Zähl Pixel
Verkehr

T100 Tage neues S-Bahn-Netz: Bahn zieht erstes Fazit

Am 10. Dezember ging das neue S-Bahn-Netz in Betrieb, seitdem verkehrt die S5 zwischen Stade und Elbgaustraße. Die S3 fährt ab Neugraben bis Pinneberg.

Am 10. Dezember ging das neue S-Bahn-Netz in Betrieb, seitdem verkehrt die S5 zwischen Stade und Elbgaustraße. Die S3 fährt ab Neugraben bis Pinneberg. Foto: Thomas Sulzyc

Vor 100 Tagen hat die S-Bahn Hamburg das Netz umgestellt. Aus der S3 wurde die S5 – eine Umstellung, mit der Züge pünktlicher und mit größerer Kapazität fahren sollten. Die Verantwortlichen und der Fahrgastverband ziehen Bilanz.

author
Von Mario Battmer
Dienstag, 19.03.2024, 17:47 Uhr

Landkreis. S-Bahn, HVV und Hansestadt Hamburg sind nach den ersten 100 Tagen überzeugt: Das neue Liniennetz funktioniere und biete „spürbare Verbesserungen“, sagt etwa Dr. Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende der Freien und Hansestadt Hamburg.

„Es ist nicht nur übersichtlicher, sondern bietet auch mehr Platz und Komfort. Im neuen Netz kann die S-Bahn durch den durchgehenden Einsatz von Langzügen auf der Linie S3 ihren Fahrgästen täglich über 25.000 mehr Sitzplätze bieten. Davon profitieren insbesondere die Pendler:innen [sic!] aus dem Hamburger Süden.“

Das neue S-Bahn-Netz biete ein „deutlich erweitertes Angebot“, heißt es in einer Pressemitteilung. Im Vergleich zum alten Netz fährt die S-Bahn Hamburg demnach in diesem Jahr über zwei Millionen Fahrzeugkilometer mehr – ein Wachstum von mehr als acht Prozent. Dies bedeute mehr Zugfahrten und Sitzplätze für Hamburgs Fahrgäste.

S-Bahn spricht von Pünktlichkeitsquote von 95 Prozent

Seit der Einführung des neuen Netzes im vergangenen Dezember sind die S-Bahnen nach Angaben der Deutschen Bahn zu mehr als 95 Prozent pünktlich unterwegs – und damit pünktlicher als im Gesamtjahr 2023 (94,5 Prozent). Als pünktlich gelten im HVV Abfahrten mit einer Abweichung von weniger als drei Minuten gegenüber dem Fahrplan („3-Minuten-Pünktlichkeit“). Ausgefallene Züge fließen nicht in die Statistik ein, werden allerdings auch erfasst: Nach HVV-Angaben fuhren im Dezember 2023 97,3 Prozent aller Züge und im Januar 2024 98,56 Prozent. Streikbedingte Zugausfälle sind hierbei nicht enthalten.

Die S5 fällt aus, Unfall auf der A26? Aktuelle Meldungen für Pendler

Auch die neue Linie S5 zwischen Neugraben und Stade weise seit der Umstellung ein vergleichbares Pünktlichkeitsniveau wie die anderen Linien auf, trotz gemeinsamen Verkehrs mit Regional- und Güterzügen. Am meisten von der Umstellung profitierte demnach die Linie S2, auch die Verkehrsknoten Hauptbahnhof und Altona wurden laut Bahn entlastet.

„Infolge der neuen Linienführungen sehen wir schon jetzt insgesamt stabilere Verkehre“, sagt Kay Uwe Arnecke, Vorsitzender der Geschäftsführung S-Bahn Hamburg. Auch Raimund Brodehl, Geschäftsführer des HVV, betont, wie wichtig eine hohe Betriebsstabilität ist: „Fahrgäste müssen sich darauf verlassen können, pünktlich und mit ausreichend Platz unterwegs zu sein.“

Ist die neue Linie S5 besser? Das sagen TAGEBLATT-Leser

Das deckt sich nur bedingt mit den Eindrücken, die das TAGEBLATT wenige Wochen nach der Umstellung unter Fahrgästen und Lesern sammelte. Es gab sowohl Lob als auch Kritik.

So sei die Unzuverlässigkeit im Bahnbetrieb geblieben. Bei wichtigen Terminen sei man morgens immer noch gezwungen, einige Bahnen früher zu fahren, sagte ein Pendler dem TAGEBLATT. „Die Züge sind leerer, aber Störungen, Ausfälle und Verspätungen sind geblieben“, berichtete ein anderer.

