Zähl Pixel
Raubtier

TNeue Videos: Wolf streift durch Obst-Plantage im Alten Land

Ein Wolf steht auf einer Obstplantage im Alten Land.

Obstbauer Lukas Lühs hat den Wolf beim Durchstreifen einer Obstplantage im Alten Land fotografiert und gefilmt. Foto: Lühs

Ein Wolf auf einem Obsthof im Alten Land, der einen Apfel verspeist und sich dabei nicht durch einen fahrenden Trecker vertreiben lässt. Neue Videoaufnahmen aus der Gemeinde Jork sorgen seit Tagen für Aufregung.

author
Von Karsten Wisser,
author
Von Björn Vasel
Freitag, 05.04.2024, 11:37 Uhr

Jork. Zwei kurze Videoaufnahmen eines wohl jungen Wolfs beschäftigen die Sozialen Netzwerke. Die Aufnahmen sind am 3. April in Jork entstanden. Auch der Wolf hat sich bei seinem Speiseplan offensichtlich angepasst. Er frisst vor laufender Kamera einen Apfel und ist dabei wenige Meter von einem Haus entfernt.

Ähnliche Schilderungen gibt es immer wieder. Die Aufnahmen sind in Königreich/Borstel im Bereich der Wellenstraße entstanden, gemacht hat sie Obstbauer Lukas Lühs.

Obstbauer sieht den Wolf regelmäßig

„Ich sehe den Wolf alle zwei Tage. Allein in dieser Woche habe ich ihn dreimal getroffen“, sagt Lühs. Der Wolf ist rund 50 Meter hinter der Hofstelle der Familie unterwegs. „Angst vor dem Trecker oder dem Lärm scheint er nicht zu haben“, sagt Lühs.

Die Aufnahmen sind bei der Arbeit in den Obstplantagen entstanden. Der Wolf sei allerdings weggelaufen, als sich Lühs auf rund 50 Meter dem Tier zu Fuß genähert habe.

Jährling im Fellwechsel durchstreift das Alte Land

Diese neuen Aufnahmen sind ein weiterer Beleg dafür, dass es im Alten Land jetzt wohl einen territorialen Wolf gibt. In den vergangenen Wochen häuften sich die Sichtungen und Aufnahmen vom Wolf in diesem Gebiet. Zuletzt hatte das TAGEBLATT eine Aufnahme aus Jork-Leeswig veröffentlicht, die einen jungen Wolf im Fellwechsel aus der Nähe zeigt.


Der Wolf auf den neuen Aufnahmen sieht diesem Tier ziemlich ähnlich. Es dürfte sich um einen Jährling im Fellwechsel handeln, der sein Rudel vor kurzer Zeit verlassen hat, so ein Experte gegenüber dem TAGEBLATT.

In den vergangenen Jahren, seit der Rückkehr des Wolfes nach Deutschland und Niedersachsen, mussten sich selbst viele Experten vom Bild des Wolfes als zurückgezogen lebendes Tier, das Wald oder Gebirge braucht, verabschieden.

Ohne die Bedrohung Mensch entwickelt sich der Wolf wohl zum Kulturfolger. Er bewegt sich dort, wo es viel Nahrung gibt, und offenbar bieten die Obstplantagen auch genügend Rückzugsraum. Ein erwachsener Wolf benötigt täglich etwa drei bis vier Kilo Fleisch. Er frisst aber auch Beeren und Früchte - und die gibt es im Alten Land in großer Menge.

Neue Aufnahmen entstehen 500 Meter vom Tatort Hahnöfersand

Ein Vegetarier wird der Wolf aber trotz des großen Obstangebots im Alten Land nicht. Wie das TAGEBLATT berichtete, gab es Mitte März einen Angriff auf Deichschafe in Jork auf der Gefängnisinsel Hahnöfersand. Fünf tote und acht verletzte Tiere waren das Resultat. Auch ein intakter Zaun konnte das nicht verhindern.

Ob ein oder mehrere Wölfe im Alten Land unterwegs sind, sollen jetzt DNA-Proben klären. Auch kommen verstärkt Wildkameras zum Einsatz. Die Auswertung der DNA dauert aber noch an. Das zuständige Senckenberg-Institut kommt bei der Vielzahl der Einsendungen nicht schneller hinterher. Die neueste Aufnahme ist wohl rund 500 Meter von Hahnöfersand entfernt entstanden.

Bereits im Januar 2024 hatte ein Obstbauer einen Wolf in den Schallen im Bereich Borstel-Kohlenhusen beim Pflanzenschutz vom Trecker aus fotografiert. Im Hintergrund ist die Mühle zu sehen.

