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Neues Gesetz

TStade und die CO2-Speicherung: Ein umstrittener Hoffnungsträger

Bekommt Stade eine Pipeline und ein CO2-Terminal? Mit dieser Grafik veranschaulicht das Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, wie CO2 transportiert und in der Nordsee gespeichert wird.

Bekommt Stade eine Pipeline und ein CO2-Terminal? Mit dieser Grafik veranschaulicht das Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, wie CO2 transportiert und in der Nordsee gespeichert wird. Foto: CDRmare /Rita Erven

Die Bundesregierung will das Speichern von klimaschädlichem CO2 tief unter der Nordsee erlauben. Was die möglichen Folgen für Stade sind.

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Von Anping Richter
Montag, 29.09.2025, 05:50 Uhr

Landkreis. Statt es in die Atmosphäre zu blasen, könnte die Industrie klimaschädliches CO2 künftig abscheiden und per Pipeline abtransportieren - zum Beispiel nach Stade.

In Bützflethersand könnte ein Export-Terminal mit einer Kapazität von bis zu fünf Millionen Tonnen entstehen, wo CO2 beispielsweise verflüssigt nach Norwegen verschifft und schließlich in einen Endspeicher 2000 Meter tief unter der Nordsee befördert wird.

CO2-Exporthafen Stade: Synergien mit LNG-Terminal

Dieses Zukunftsszenario für den Einsatz von Kohlendioxid-Speichertechnologie (CCS / Carbon Dioxide Capture Storage) dürfte regionalen Insidern aus Wirtschaft und Politik bekannt vorkommen: Es stammt aus einer Machbarkeitsstudie von 2024, die im Auftrag von Energie-, Zement- und Chemieunternehmen erstellt und durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wurde. Zu den Auftraggebern gehört auch Dow, wohl auch, weil sich am Standort Stade Synergien mit dem geplanten LNG-Terminal ergeben würden.

Bisher war es in Deutschland nicht erlaubt, CO2-Emissionen abzuscheiden und zu speichern. Doch das soll sich durch eine Novelle des Gesetzes zur CO2-Speicherung ändern. Am Freitag wurde der Entwurf zum ersten Mal im Bundesrat behandelt. Die Initiative dazu geht auf Robert Habeck (Grüne) zurück. Seine Begründung: „Sonst sind die Klimaziele unmöglich zu erreichen.“ Bis 2045 soll Deutschland schließlich bei Null ankommen.

BUND: Freifahrtschein für fossile Brennstoffe

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Niedersachsen sieht das trotzdem kritisch und hatte Landesumweltminister Christian Meyer (Grüne) aufgefordert, den Gesetzentwurf abzulehnen. Die BUND-Landesvorsitzende Susanne Gerstner bezeichnet ihn als „Freifahrtschein für die breite Nutzung fossiler Brennstoffe“. CO2-Endlager und -infrastruktur in der Nordsee könnten Meeresumwelt und Wattenmeer gefährden. Zudem stünde CCS in direkter Konkurrenz zum Ausbau der Offshore-Windenergie.

Im Grundsatz stimmte Meyer dem Gesetzentwurf aber zu. Die Speicherung und Nutzung von CO2 sei „als ergänzende Maßnahme zur Erreichung der Klimaziele notwendig“, sagte er im Bundesrat. Allerdings wolle Niedersachsen „kein fossiles „Weiter-so“. CCS dürfe den Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht untergraben, und der Schutz des Weltnaturerbes Wattenmeer dürfe dadurch nicht in Frage gestellt werden. Im Detail wird über das Gesetz weiter beraten.

Bundesländer entscheiden mit

Auch eine unterirdische Speicherung an Land wäre möglich. Ob sie zum kommerziellen Einsatz im industriellen Maßstab erlaubt wird, sollen aber die Bundesländer jeweils für ihr Gebiet entscheiden. Umweltminister Meyer sagte, das werde „wahrscheinlich kein Bundesland“ zulassen. Doch die CDU Niedersachsen zeigt sich dafür offen.

Wer die unterirdische Speicherung von CO2 blockiere, gefährde Arbeitsplätze, Investitionen und Wohlstand in Niedersachsen, sagt Sebastian Lechner, der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion: „Das ist keine Klimapolitik - das ist Standortgefährdung.“ Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) habe längst geeignete Speicherstätten in Niedersachsen identifiziert. Eine Speicherung in ausgesolten Salzkavernen wie in Stade hält das LBEG allerdings für unwirtschaftlich.

375-Kilometer-Pipeline von Leuna nach Stade

Die Machbarkeitsstudie hat Stade mit dem Dow-Chemical-Standort als möglichen Kandidaten für ein CO2-Exportterminal identifiziert. Für den Transport von CO2 in großen Mengen seien Pipelines auf jeden Fall nötig. Ein Trassenentwurf zeigt eine 375 Kilometer lange Pipeline von Mitteldeutschland (nahe Leuna) nach Stade.

Auch andere Standorte in Niedersachsen setzen auf den umstrittenen Hoffnungsträger CO2-Speicherung. Ein Projekt in Wilhelmshaven steht in den Startlöchern. Dort will der Gas- und Ölkonzern Wintershall Dea mit dem ansässigen Tank-Terminal-Betreiber HES einen CO2-Hub, also eine Art Drehscheibe, errichten.

In Stade ist noch eine weitere Möglichkeit Thema: CO2 kann auch abgeschieden und direkt in Prozessen genutzt werden. Die Methode nennt sich CCU (Carbon Capture and Utilization). Hansekraft möchte in Bützfleth ein Altholzkraftwerk bauen, wobei CO2 als Nebenprodukt anfallen würde.

Nach eigenen Angaben ist die Firma in Gesprächen mit der lokalen Industrie, um Nutzungspotenziale für mittels CO2-Wäsche gewonnenes, verflüssigtes CO2 zu prüfen. „Sollten Synergien geschaffen werden können und die regulatorischen Weichen gestellt werden, können wir unsere Anlage mit negativen Emissionen betreiben“, kündigt Hansekraft an.

Hohe Investitionen notwendig

CCS und CCU erfordern hohe Investitionen, doch sie könnten sich auszahlen: Laut Beispielrechnung in der Machbarkeitsstudie würden Abscheidung und Transport des CO2 bis Stade gut 100 Euro pro Tonne kosten, der Endpreis inklusive Speicherung unter dem Meer wird auf 130 bis 230 Euro geschätzt. Experten rechnen damit, dass die Kosten für CO2-Emissionen in Europa schon in wenigen Jahren höher liegen dürften.

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