizt Spekulationen an

Seit 2015 ist er Trainer des FC Liverpool: Jürgen Klopp. Foto: Paul Terry/CSM via ZUMA Press Wire/dpa
Dieser Paukenschlag aus England schwappte schnell nach Deutschland: Jürgen Klopp verlässt im Sommer den FC Liverpool. Fortan ist er ein Kandidat beim DFB, den Bayern und dem BVB.
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Liverpool. Das Heimspiel gegen Norwich City an diesem Sonntag war bisher nur als Fußnote in der großen Geschichte des FC Liverpool vorgesehen. Ein Pokalspiel der vierten Runde, gegen einen Zweitligisten als Gast.
Doch nun steht dem Stadion an der Anfield Road ein Nachmittag bevor, der selbst nach Anfield-Maßstäben ein besonders emotionaler zu werden verspricht. Es ist das erste Heimspiel des FC Liverpool nach der Nachricht, dass der deutsche Trainer Jürgen Klopp den Club nach dieser Saison verlassen wird. Es ist das erste Heimspiel nach dem Moment, vor dem sich Millionen schockierter Fans dieses Weltclubs immer gefürchtet haben.
„Mir geht die Energie aus“, sagte Klopp in einer Videobotschaft, die der neunmalige Europapokal-Sieger und 19-malige englische Fußball-Meister Liverpool ins Internet stellte. „Ich habe im Moment kein Problem. Aber ich weiß auch, dass ich den Job nicht wieder und wieder und wieder und wieder machen kann.“
Mit ihm werden im Sommer auch seine Assistenztrainer den FC Liverpool verlassen. Der langjährige Bundesliga-Manager Jörg Schmadtke beschließt seine kurze Zeit als Sportdirektor des LFC sogar schon in der nächsten Woche nach dem Ende der Wintertransferperiode.
Klopp für Liverpool nicht „nur“ ein Trainer
Der 56 Jahre alte Klopp übernahm den FC Liverpool am 8. Oktober 2015. Er gewann mit ihm die Champions League, die Club-WM und die erste englische Meisterschaft seit 30 Jahren. Mit Klopp an der Seitenlinie zerlegten seine Reds den FC Bayern (3:1/2019), den FC Barcelona (4:0/2019) oder den Erzrivalen Manchester United (7:0/2023).
Aber Klopp war und ist für Liverpool immer mehr, als es Pep Guardiola für Manchester City oder José Mourinho einst für den FC Chelsea waren. Er ist nicht „nur“ ein Trainer, der den Stil des Clubs prägte und dessen Trophäenschrank füllte. Klopp verkörpert in den Augen vieler Liverpool-Fans genau das, wofür der gesamte Club steht: Leidenschaft, Hingabe, Weltoffenheit, Identifikation.

