TVon der Bahn bis zum Müllwagen: Die Zukunft des Wasserstoffs in der Region

Jules Verne würde diese Bahn lieben: EVB-Wasserstoffzug in Buxtehude. Foto: Björn Vasel
Für manche ist Wasserstoff die Hoffnung, für andere nur der teure Champagner der Energiewende. Der Experte Dr. Roland Hamelmann sieht realistische Einsatzmöglichkeiten - gerade im Kreis Stade.
Landkreis. Der Science-Fiction-Autor Jules Verne wusste schon vor 150 Jahren, dass die fossilen Energiequellen eines Tages erschöpft sein würden. „Das Wasser ist die Kohle der Zukunft“, sagte er und beschrieb, wie aus Wasser durch Elektrolyse Wasserstoff gewonnen und als Treibstoff verwendet werden kann.
Heute ist die Zukunft längst da, sagt Dr. Roland Hamelmann vom Regionalmanagement des Wasserstoffnetzwerks Nordostniedersachsen (H2NON): „Gehen Sie doch einfach mal zum Buxtehuder Bahnhof und steigen in den Wasserstoffzug nach Bremervörde.“
Jules Verne würde diesen Zug lieben
Seit der Weltpremiere des EVB-Wasserstoffzugs im Jahr 2022 gab es einmal, im September 2024, kurz einen Lieferengpass wegen eines Unfalls in einer Chemiefabrik. Ansonsten läuft es geräuschlos. Selbstverständlich ist das nicht: Im Taunus wurde ein Projekt wegen störungsanfälliger Technik vorerst wieder eingestellt, und der allererste Wasserstoffzug Bayerns pendelt erst seit Dezember zwischen Augsburg und Füssen.
Eine Region mit Wasserstoff-Standortvorteil
Für die noch junge Wasserstoffwirtschaft hat Nordostniedersachsen einige Standortvorteile: die vielen Windkraft- und Biogasanlagen, den Chemiepark in Bützfleth, die Airbus-Standorte, die Forschungszentren, die Salzkavernen-Gasspeicher. Die Region will das optimal nutzen und fördern: mit Netzwerken wie dem H2NON, einem Zusammenschluss von elf Landkreisen, oder mit dem Innovationszentrum Wasserstoff in der Luft- und Schifffahrt in Stade, das zuerst unter dem Kürzel ITZ Nord firmierte und jetzt Hanseatic Hydrogen Center for Aviation and Maritime, kurz H2AM, genannt wird.
Zukunftstechnologie
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„Bei Dow in Stade wird Wasserstoff ja von jeher automatisch als Koppelprodukt bei der Chlor-Elektrolyse erzeugt“, erklärt Roland Hamelmann, der nicht nur Brennstoffzellen-Experte, sondern auch Diplom-Chemieingenieur ist. Aktuell ist Dow der größte Wasserstoff-Produzent Europas.
Containerschiffe als Wasserstoff-Dampfer
Mit CO2, das bei vielen Prozessen abfällt, kann Wasserstoff zu Methanol werden - und das ist als Treibstoff begehrt. Es kann übrigens auch aus Biogas gewonnen werden. „Maersk lässt damit schon Containerschiffe fahren“, berichtet Hamelmann.
Als grün gilt Wasserstoff, wenn er mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Grüner Wasserstoff wird oft „der Champagner der Energiewende“ genannt, weil seine Erzeugung teuer erscheint. Wenn Strom eingesetzt werde, um Wasserstoff zu erzeugen, gebe es einen Wirkungsgradverlust, erklärt Hamelmann. Oft sei es günstiger, den Strom direkt zu verwenden. Doch je mehr Energie benötigt wird und je länger der Weg zur nächsten Ladestation ist, desto eher lohnt sich Wasserstoff als Treibstoff.
Wo sich Wasserstoff als Treibstoff lohnt
Es gibt Bereiche, für die grüner Wasserstoff derzeit die beste klimaneutrale Idee ist: Stahl- und Chemieindustrie, Luftfahrt, Schiffsverkehr. In Hamburg fahren die ersten Müllwagen mit Wasserstoff. Das ist sinnvoll, sagt der Experte: „Hydraulik braucht viel Energie.“
Wasserstoff ist leicht, weshalb er auch als Treibstoff für Raketen verwendet wird. Doch die Tanktechnik und Kühlung sind anspruchsvoll. Airbus wollte eigentlich 2035 den ersten klimaneutralen Flieger in Dienst stellen, kündigte jetzt aber an, dass die Entwicklung länger dauern wird. Für Drohnen, die zur Überwachung der Nordsee eingesetzt werden, wäre Wasserstoff auch eine Option, sagt Dr. Hamelmann. Am Offshore-Drohnen-Campus Cuxhaven wird zurzeit gerade daran getüftelt, was am sinnvollsten ist: Brennstoffzelle, Akku oder Verbrenner.
Die KVG spielte anfangs mit dem Gedanken, Brennstoffzellenbusse zu nutzen und entschied sich dann doch für Batterien. Voll aufgeladen schaffen sie locker 250 Kilometer - das reicht. Doch in Cuxhaven fahren drei Brennstoffzellenbusse und auch die Hamburger Hochbahn hat jetzt den ersten im Fahrgastbetrieb. Mit einer Wasserstoffbetankung legen sie 350 Kilometer zurück.
„Bei Roller, Fahrrad und Auto ist es effizient und unproblematisch, Strom direkt zu nutzen. Je schwerer die Fahrzeuge und je länger die Strecken, desto eher kommt Wasserstoff infrage“, erklärt Roland Hamelmann.
Ziel der Bundesrepublik ist es, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Niedersachsen will das sogar schon bis 2040. Hamelmann schließt nicht aus, dass politische Prozesse diese Zielzahlen ein wenig verschieben. Erdöl oder Erdgas scheinen zwar immer noch billiger. Doch im Grundsatz sei die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten: „Die Folgen der Klimaerwärmung werden immer sichtbarer. Auch die Bewohner der betroffenen Regionen werden uns nicht vergessen lassen, weshalb wir uns dieses Ziel gesetzt haben.“ Er denke zum Beispiel an Norddeutsche, die vor steigenden Pegelständen zittern, während die Deiche in Zeitlupe erhöht werden.
Die Autobahn des Wasserstoffs kommt
Und woher soll der ganze grüne Wasserstoff kommen? Norddeutsche Windkraft wird dafür nicht reichen. Ohne Importe aus Afrika oder Südamerika wird es nicht gehen. Doch das habe auch sein Gutes, sagt Hamelmann: „Die Abhängigkeit wird globalisiert. Wir sind nicht mehr so leicht erpressbar.“ Es werde noch etwas dauern, bis die nötige verlässliche Tank-Infrastruktur existiert und 40-Tonner mit Wasserstoff fahren. Ein großer Schritt dahin ist aber getan: Im Januar war Baustart für das Wasserstoff-Kernnetz, an dem Niedersachsen mit rund 1800 Kilometern Leitungslänge beteiligt ist. Hamelmann sagt: „Das ist die Autobahn für Wasserstoff. Später kommen Bundesstraßen, Landstraßen und Gemeindestraßen dazu.“

Jules Verne würde diese Bahn lieben: Wasserstoffzug der EVB.