TDie EVB: Eine Erfolgsgeschichte für die Stader Geest? Was Pendler berichten

Abfahrt 6.15 Uhr: Morgens fahren vor allem Berufstätige und Schüler mit der RB 33 von Harsefeld nach Buxtehude. Foto: Scholz
Seit mehr als 30 Jahren verbindet die EVB die Stader Geest mit Hamburg. Davon hat vor allem Harsefeld profitiert. Eine Spurensuche früh morgens am Bahnhof.
Landkreis. Mittwoch, 6.39 Uhr. Marc Engelken fährt mit seinem Fatbike, einem Fahrrad mit besonders breiten Reifen, auf den Bahnsteig. Er ist sehr pünktlich, der Zug kommt erst in zwanzig Minuten. So hat Engelken Zeit, sich ein wenig zu unterhalten.
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Sind Sie zufrieden mit der EVB? „Ja“, sagt er, „aber zum Glück muss ich nur nach Buxtehude.“ Engelken arbeitet dort in einem Baumarkt, hat kein Auto und fährt die Strecke gerne auch mit dem Fahrrad. „Aber nicht heute“, es sind drei Grad. Mit der RB 33 ist er in 14 Minuten in Buxtehude.
EVB sorgt für Wachstum auf der Geest
Der Bahnsteig füllt sich, gut 40 Menschen warten an Gleis 1. Über Cuxhaven, Bremerhaven und Bremervörde erreicht der Zug die Stader Geest. Kutenholz, Brest-Aspe, Bargstedt, Harsefeld. Weiter: Ruschwedel, Apensen und Buxtehude mit Anschluss nach Hamburg.
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Für die Geestgemeinden ist die Strecke eine Erfolgsgeschichte. Seit sie 1993 von der EVB wiederbelebt wurde, sind immer mehr Menschen dorthin gezogen. Die Samtgemeinde Harsefeld wuchs um knapp 6500 Einwohner auf über 23.000, die Samtgemeinde Apensen um 3300 auf knapp 10.000.
Welche Rolle spielt die Bahnanbindung?
An einem Nachmittag im März steht Rainer Schlichtmann an Gleis 1 in Harsefeld und wartet auf die RB 33. Schlichtmann war von 1995 bis 2020 Bürgermeister der Samtgemeinde Harsefeld. „Ohne ihn würde Harsefeld nicht so da stehen, wie wir es heute kennen“, hieß es bei seiner Verabschiedung.

Rainer Schlichtmann war viele Jahre Bürgermeister der Samtgemeinde Harsefeld. Foto: Scholz
Schlichtmann setzt sich ans Fenster. Es dauert einen Moment, bis sich der Zug in Bewegung setzt. Denn die Strecke ist eingleisig, erst muss die entgegenkommende Bahn auf dem Nachbargleis halten. Dann geht es los. „Die EVB hat sich positiv auf die Gemeinden ausgewirkt, aber sie ist nicht der alleinige Grund für das Wachstum“, sagt er.
Die Gründe für Harsefelds Erfolg
Schlichtmann erklärt, dass es von Anfang an der politische Wille aller Fraktionen gewesen sei, in Harsefeld die Voraussetzungen für Wachstum zu schaffen. So seien viele Baugebiete ausgewiesen und mit den Einnahmen die Infrastruktur finanziert worden.

In Harsefeld gibt es 220.000 Ein- und Ausstiege pro Jahr. Foto: Scholz
In Schlichtmanns Amtszeit wurden Feuerwehrhäuser, Kindergärten und Sportplätze modernisiert, die Eissporthalle, das Schwimmbad und der Ortskern saniert. Über die EVB-Strecke wurde eine Brücke gebaut.
Harsefeld wurde immer attraktiver und zog viele Hamburg-Pendler an. „Vor allem junge Familien sind zu uns gekommen“, sagt Schlichtmann, auch weil sie die Bahnanbindung als Standortvorteil sehen.
Viele Schüler fahren mit der EVB
Im Jahr 1993 hatte die EVB die 15 Kilometer lange Strecke Buxtehude-Harsefeld übernommen und konnte damit einen durchgehenden Personenverkehr in Richtung Hamburg anbieten. „Allerdings war die Strecke nicht sehr leistungsfähig und konnte nur langsam befahren werden“, sagt Holger Buse, Leiter Infrastruktur bei der EVB. Mit der Modernisierung der Strecke in den 2000er Jahren wurde der Verkehr beschleunigt.

Holger Buse, Leiter Infrastruktur bei der EVB. Foto: evb/Sabrina Adeline Nagel
Etwa 743.000 Fahrgäste beförderte die EVB im vergangenen Jahr auf der Strecke, die meisten davon auf dem Abschnitt Bremervörde-Harsefeld-Buxtehude. „Das sind viele Berufspendler Richtung Buxtehude und Hamburg und ein guter Teil Schüler“, sagt Buse.
Das macht sich vor allem morgens bemerkbar. Da gibt es zum Beispiel Schülerinnen wie Emma von Hein (18), die auf die EVB angewiesen ist, um zur BBS nach Buxtehude zu kommen.

