Mindestens 44 Tote: Hongkong trauert um Großbrand-Opfer
Auch fast 20 Stunden nach Ausbruch des Feuers kämpften die Einsatzkräfte noch gegen Flammen. Foto: Vernon Yuen/Nexpher via ZUMA Press Wire/dpa
Flammen schlagen aus den Hochhäusern, Angehörige suchen verzweifelt nach Vermissten. Die Polizei meldet Festnahmen. Es ist Hongkongs Brand mit den meisten Opfern seit Jahrzehnten.
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Hongkong. Während im Hintergrund die Hochhaustürme brennen, sich Rauchschwaden über den Hongkonger Stadtteil Tai Po legen und immer wieder glühende Bauteile herabfallen, blickt eine völlig aufgelöste Frau auf das Inferno. „Meine ganze Familie ist dort drinnen. Ich erreiche sie nicht am Telefon. Ich habe große Angst, dass sie ohnmächtig geworden sind“, sagt sie mit brüchiger Stimme.
Eine andere Anwohnerin versucht, die Frau etwas zu beruhigen, doch auch sie gibt in einem Beitrag des Hongkonger Lokalfernsehens TVB zu verstehen, dass ihre Angehörigen ebenfalls noch vermisst werden.
Höchster Alarmstufe
Das Feuer brach am Mittwochnachmittag (Ortszeit) im Hochhauskomplex Wang Fuk Court aus, der aus acht Blöcken mit je mehr als 30 Stockwerken und über 1.900 Wohnungen besteht. Die Flammen griffen rasch auf weitere Türme der Hochhaus-Siedlung über, die wegen umfangreicher Renovierungsarbeiten vollständig in Bambusgerüste und Schutznetze gehüllt waren. Am frühen Abend rief die Feuerwehr schließlich die höchste Alarmstufe fünf aus.

Die dramatischen Aufnahmen des Großbrandes gingen um die Welt. Foto: Vernon Yuen/Nexpher via ZUMA Press Wire/dpa
Bis zum Morgen danach bestätigen die Behörden mindestens 44 Tote und 279 Vermisste. Noch immer steigt zu diesem Zeitpunkt dichter Rauch aus den Hochhäusern auf, die Feuerwehr ist weiterhin im Großeinsatz. Der Brand gilt als das Feuer mit den meisten Opfern in Hongkong seit Jahrzehnten.
Schwierige Rettungs- und Löscharbeiten
Eine Tragödie ist es vor allem für die Angehörigen. In Videos sind völlig verzweifelte Menschen zu sehen, die mit selbst gebastelten Namensschildern durch die Straßen laufen, in der Hoffnung, dass jemand die Namen kennt und Entwarnung geben kann, weil er ihre Angehörigen gesehen hat. Ein Mann berichtet, er stehe noch über das Handy mit seiner eingeschlossenen Frau in Kontakt. Sie habe versucht, über das Treppenhaus zu fliehen, sei jedoch in einem völlig verqualmten, stockdunklen Gang zum Rückzug gezwungen gewesen.

Hunderte Menschen musste in Notunterkünften Unterschlupf suchen. Foto: Chan Long Hei/AP/dpa
Die Bedingungen im Inneren der Türme seien äußerst schwierig, teilte die Feuerwehr mit. Die Einsatzkräfte mussten sich Stockwerk für Stockwerk nach oben arbeiten, während weiterhin Hilferufe aus Wohnungen eingingen, die sie noch nicht erreicht hatten. Ein Feuerwehrmann kam im Einsatz ums Leben.
Mitarbeiter von Baufirma festgenommen
In den frühen Morgenstunden nahm die Polizei drei Männer fest - zwei Direktoren und einen technischen Berater eines Bauunternehmens. Ihnen wird grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen, die die schnelle Ausbreitung des Feuers und die schweren Folgen mitverursacht haben könnten, wie die „South China Morning Post“ berichtet.

Die Flammen hatten sich über das Bambusgerüst rasant ausgebreitet. Foto: Chen Duo/XinHua/dpa
Demnach könnten die bei den Renovierungsarbeiten verwendeten Abdeck- und Dämmmaterialien möglicherweise nicht den geltenden Brandschutzstandards entsprochen haben. Die Feuerwehr hatte zudem Styropor im Inneren der Gebäude entdeckt, das die Ausbreitung der Flammen innerhalb der Blöcke beschleunigt und weitere Wohnungen über die Flure hinweg entzündet haben könnte.