Als Nachteil sehen Bahnfahrer aus Buxtehude und Stade an: Mit der S5 ist ihnen die bisherige Möglichkeit genommen, ohne Umsteigen zu den Bürokomplexen mit seinen zahlreichen Arbeitsplätzen am Jungfernstieg und der Stadthausbrücke zu gelangen. Sie müssen zwischen Neugraben und Hauptbahnhof in die S3 umsteigen. Denn: Die neue Linie S5 fährt - anders als die Vorgängerlinie - nicht mehr durch den Citytunnel, sondern über Dammtor weiter.

Daher gestalte sich auch die Fahrt zum Flughafen Hamburg aus dem Kreis Stade laut Pendlern schwieriger, weil man mit der S5 eben nicht mehr am Jungfernstieg in einen Zug gen Airport wechseln kann, sondern am belebten Hauptbahnhof umsteigen muss.

Allerdings gibt es auch Pendler, die vom neuen Fahrplan profitieren und auf ihrem Weg nicht mehr umsteigen müssen. Zudem berichten mehrere Bahnfahrer, dass die Züge spürbar leerer seien und es einfacher sei, einen Sitzplatz zu bekommen.

S-Bahn Hamburg: So sieht der Fahrgastverband die Neuordnung

Die Neuordnung des Liniennetzes der Hamburger S-Bahn hat nach Ansicht des Fahrgastverbands Pro Bahn den Verkehr stabilisiert. Die Langzüge auf der S3 zwischen Pinneberg und Neugraben hätten die Verspätungen reduziert, weil das Verlängern oder Verkürzen der Züge von und nach Stade in Neugraben entfalle. „Das ist ein großer Vorteil“, sagte Pro-Bahn-Sprecher Karl-Peter Naumann am Dienstag. Langzüge bestehen aus neun Waggons und bieten Platz für bis zu 1500 Fahrgäste.

Der S-Bahn-Verkehr über die Elbe sollte nach Ansicht von Pro Bahn weiter verstärkt werden. Auf der Strecke zwischen Hauptbahnhof und Harburg sei Kapazität für eine dritte Linie. Seit vielen Jahren sei klar, dass dafür lediglich die Stromversorgung und die Signalanlagen ausgebaut werden müssten. Dann könnten mehr Züge fahren. „Die Nachfrage ist da“, sagte Naumann. Gerade zur Hauptverkehrszeit seien die Züge sehr voll.

S4 und S6: S-Bahn-Netz wächst in den nächsten Jahren weiter

Zum Beginn Winterfahrplans am 10. Dezember hatte die S-Bahn ihr Liniennetz neu sortiert. Die zweistelligen Linienbezeichnungen S11, S21 und S31 verschwanden. Im Gegenzug wurde die neue Linie S5 eingeführt, deren Züge zwischen Stade und Elbgaustraße fahren. Der Wegfall dreier Linien bedeutet aber keine Reduzierung des Angebots: Sie wurden in die verbleibenden vier Linien integriert.

Derzeit wird an einer neuen S4 gearbeitet, die von 2029 an Hamburg mit Bad Oldesloe verbinden soll. Zudem ist eine neue Linie S6 im Hamburger Süden geplant, die Ende 2029 in Betrieb gehen soll. Die Integration der beiden künftigen Linien sei im neuen Netz bereits berücksichtigt worden.

S-Bahn-Chef Arnecke und Verkehrssenator Tjarks kündigen weitere Neuerungen an. „Auch nach Einführung des neuen Netzes prüfen wir laufend, an welchen Stellen wir weitere qualitative Verbesserungen für unsere Fahrgäste erreichen können“, sagt Arnecke. So solle untersucht werden, wie bei betrieblichen Störungen die Auswirkungen weiter reduziert werden können.

Darüber hinaus wurden die Voraussetzung geschaffen, um das gesamte Netz weiter wachsen zu lassen und die neuen Linien S4-Ost und S6 integrieren zu können, betont Tjarks. „So erhalten künftig noch mehr Menschen in und um Hamburg ein Angebot auf der Schiene und wir kommen dem Hamburg-Takt einen großen Schritt näher.“

Das Versprechen mit dem sogenannten Hamburg-Takt: Bis 2030 soll jeder Hamburger von morgens bis in die Abendstunden binnen fünf Minuten ein öffentliches Mobilitätsangebot mit optimalem Service bei hoher Qualität erreichen können. (PM/mit dpa)

Weitere Artikel