Klopp 2019 mit dem Champions-League-Pokal. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
„Ich liebe alles an diesem Club“, sagte er in dem Video. „Ich liebe alles an dieser Stadt. Ich liebe alles an unseren Fans. Ich liebe das Team. Ich liebe den Staff. Ich liebe alles. Dass ich diese Entscheidung immer noch treffe, zeigt, dass ich überzeugt bin, dass es die Entscheidung ist, die ich zu treffen habe.“ Selbst bei der Ankündigung seines Abschieds klang Klopp genau so, als ob er dafür geboren worden sei, genau diesen Club zu trainieren.
DFB, Real, Bayern? Klopp wird zum Schattentrainer
Klopps Abschied wirft die Frage auf: Was nun? Dazu hatte Klopp im Podcast „Hotel Matze“ im Juli gesagt: Ein Jahr Pause. Denn Urlaub habe er noch nie so richtig gehabt. Von Sommer 2025 an dürfte er sich vor Job-Angeboten kaum retten können. Das könnten die Optionen sein:
- Bundestrainer: Der Vertrag von Julian Nagelsmann beim Deutschen Fußball-Bund läuft bis nach der Heim-EM 2024. Wie es danach für ihn weitergeht, ist offen. Da 2025 kein großes Turnier ansteht, wäre es unproblematisch, wenn Klopp sich seine Auszeit gönnen würde. Womöglich könnte sein langjähriger Assistent Peter Krawietz schon die Arbeit aufnehmen und die Grundlagen für den Klopp-Fußball schaffen. Wahrscheinlichkeit: 80 Prozent.
- Rückkehr nach Dortmund: Seit dem Abgang 2015 sucht man beim BVB den Klopp-Klon. Thomas Tuchel, Peter Bosz, Peter Stöger, Marco Rose, Lucien Favre - sie alle scheiterten an der Reproduktion der erfolgreichen Zeit. In Edin Terzic glaubte man, einen langjährigen Trainer gefunden zu haben, doch zuletzt stand auch der 41-Jährige in der Kritik. Dennoch ist ein Comeback Klopps nur schwer vorstellbar. Wahrscheinlichkeit: 5 Prozent.
BVB-Trainer Edin Terzic. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
- Königlicher Kloppo: Im FC Liverpool hat Klopp einem der bedeutendsten Clubs der Welt wieder zu neuem Glanz verholfen. Was soll da nun international noch kommen? Man bleibt unweigerlich bei Real Madrid hängen. Dort hat zwar Carlo Ancelotti seinen Vertrag erst bis 2026 verlängert und den Umbruch sehr erfolgreich eingeleitet. Doch wenn Klopp zu haben ist, dürfte das auch Real-Präsident Florentino Pérez reizen. Wahrscheinlichkeit: 45 Prozent.
- Ab in die Wüste: Im Sommer kauften Clubs aus Saudi-Arabien eine Reihe von Top-Stars, schütteten sie praktisch mit Geld zu. Jürgen Klopp als Trainer wäre weltweit ein großer Sympathieträger und sicher eine gewaltige Summe wert. Doch der Schwabe wirkt nicht wie jemand, der für ein gigantisches Gehalt Dinge wie die Menschenrechtslage in dem Königreich vergessen kann. Zumal er das Geld sicherlich nicht nötig hat. Wahrscheinlichkeit: 2 Prozent.
- Lederhosen und Wiesn: Blieben noch die Bayern. Unter Trainer Thomas Tuchel sind die Münchner in der Liga derzeit nur Zweiter und schieden früh aus dem Pokal aus; auch an der Spielweise gibt es immer wieder Kritik. Wenn die Bayern die Chance auf Klopp sehen, werden sie sie möglicherweise ergreifen. Klopp selbst erzählte einmal im „The Telegraph“, dass er mehrfach schon nach München hätte gehen können, ihn dies aber nicht gereizt hätte. Womöglich ändert sich das nun. Wahrscheinlichkeit: 40 Prozent.
Reaktionen aus der Sportwelt auf die Ankündigung
Entsprechend fielen am Freitag auch die Reaktionen aus. Das sei „eine Hammermeldung“, sagte Bayern-Trainer Thomas Tuchel, der Klopp einst bei Borussia Dortmund nachfolgte und der ihn später auch als Coach des FC Chelsea herausforderte. „Das muss ich erstmal verdauen. Kloppo ist einer der allerallerallerbesten Trainer auf der Welt.“
Auch der Amerikaner Mike Gordon sagte als Präsident der Fenway Sports Group, der der FC Liverpool gehört: „Es versteht sich von selbst, dass wir sehr traurig sein werden, nicht nur einen Trainer dieses Kalibers zu verlieren, sondern auch eine Person und Führungskraft, für die wir enormen Respekt, Dankbarkeit und Zuneigung empfinden.“
Bei genauem Hinsehen ist die Ankündigung von Klopps Abschied aber weder überraschend noch unpassend gewählt. Der Trainer eines englischen Spitzenteams hat mehr Wettbewerbe zu bestreiten und club-interne Verantwortung zu tragen als jeder Kollege in der deutschen Bundesliga. Und abgesehen von einer viermonatigen Pause zwischen seinem letzten Spiel mit Borussia Dortmund und seinem ersten beim FC Liverpool zieht Klopp diesen Trainerjob nun schon seit 21 Jahren ununterbrochen durch.
In Liverpool baute er vor dieser Saison noch einmal ein neues Team auf, in dem junge Kräfte wie der Weltmeister Alexis Mac Allister oder der Ex-Leipziger Dominik Szoboszlai langjährige Gesichter wie Jordan Henderson oder Roberto Firmino ersetzen. Und diese Maßnahme ging bislang so gut auf, dass Klopp nun als Tabellenführer der Premier League und Finalist des Ligapokals in seine letzten Monate in Liverpool gehen wird. Den tradistionsreichen FA-Cup und die Europa League kann er mit seinem neuformierten Team auch noch gewinnen.
Wer wird Klopp an der Anfield Road beerben?
Wer auch immer ihm an der Anfield Road folgen wird, ist gewarnt: In Dortmund scheiterten selbst Toptrainer wie Tuchel oder Lucien Favre, auch weil sie stets an dem Menschenfänger Klopp gemessen wurden. Der Ex-Liverpooler Xabi Alonso (Bayer Leverkusen), Clublegende Steven Gerrard (Al-Ettifaq) oder der deutschen Bundestrainer Julian Nagelsmann: Das ist die Kategorie, die sich die Fans des Clubs jetzt als Klopp-Nachfolger vorstellen. „Ich weiß nicht, was in der Zukunft ist, aber ich bin am richtigen Ort“, sagte Alonso am Freitag dazu.

Mit Bayer Leverkusen Tabellenführer: Trainer Xabi Alonso. Foto: David Inderlied/dpa
Und der zweimalige Welttrainer des Jahres selbst? Einen anderen Club als Liverpool will Klopp in der englischen Premier League nicht mehr trainieren. Und ob die deutsche Nationalmannschaft als vergleichsweise stressfreie Alternative ab dem Sommer infrage kommt, hängt mindestens von ihm, vom Verlauf der Heim-EM und der Zukunft des aktuellen Bundestrainers Nagelsmann ab. Neu ist seit Freitag aber schon: Sollte Klopp im Juli einen Anruf des DFB bekommen, wäre er zum ersten Mal seit Jahren wieder frei.