Bereits im Januar 2024 hatte ein Obstbauer einen Wolf in den Schallen im Bereich Borstel-Kohlenhusen beim Pflanzenschutz vom Trecker aus fotografiert. Im Hintergrund ist die Mühle zu sehen. Foto: Meyer

Deichschäfer Vasile Buza baute am Freitag seinen Zaun auf dem Elbdeich in Jork-Wisch auf Höhe des Fährhauses Kirschenland auf. Dort steht die Herde, die auf Hahnöfersand angegriffen wurde. Buza installiert stromführende, 90 Zentimeter hohe Zäune, vom Land gefördert.

Aber: „Der Wolf lässt sich von dem Zaun nicht abhalten, er springt rüber“, sagt der Schäfer. 300 Schafe sorgen für eine feste Grasnarbe auf dem Kleimantel der Deiche; diese dient als schützender Panzer, wenn die Wellen bei Sturmfluten am Deich nagen.

Buza lässt 50 alte Schafe mitgrasen, um für Ruhe in der Herde nach der Wolfsattacke zu sorgen. Tag und Nacht kontrolliert er. „Ich kann kaum noch schlafen.“ Im Sinne des Küsten- und Tierschutzes müsse es eine wolfsfreie Zone am Deich geben, durch Entnahme der Wölfe durch Töten oder Betäuben in der Marsch, fordert Buza.

Wenn er Blut geleckt hat und Schafe als Beute betrachtet, werde ich meine Tiere vor dem Wolf nicht mehr schützen können

Vasile Buza, Deichschäfer

Wie gefährlich der Wolf für Weidetiere wie seine Schafe werden könne, weiß der Moldawier aus seiner Heimat: „Wenn er Blut geleckt hat und Schafe als Beute betrachtet, werde ich meine Tiere vor dem Wolf nicht mehr schützen können.“

Wenn sich ein Wolf in eine so dicht besiedelte Gegend wie das Alte Land traue, kann er nicht nur Schafen gefährlich werden. Auch Hausabfälle scheine er zu fressen. Anwohner der Wellenstraße sind besorgt: „Er läuft mitten durch unsere Gärten.“

Deichschäfer Vasile Buza bringt in Jork eine Herde auf den Deich.

Deichschäfer Vasile Buza bringt in Jork eine Herde auf den Deich. Foto: Vasel

Der Angriff auf die Deichschafe hatte eine Debatte um wolfsfreie Zonen an den Deichen ausgelöst. Für diese kämpft unter anderem Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts aus Jork. Der Küstenschutz müsse Priorität haben, 100.000 Menschen leben im Kreis Stade im Schutz der Deiche. Die Wölfe sind derzeit noch nach EU-Recht sehr streng geschützt.

Es gibt aber Überlegungen, dies zu ändern. In Nord- und Ostdeutschland gibt es nach wie vor ein massives Wachstum der Wolfspopulation. Die Zahl der Wölfe verdoppelt sich alle drei Jahre. Buza begrüßt, dass die Kreisjägerschaft ein Plakat aufgestellt hat

.
Dieser Plakat ist von den Jägerschaften aus den niedersächsischen Küstenlandkreisen in Jork-Neuenschleuse aufgestellt worden. Sie fordern wie die Deichverbände eine wolfsfreie Zone von 30 bis 50 Kilometer entlang der Deiche.

Dieser Plakat ist von den Jägerschaften aus den niedersächsischen Küstenlandkreisen in Jork-Neuenschleuse aufgestellt worden. Sie fordern wie die Deichverbände eine wolfsfreie Zone von 30 bis 50 Kilometer entlang der Deiche. Foto: Vasel

Drei Wolfsrudel im Kreis Stade

Deutschland war um 1850 weitestgehend wolfsfrei. Einzelne, in den folgenden Jahren einwandernde Tiere wurden erlegt. Der für Niedersachsen wohl berühmteste Wolf ist der „Würger von Lichtenmoor“, der 1948 erlegt wurde. Seit 1980 gilt der Wolf in Deutschland als streng geschützte Art und mit der Wiedervereinigung 1990 gilt dieser Status auch in Ostdeutschland. So konnte sich 1998 das erste Wolfspaar wieder in Sachsen, im Bereich der Muskauer Heide ansiedeln.

Im Jahr 2000 wurden dort die ersten Welpen nachgewiesen. In Niedersachsen gab es 2011 den ersten Wolfsnachwuchs. Inzwischen gibt es laut Wolfsmonitoring der Landesjägerschaft 50 Wolfsrudel in Niedersachsen.

Im Landkreis Stade gibt es wohl drei Wolfsrudel. Für Oldendorf und Drochtersen gibt es dazu Bestätigungen. Für Harsefeld fehlt diese noch, sie gilt aber als wahrscheinlich.

Videos: Lühs

Weitere Artikel