Emma von Hein nutzt die EVB wie viele ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler. Foto: Scholz
Oder der 16-jährige Niklas: Seit einem halben Jahr fährt er um kurz nach 6 Uhr mit dem Bus von Oersdorf (Gemeinde Ahlerstedt) nach Harsefeld, dann mit der EVB nach Buxtehude und von dort weiter nach Stade. „Das ist manchmal etwas umständlich wegen der Verspätungen“, sagt er.
Pendlerinnen: Bahnfahren ist entspannter und spart Geld
Und dann sind da noch die Berufstätigen. Eine Pendlerin erzählt, dass sie nach mehr als 20 Jahren von einer Arbeitskollegin überzeugt wurde, auf die Bahn umzusteigen. Jetzt fährt sie jeden Tag mit der EVB nach Buxtehude und spart beim Sprit. „Das Deutschlandticket kostet mich nur 58 Euro im Monat“, sagt die Einzelhandelskauffrau, die anonym bleiben möchte.

Seit zehn Jahren fährt Andrea von Sychowski täglich von Harsefeld nach Buxtehude. Foto: Scholz
Andrea von Sychowski besitzt keinen Führerschein. Sie bringt erst ihre Tochter in die Kita und fährt dann mit der EVB nach Buxtehude. „Das ist sehr entspannt, wenn die Bahn pünktlich ist.“ Mit gut 220.000 Ein- und Ausstiegen pro Jahr ist Harsefeld einer der meistfrequentierten Bahnhöfe der EVB.
Das kritisieren die Fahrgäste
Die Pendler an diesem Morgen sind überwiegend zufrieden mit der EVB. Vereinzelt gibt es aber auch Kritik, vor allem an der Pünktlichkeit. „Die Bahn hat manchmal 20 Minuten Verspätung oder fällt ganz aus. Das kann in der Schule zum Problem werden“, sagt Emma von Hein. Niklas: „Allein diese Woche gab es drei Verspätungen. Das wird für mich zum Problem beim Umsteigen.“

Harsefeld ist einer der meistfrequentierten Bahnhöfe der EVB. Foto: Scholz
Nach Angaben der Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) waren im vergangenen Jahr 94 Prozent der Züge auf dieser Strecke pünktlich - damit liegt die EVB über dem Durchschnitt. Was allerdings zum Problem werden kann: Wer auf dem Rückweg die RB 33 in Buxtehude knapp verpasst, kann bis zu einer Stunde auf den nächsten Zug warten. „Das bekommen wir immer wieder gespiegelt“, sagt Buse.
Dichterer Takt und weitere Haltestelle?
Der Leiter Infrastruktur hofft deshalb auf einen 20-Minuten-Takt zwischen Buxtehude und Harsefeld. Da sich die Züge dann häufiger begegnen würden, müsste in Apensen ein Ausweichgleis gebaut werden. Diese Fläche hat sich die EVB bereits gesichert. „Wir wären bereit“, sagt Buse. Die Entscheidung liegt bei der LNVG, die im Auftrag des Landes Niedersachsen für die Verkehrsplanung zuständig ist.
Auch ein weiterer Halt in Buxtehude-Ottensen wäre denkbar, sei bisher aber aufgrund des Fahrplans nicht realisiert worden.
Streckenreaktivierung
T Ab 2027 mit dem Zug von Fredenbeck nach Stade – Karte mit allen Bahnhöfen
Konkreter ist dagegen, dass ab 2027 wieder Züge auf der EVB-Strecke von Bremervörde über Fredenbeck nach Stade fahren sollen. Derzeit verkehrt dort nur am Wochenende der Moorexpress.
„Schöne Sache mit der Anbindung“
Zurück in Harsefeld. Andreas Meyer betritt mit schnellen Schritten den Bahnsteig, hat aber noch etwas Zeit. Nach Harsefeld sei er wegen der Nähe zu Hamburg gezogen, erzählt er. „Das ist eine schöne Sache mit der Anbindung. Ohne die EVB wäre Harsefeld nie so gewachsen.“

Andreas Meyer pendelt nicht mehr so oft nach Hamburg wie vor Corona. Foto: Scholz
Meyer schaut sich um, in der Ferne sind die Lichter des Zuges zu sehen. Dann verabschiedet er sich.
Die EVB
Die Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (EVB) sind im Jahr 1981 aus der Bremervörde-Osterholzer Eisenbahn und der Wilstedt-Zeven-Tostedter Eisenbahn hervorgegangen. Bekannt ist das Unternehmen vor allem durch den weltweit ersten Einsatz von Wasserstoffzügen im öffentlichen Nahverkehr. Jährlich befördert die EVB fast zwei Millionen Fahrgäste auf der Schiene und vier Millionen mit Bussen im Elbe-Weser-Dreieck. Das Unternehmen gehört zu mehr als 80 Prozent dem Land Niedersachsen. Der Landkreis Stade ist mit etwa vier Prozent beteiligt. Die EVB beschäftigt mehr als 600 Mitarbeiter. Das Streckennetz umfasst 235 Kilometer.