TSchafe gerissen: Wie geht es nach dem Wolfsangriff im Alten Land weiter?

Die Schafe haben eine zentrale Aufgabe beim Küsten- und Hochwasserschutz. Foto: Vasel
Gewarnt hat der Deichverband der Zweiten Meile im Alten Land davor seit Jahren, jetzt ist es passiert: Zum Start der Weidesaison gab es den ersten Wolfsangriff auf Schafe im Küstenschutzeinsatz. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.
Landkreis. Auf Hahnöfersand sind zwei Schafe gerissen, acht weitere Tiere teils schwer verletzt worden. Eines der Tiere musste eingeschläfert werden. Im Alten Land war es der erste Angriff dieser Art. Und er befeuert die Debatte um die Unvereinbarkeit von Küstenschutz und Wölfen in Deichregionen. Fragen und Antworten dazu.
Wieso sind die Schafe für den Küstenschutz wichtig?
Die Schafe halten die Grasnarbe auf den Deichen kurz und verdichten mit ihren Huftritten den Boden. Löcher von Wühlmäusen und Maulwürfen werden gestopft. Schafe sorgen mit ihrem kurzen Biss dafür, dass das Gras auf dem Deich stark verwurzelt.
Woher kam jetzt der Wolf im Alten Land?
Es gab in den vergangenen Wochen wiederholt Wolfssichtungen in Jork. Dafür gibt es mehrere Bestätigungen. Es könnte sich um verschiedene Wanderwölfe handeln, die sich in einer Altersspanne von 10 bis 22 Monaten auf die Suche nach einem neuen Revier und einem Partner begeben.
Dabei legen sie weite Entfernungen zurück. Den Rekord hält ein Wolf aus Niedersachsen: Er legte 1190 Kilometer bis in die Pyrenäen zurück. Sollte es sich bei den Sichtungen um dasselbe Tier handeln, könnte es im Alten Land einen residenten Einzelwolf geben.
Im Landkreis Stade gibt es bestätigte Wolfsrudel in den Regionen Drochtersen und Oldendorf. Ein drittes im Bereich Harsefeld ist sehr wahrscheinlich.
Wie können Deich-Schafe geschützt werden?
Zum Schutz der Schafe setzen Schäfer mobile Elektronetzzäune ein, die sie zum weiteren Abgrasen im nächsten Abschnitt umstellen. Diese Hüte-Methode ist in Niedersachsen anerkannter wolfsabweisender Schutz.
Die Herde auf Hahnöfersand war mit einem mobilen Flechtzaun von 1,06 Metern Höhe und 3000 Volt Strom gesichert. Das Land hat dessen Anschaffung bezahlt.
Ein Problem ist, dass bei Tidegewässern die Seite zum Fluss und zum Meer nicht eingezäunt werden darf. Da Wölfe gute Schwimmer sind, ist das eine Schwachstelle. Feste Pfähle zur Wasserseite lehnt Wilhelm Ulferts, Oberdeichrichter der Zweiten Meile Alten Landes, ab.
Pfähle können zu Rissbildung führen und bei Sturmflut die Deichsicherheit gefährden. „Der beste Schutz ist Abstand zwischen Wolf und Deich“, sagt Ulferts. Er fordert wolfsfreie Zonen von 30 bis 50 Kilometern Abstand.
Was sagt der Experte zum Schafsschutz?
Professor Klaus Hackländer ist einer der führenden Experten zum Wolf im deutschsprachigen Raum, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung und Leiter des Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien.
„Technisch sind Schafe auf dem Deich faktisch nicht zu schützen“, sagt Hackländer. Herdenschutzhunde seien in touristisch genutzten Regionen wie dem Alten Land nicht risikofrei einzusetzen.
„Für den günstigen Erhaltungszustand des Wolfs brauchen wir ihn nicht überall“, so Hackländer. In Städten oder auch an Deichen könne es wolfsfreie Zonen geben, ohne den Wolfsbestand zu gefährden.
Beispiele dafür gebe es auch innerhalb der EU: In Finnland ist der Wolf im Süden streng geschützt, im Norden darf er zum Schutz der Rentierzucht bejagt werden.
Wie können wolfsfreie Zonen durchgesetzt werden?
Um das im Bereich der Deiche umzusetzen, müsste es eine Kombination aus Bejagung des Wolfs und Herdenschutz geben. „Wir werden uns an Wolfsrisse, auch am Deich, gewöhnen müssen“, sagt Hackländer.
Er nennt zwei Thesen zum grundsätzlichen Umgang mit dem Wolf. „Es gibt Möglichkeiten, die Deiche auch maschinell zu pflegen. Dann braucht es weniger Schafe“, sagt er. Der Experte fordert außerdem ein grundsätzliches Umdenken: „Wir müssen uns an den Ländern orientieren, in denen der Wolf nie ausgerottet wurde“, sagt er.
Dort würden Wölfe, die sich zum Beispiel Siedlungen annäherten, geschossen. Es blieben die Tiere übrig, die scheu seien. „Das nennt man dann Selektion.“ Der Wolf kehre in eine Kulturlandschaft zurück, und hier habe der Mensch Vorrang.
Wie geht es jetzt weiter?
„Mehrfach und mit Nachdruck habe ich in der Vergangenheit auf die Bedeutung des Küstenschutzes und die damit verbundene Notwendigkeit der sicheren Bewirtschaftung mit Schafen hingewiesen“, sagt der Stader Landrat Kai Seefried (CDU).
„Jetzt hat es einen Schäfer und einen Deichverband an der Elbe und damit den wichtigsten Bereich im Hinblick auf den Küstenschutz und die Sicherheit für unsere Region getroffen.“
Am 25. September 2023 hatte der Stader Kreistag in einer Resolution ein regionales Wolfs-Bestandsmanagement gefordert. Im Oktober hat die Umweltministerkonferenz Erleichterungen zum Jahresanfang angekündigt.
Die Veröffentlichung der dazu nötigen Verordnung steht aus. Gemeinsam mit anderen Landräten hatte Seefried deshalb um ein Gespräch mit Umweltminister Christian Meyer gebeten. Ein Termin war vereinbart, wurde aber seitens des Ministeriums abgesagt, heißt es aus dem Kreishaus.