TBahn-Odyssee: Krankheitsfall koppelt den Landkreis Stade von Hamburg ab

Ein S-Bahn-Waggon steht und fährt nicht weiter. Diese Situation kennen viele Pendler. Foto: Thomas Sulzyc
Es klingt wie ein schlechter Scherz: Weil ein Bahnmitarbeiter ausfiel, fuhren stundenlang keine S-Bahnen in den Kreis Stade. Was ist da los?
Buxtehude. „Die mangelnde Zuverlässigkeit auf der Bahnstrecke zwischen Hamburg und Cuxhaven ist den Kundinnen und Kunden nicht mehr vermittelbar“, sagt Landrat Kai Seefried (CDU). Diese Erkenntnis ist nicht ganz neu. Seit Monaten häufen sich aber die Störungen so massiv, dass es dem Stader Landrat jetzt reicht.
Bahndebakel: Sechs Stunden fahren keine Züge
Neu ist, dass die Deutsche Bahn aufgrund eines Krankheitsfalls die ganze Region von Neugraben bis nach Cuxhaven komplett vom Gleis genommen hat. Wie berichtet, konnten am vorletzten Samstag für sechs Stunden ab Neugraben keine Züge fahren. S-Bahn, die Regionalzüge von Start Unterelbe und alle Gütertransporte auf der Schiene waren betroffen.

Landrat Kai Seefried brauchte nach dem Stellwerksausfall in Neugraben selbst fünf Stunden von Hamburg nach Stade. Foto: Klempow
Der Grund: Im Stellwerk Neugraben steuert und überwacht am Wochenende pro Schicht nur ein Mitarbeiter den Zugverkehr. Und dieser eine Mitarbeiter fehlte krankheitsbedingt. Die DB fand für die Besetzung der zentralen Position in der Schienen-Infrastruktur in der Süderelbe-Region keinen Ersatz.
Ein fehlender Mitarbeiter koppelt die ganze Region ab
„In jedem einzelnen Fall versuchen wir, Ersatz für erkrankte Zugverkehrssteuernde zu finden, um die Auswirkungen kurzfristiger Personalausfälle auf ein Minimum zu begrenzen“, sagt eine Sprecherin der Deutschen Bahn auf TAGEBLATT-Nachfrage. Zugverkehrssteuernde steht neudeutsch für Fahrdienstleiter.
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Bei den Mitarbeitenden in den Stellwerken handele es sich um hochspezialisierte Fachkräfte, die kurzfristig nur schwer ersetzbar seien, so die DB. Sie müssten für die jeweilige Stellwerkstechnik ausgebildet sein und für die örtlichen Gegebenheiten eingearbeitet werden. Zugverkehrssteuernde könnten nicht einfach von einem Stellwerk auf ein anderes wechseln.
Bahn-Pendler stranden ohne Informationen
Seefried kritisiert auch die Kommunikation: „Viele Nutzerinnen und Nutzer wissen oft nicht, warum und wie lange sie unterwegs stranden – und ob und wo der Schienenersatzverkehr abfährt“, so der Landrat, der mit seiner Familie beim jüngsten Vorfall selbst auf dem Rückweg aus Hamburg in Neugraben strandete.

Anfang April eröffnete Landrat Kai Seefried (Mitte) die Saison des Elbe-Radwanderbusses. Diesen musste er jüngst nehmen, um nach Hause zu kommen, weil die S-Bahn nicht fuhr. Foto: Klempow (Archiv)
„Ob im HVV-Aufsichtsrat oder im direkten Kontakt mit der S-Bahn-Geschäftsführung: Es gibt kein Gremium, bei dem Vertreterinnen und Vertreter des Landkreises Stade nicht die Probleme ansprechen und Verbesserungen einfordern. Aber wir spüren zusehends, dass wir hier an unsere Grenzen geraten“, sagt Seefried.
Öffentliche Infrastruktur über Jahrzehnte kaputtgespart
Die Bahn hatte beim vergangenen Bahngipfel der Landtagsabgeordneten Birgit Butter aus Buxtehude erstmals eingeräumt, dass die Technik auf der Trasse Hamburg - Cuxhaven marode ist. Immer wieder fallen Züge aus, gibt es Verspätungen oder die Verbindung wird ganz gekappt, weil ein Stück Technik versagt.
Insbesondere das Problem mit der Gleistechnik zeige, wie sehr die öffentliche Infrastruktur über Jahre und Jahrzehnte kaputtgespart worden sei, sagt Seefried. Dabei sei die Bahnverbindung ein wichtiger Standortfaktor. Tausende Menschen pendeln täglich nach Hamburg – eine beachtliche Zahl aber auch in den Landkreis Stade.
„Wir haben schon Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren, die das tägliche Drama mit der Bahn leid waren“, sagt Seefried. So werde die Verkehrswende nicht gelingen, die Bahn sei derzeit keine adäquate Alternative zum Auto.
Fünf Stunden Odyssee: Frust der Bahnnutzer ist groß
Ob es um die Fällung von Bäumen oder die Schließung von Bahnübergängen geht – „wenn wir als Kreisverwaltung unterstützen können, stehen wir gerne für Gespräche bereit“, sagt der Landrat.
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Am vergangenen Sonnabend erlebte Seefried den Frust der Fahrgäste, die hilflos zurückgelassen werden, hautnah. Zahlreiche S-Bahn- und Start-Verbindungen fielen aus. Dass plötzlich kein Personal mehr zur Verfügung stehe, sei kaum zu glauben. Fünf Stunden dauerte Seefrieds Odyssee von Hamburg nach Stade.
Schienenersatzverkehr war absolut unzureichend
„Etliche Menschen haben mich am Bahnsteig in Neugraben angesprochen und mir ihre täglichen, leidvollen Erfahrungen mitgeteilt“, sagt der Landrat. „Der kurzfristige Schienenersatzverkehr war absolut nicht ausreichend und daher überlastet.“
Wie hätte das wohl an einem Werktag ausgesehen, fragt sich Seefried. Er selbst konnte in Neugraben einen KVG-Linienbus nach Jork nehmen und von dort mit dem Elbe-Radwanderbus nach Stade weiterfahren.
So will die Bahn Wiederholung verhindern
Und nun? Mehr Personal soll helfen, solche Ausfälle zu verhindern. Im Netz Hamburg hat die Deutsche Bahn 2025 alle Ausbildungs- sowie Quereinstiegsplätze besetzen können. Das bedeutet, dass es 58 neue, angehende Zugverkehrssteuernde geben wird. In Kürze werden auf Webseite https://db.jobs/de-de die Stellen für 2026 ausgeschrieben.
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