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Politik

TMesserattacke und Clan-Kriminalität: Landtag debattiert über Stade

Nach der tödlichen Messerattacke am 22. März in Stade arbeitete die Spurensicherung bis tief in die Nacht.

Nach der tödlichen Messerattacke am 22. März in Stade arbeitete die Spurensicherung bis tief in die Nacht. Foto: Battmer

Der brutale Messermord von Stade erreicht die Politik in Hannover: Der niedersächsische Landtag diskutierte über Gewaltkriminalität und Clans sowie die Vorkommnisse in der Hansestadt. So reagieren Abgeordnete aus dem Kreis Stade auf die Debatte.

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Von Mario Battmer
Samstag, 20.04.2024, 00:25 Uhr

Stade. So oft wie in dieser Woche wurde Stade in den Sitzungen des niedersächsischen Landtags wohl selten erwähnt: In einer aktuellen Stunde am Mittwoch sowie in einer dringlichen Anfrage der CDU am Donnerstag diskutierte er über Gewaltkriminalität und Clans sowie die Vorkommnisse in der Hansestadt Stade.

Am 22. März war, wie mehrfach berichtet, ein Streit eskaliert: Einem 35-Jährigen wurde mit einem Messer in den Kopf gestochen, er starb später im Krankenhaus. Offenbar waren Mitglieder der Großfamilien Miri und Al-Zein an der Auseinandersetzung beteiligt.

Die Mordkommission sei vollumfänglich mit den Ermittlungen befasst, sagte Innenministerin Daniela Behrens (SPD) am Donnerstag im Plenum. Einen aktuellen Stand oder Hintergründe könne sie mit Blick auf die laufenden Ermittlungen nicht nennen. Polizei, Behörden und die Hansestadt seien in ständigem Austausch.

Reinecke: Wie viele Morde bis Clan-Kriminalität ein Schwerpunkt ist?

In einer dringlichen Anfrage wollte die CDU wissen, welche Erkenntnisse die Polizei zu vergangenen Taten aus dem Umfeld der Clan-Kriminalität in Stade habe.

Dazu zählte die CDU neben der tödlichen Messerattacke auch den mutmaßlichen Mord am Stader Parkhaus Anfang des Jahres sowie die Todesschüsse in einem Imbiss am Stader Hafen im September 2022. Außerdem forderten die Christdemokraten von der Landesregierung Zahlen zur Clan-Kriminalität in Stade.

Zwischen 2022 und dem laufenden Jahr 2024 gab es laut Behrens 151 Verbrechen mit Bezug auf Clan-Kriminalität in der Stadt Stade. Sie betonte, dass die Fälle weniger als ein Prozent der Verbrechen in der Kriminalstatistik ausmachten. In Stade gebe es „immer wieder ein Aufflackern“ räumte die Ministerin ein, „aber es gibt in ganz Niedersachsen keinen Hotspot für Clan-Kriminalität“.

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„Wie viele Straftaten und Morde müssen nach Ansicht der Landesregierung geschehen, damit man von einem Schwerpunkt der Clan-Kriminalität spricht?“, fragte die Stader Landtagsabgeordnete Melanie Reinecke (CDU). Behrens betonte, Polizei und Landregierung nähmen die „sehr wenigen Fälle“ von Clan-Kriminalität ernst. Behrens: „Denn sie zersetzen und untergraben staatliche Strukturen.“

Innenministerin Behrens: Friedensrichter spielen eine Rolle im Milieu

Birgit Butter (CDU), Landtagsabgeordnete aus Buxtehude, wollte wissen, wie viele ausländerrechtliche Maßnahmen, insbesondere Ausweisungen, gegen Clan-Kriminelle ergriffen würden. Behrens rechnete vor: Von 3323 Tatverdächtigen hätten 45 Prozent eine nicht-deutsche Staatsbürgerschaft. „Valide und abschließende Zahlen zu kriminellen Clan-Angehörigen, gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahmen getroffen wurden, haben wir nicht“, so Behrens. Die Zuständigkeit liege bei der jeweiligen Ausländerbehörde.

Stephan Bothe (AfD) fragte nach der Beteiligung eines Imams oder Friedensrichters, der den Konflikt in Stade befriedet haben soll. Im Einzelfall seien sie „Ansprechpartner“, so Behrens. Sogenannte Friedensrichter seien kein Instrument der niedersächsischen Polizei, aber ein Instrument, um auf Familien in Bezug auf Gefährderansprache einzugehen. Behrens: „Und ich finde, das ist völlig in Ordnung.“

Das sorgte für leichte Aufregung im Plenum, Christian Calderone (CDU) bezeichnete dies als „ein Zeichen der Kapitulation“. Auf weitere Nachfrage von AfD-Mann Bothe ruderte Behrens ein wenig zurück: „Ich weise die Unterstellung, dass sich die Polizei an Friedensrichter wendet, um Kriminalitätsfälle im Bereich Clan-Kriminalität aufzuklären, mit allem Nachdruck zurück.“ Die Polizei habe keinen Friedensrichter angefordert, aber: „Wir nutzen alle Menschen, die im Rahmen einer Straftat versuchen, zu deeskalieren.“

Abgeordnete aus dem Kreis Stade fordern mehr Taten als Worte

Butter und Reinecke waren mit den Antworten von Behrens nicht zufrieden. „Die Ausführungen der Ministerin haben wir in dieser Form bereits mehrfach gehört, allerdings folgen auf Worte wenig Taten“, teilten sie in einer gemeinsamen Erklärung auf TAGEBLATT-Nachfrage mit. Sie fordern eine bessere Vernetzung der einzelnen Akteure und Behörden, wie zum Beispiel Finanzämter, Gewerbeaufsicht und Ordnungsämter. Und: „Die Polizei macht eine sehr gute Arbeit, braucht aber mehr Stellen und eine bessere finanzielle Ausstattung.“

Die Lage in Stade bezeichnen sie als diffuses Angstgefühl. „Uns haben viele Nachrichten von Bürgerinnen und Bürgern erreicht, die eine weitere Eskalation der Clan-Kriminalität befürchten.“ Die Sorgen der Bürger müssten ernstgenommen werden. „Da helfen keine Zahlen in Kriminalstatistiken. Es geht hier vorrangig um das subjektive Sicherheitsempfinden.“

Die SPD-Landtagsabgeordnete Corinna Lange stellte sich hinter ihre Ministerin. „Stade ist kein Hotspot für Clan-Kriminalität “, sagte auch sie mit Blick auf die Zahlen. Lange ärgert sich über den CDU-Antrag: Die drei angeführten Fälle hätten nichts miteinander zu tun. „Man spielt mit den Ängsten der Menschen.“ Es gebe eine gute Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Behörden und der Polizei, die mit 20.000 Mann in Niedersachsen so gut aufgestellt sei wie noch nie. „Ich habe Vertrauen in die Polizei und in unseren Rechtsstaat.“

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