Rassismus-Vorwürfe gegen Starchoreograf John Neumeier
John Neumeier ist seit 1973 Ballettdirektor und Chefchoreograf des Hamburg Ballett. Foto: dpa
Das Königliche Ballett in Kopenhagen hat die Zusammenarbeit mit dem Hamburger auf unbestimmte Zeit pausiert. Hintergrund ist ein Streit über Neumeiers „Othello“-Fassung.
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Eine geplante Aufführung hatte das Ballett nach Kritik von Tänzerinnen und Tänzern an rassistischen Stereotypen aus dem Programm genommen. Stattdessen zeigt das Haus seit Anfang November Neumeiers „Sommernachtstraum“.
Nach Angaben von Ballettchef Nikolaj Hübbe ging es vor allem um die Darstellung Othellos in einer Szene, die sich Desdemona im Traum vorstellt, und in der Othello einen afrikanischen Jagdtanz aufführt.
Was John Neumeier zu den Rassismus-Vorwürfen sagt
Neumeier, der seit 1973 Ballettdirektor und Chefchoreograf des Hamburg Ballett ist, schrieb in einer Mail an die Deutsche Presse-Agentur am Mittwochabend, er habe vor der Probe am Premierentag des „Sommernachtstraums“ versucht, „zum ersten Mal offen und ehrlich meine Meinung zu der Entscheidung der Kompanie zu erklären, mein Ballett "Othello" abzusagen“. Dabei habe er sein Konzept verteidigt.
„Ich habe gesagt, dass ich, obwohl ich Einwände dagegen verstehen kann, den Körper eines Tänzers anzumalen, um in eine Rolle zu schlüpfen, nicht daran glaube, Choreografien wegen der negativen Fehlinterpretation eines Einzelnen zu zensieren“, schrieb Neumeier. „Ich habe mein Konzept und den dramaturgischen Zweck des ,Wilden Kriegers' im Kontext des Balletts erläutert und meine Recherchen zu den afrikanischen Jagdtänzen, die ich für die Gestaltung dieser Rolle verwendet habe, beschrieben und physisch demonstriert.“
Das habe anscheinend zu dem Bruch geführt, obwohl die Probe seiner Einschätzung nach anschließend harmonisch verlaufen sei. Am vergangenen Mittwoch habe ihn das Ballett in einer Mail informiert, dass das Königliche Ballett nicht zur Feier seines 50-jährigen Jubiläums beim Hamburger Ballett komme, und dass sein Ballett zu Mahlers 3. Symphonie im kommenden Herbst nicht in Kopenhagen wiederaufgeführt werde. „Leider scheint meine lange, harmonische, fruchtbare und freundschaftliche Beziehung zum Ballett, die 60 Jahre zurückreicht, für den Moment beendet zu sein“, hieß es.
Tänzer klagen über „Othello“-Fassung in Kopenhagen
Ein Sprecher des Kopenhagener Balletts begründete die Pause in einer E-Mail an dpa am Mittwochabend mit „einem unterschiedlichen Blick darauf, wie die Zusammenarbeit aussehen soll“. Mediendarstellungen, dass die Zusammenarbeit ganz beendet sein soll, widersprach er.
Ballettchef Nikolaj Hübbe sagte in der Dokumentation „Der Tanz mit Rassismus“ im dänischen Fernsehen, er halte Neumeiers „Othello“ nicht für rassistisch. „Aber ich kann gut verstehen, dass die Generation (der Tänzerinnen und Tänzer) das findet.“ Das müsse er respektieren. „Mir gefällt es nicht, junge Tänzer auf die Bühne zu schicken, die sich in einer Rolle unwohl fühlen.“ (dpa)