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TEnormer Anstieg im Landkreis: „Epidemie“ des Ladendiebstahls entsetzt Händler

Dem Handel entstehen durch Diebstähle und Betrügereien immense Schäden.

Dem Handel entstehen durch Diebstähle und Betrügereien immense Schäden. Foto: Boris Roessler/dpa

Mehr als 1100 Fälle im Landkreis Stade wurden 2023 polizeikundig. Ein gewaltiger Anstieg. Die Dunkelziffer ist hoch und die Täter sind wieder auf freiem Fuß. Der Handelsverband übt Kritik an Strafen und Polizeiarbeit.

Von Redaktion Mittwoch, 17.04.2024, 07:55 Uhr

Landkreis. Angesichts vermehrter Ladendiebstähle hat der Handelsverband Deutschland (HDE) eine konsequentere strafrechtliche Verfolgung der Täter gefordert. „Das sind unhaltbare Zustände, Ladendiebstahl ist keine Bagatelle“, teilte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth mit. „Ein funktionierender Rechtsstaat darf die Augen vor der aktuellen Entwicklung nicht verschließen, sondern muss auch zur Abschreckung entschieden reagieren.“

Die Verluste für die Handelsunternehmen belaufen sich demnach insgesamt auf mehrere Milliarden Euro im Jahr.

Ladendiebstähle im Kreis Stade massiv angestiegen

Der HDE verwies auf die jüngst veröffentliche Polizeiliche Kriminalitätsstatistik, der zufolge die Zahl der Ladendiebstähle bundesweit im vergangenen Jahr um fast ein Viertel auf mehr als 400.000 Fälle gestiegen ist.

Das verdeutlichen auch die Zahlen der Polizeiinspektion Stade: Bei den Ladendiebstählen ist es 2023 zu einer starken Steigerung der Fallzahlen um rund 52 Prozent auf insgesamt 1133 Taten gekommen. Im Jahr 2022 waren es noch 745 entdeckte Diebstähle in Geschäften. „Neben einem veränderten Anzeigeverhalten, dem verstärkten Einsatz von Überwachungstechnik und Ladendetektiven dürfte es aufgrund der Preisentwicklung in den Supermärkten auch zu einer tatsächlichen Steigerung der Taten gekommen sein“, sagt Rainer Bohmbach, Polizeisprecher in Stade, und bezieht sich damit auch auf steigende Energiekosten und Inflation. Die besonders hohe Aufklärungsquote von rund 88 Prozent dürfe in diesem Zusammenhang jedoch nicht unerwähnt bleiben.

Die Dunkelziffer der Ladendiebstähle dürfte indes sehr hoch sein.

Die Dunkelziffer der Ladendiebstähle dürfte indes sehr hoch sein. Foto: dpa-Bildfunk

Handelsverband fordert konsequentere Verfolgung von Ladendiebstählen

Der HDE geht indes davon aus, dass diese Zahl die Realität kaum widerspiegelt und die Dunkelziffer in diesen Fällen bei mehr als 90 Prozent liegt. „Viele Handelsunternehmen berichten, dass die angezeigten Ladendiebe meist ohne größere Konsequenzen davonkommen“, hieß es. „In der Folge wächst der Frust, oft erspart man sich dann den Aufwand einer viel zu häufig vergeblichen Anzeige.“

Insbesondere der schwere, beispielsweise bandenmäßig organisierte Ladendiebstahl ist für den Einzelhandel ein großes Problem. Hier wuchs die Zahl der Delikte im Vorjahresvergleich bundesweit um rund 26 Prozent. „Es geht hier um sehr professionell organisierte Banden, die mit großer Gewaltbereitschaft massenhaft Ladendiebstähle begehen. Justiz und Polizei müssen diesen Banden ihre Grenzen aufzeigen, die Einstellung von Strafverfahren darf bei gewerbsmäßigen oder bandenmäßig organisierten Begehungsformen von vornherein nicht in Betracht kommen“, so HDE-Chef Stefan Genth weiter.

Dabei gehe es auch um eine bessere Zusammenarbeit der Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften in den einzelnen Bundesländern. Die Kriminellen hielten sich nicht an Ländergrenzen, deshalb müsse auch der Austausch unter den Strafverfolgungsbehörden noch intensiver werden.

Keine spürbare Zunahme der Diebstähle durch SB-Kassen

Der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland verzeichnet indes keinen signifikanten Anstieg der Ladendiebstähle durch den verstärkten Einsatz von Selbstbedienungskassen. „Wir beobachten keine spürbare Zunahme in Märkten mit SB-Kassen“, sagte ein Sprecher von Edeka. Die Handelskette will die Anzahl der sogenannten Self-Checkout-Kassensysteme ausweiten. Dennoch soll es weiterhin auch klassische Kassen geben.

Ähnlich äußerte sich Rewe. „Dass Diebstahlzahlen steigen, können wir überhaupt nicht bestätigen. Die Systeme sind sehr gut ausgereift“, teilte das Unternehmen mit. Demnach gebe es eher die Erfahrung, dass einige Kunden die Sorge hätten, einen Artikel versehentlich nicht zu scannen. Rewe will auch künftig auf SB-Kassen setzen und mehr Standorte damit ausstatten.

Immer mehr Kunden in Deutschland scannen ihre Produkte bereits selbst. Im Einzelhandel gibt es laut einer Untersuchung des Handelsforschungsinstituts EHI bereits 16.000 SB-Kassen. In Supermärkten wird die Technik am häufigsten eingesetzt. Am häufigsten zu finden sind SB-Kassen bei Rewe und Edeka, wo jeweils mehr als 750 Märkte entsprechend ausgestattet sind. Auch Aldi Süd setzt seit Anfang 2023 auf SB-Kassen. Zu einem möglichen Anstieg der Diebstahlquote wollte sich das Unternehmen nicht äußern.

„Untersuchungen zeigen, dass Self-Checkout-Systeme in Deutschland nicht zu höheren Diebstahlquoten führen müssen“, sagt Handelsexperte Kai Hudetz vom Institut für Handelsforschung IFH. Durch Kameratechnologie könnten kassenlose Märkte genauso diebstahlsicher geführt werden. „Mit traditionellen Kassen kann ohnehin nur ein Bruchteil der Diebstähle reduziert werden, da viele Diebstähle bereits am Regal stattfinden“, so Hudetz. (tip/dpa)

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