TLNG-Terminal in Stade: Alles, was Sie über die Mega-Investition wissen müssen
So sieht die Visualisierung das Terminal für verflüssigte Gase auf dem Gelände des Chemieparks an der Elbe mit den 60 Meter hohen Gaslagern. Foto: HEH
Eine Investition von gut einer Milliarde Euro - das hat es in Stade noch nicht gegeben. Hanseatic Energy Hub (HEH) nimmt das Geld in die Hand, um auf dem Gelände des Chemieparks Bützfleth ein LNG-Terminal zu bauen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Stade. Am heutigen Donnerstagmittag gab die HEH die finale Investitionsentscheidung bekannt. Es handelt sich um das erste landgestützte Flüssiggasterminal in Deutschland und ist komplett von der privaten Wirtschaft finanziert.
Das TAGEBLATT sprach dazu exklusiv mit dem neuen CEO, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von HEH, Jan Themlitz, und stellt die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Mega-Projekt zusammen.
Warum fällt erst jetzt die Investitionsentscheidung?
Entscheider in Politik und Wirtschaft warteten seit Monaten auf die endgültige Zusage von HEH, das Terminal an Land zu bauen. Immer wieder war sie angekündigt und dann verschoben worden.

Jan Themlitz ist der neue Chef von HEH und für Bau und Inbetriebnahme des Stader Terminals verantwortlich. Foto: Mareike Suhn/Meerfreiheit
Das verunsicherte. Grund, so Jan Themlitz, war eine erweiterte Baugenehmigung, um die vom Gesetzgeber geforderte Möglichkeit des späteren Ammoniak-Imports sicherzustellen.
Wie lange wird gebaut?
Erste vorbereitende Arbeiten im Untergrund des zukünftigen Terminal-Standorts nahe dem Stader Seehafen sind bereits seit Monaten im Gang.
Im Frühjahr soll der erste offizielle Spatenstich erfolgen. HEH plant, das Terminal im Jahr 2027 in Betrieb zu nehmen. Geplant wird es seit sechs Jahren, also noch vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und der damit verbundenen Energiekrise.
Warum wurde Stade als Standort ausgewählt?
Das Industriegebiet Bützfleth bietet mehrere Vorteile. Da sind der Anleger am seeschifftiefen Wasser, die Nähe zum Hamburger Hafen und der benötigte Platz von etwa 25 Hektar im Chemiepark. Da sind aber auch Anschlüsse ans bundesweite Gas- und Stromnetz.
Energieversorgung
Milliarden-Investition in Stade: LNG-Terminal wird gebaut
Da ist die Expertise im Umgang mit Wasserstoff bei der Dow und vor allem die Prozessabwärme, mit der das flüssige LNG regasifiziert wird. Für diesen Vorgang werden sonst zwei Prozent des flüssigen Erdgases benötigt. In Stade entsteht deswegen ein „Zero-Emission-Terminal“.
Wieso kann trotz Klagen gebaut werden?
Der BUND-Landesverband hat gegen das Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg als Genehmigungsbehörde beim Bundesverwaltungsgericht eine Klage angestrengt. Der geplante Bau verstoße gegen nationale und internationale Klimaziele, die Pläne wiesen gravierende sicherheitsrelevante Fehler auf, hieß es in einer Mitteilung des BUND Niedersachsen.
Umweltproteste
T BUND klagt gegen festes LNG-Terminal in Stade
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) unterstützt die Klage. Eine vorausgegangene Beschwerde gegen die Genehmigung war abgewiesen worden. Eine einstweilige Verfügung liege nicht vor. Das ermutigt HEH, zeitnah mit dem konkreten Bau zu beginnen. „Wir fühlen uns gut aufgestellt“, sagt Jan Themlitz. Es handele sich um eine starke Genehmigung.
Was stört die Kritiker?
Kritische Stimmen vor allem aus Naturschutzorganisationen wie BUND und Deutscher Umwelthilfe befürchten eine Verlängerung des Zeitalters der fossilen Energieträger, sehen die Klimaziele von Bund und EU gefährdet und sprechen von einer Überversorgung mit Erdgas durch die LNG-Terminals.
Sie befürchten folgenschwere Zwischenfälle bei einem Unglück am Gasterminal in unmittelbarer Nähe der Chemie-Produktion auf Bützflethersand. Und durch das An- und Ablegen der Gastanker nahe dem Hauptschifffahrtsweg der Elbe seien Havarien möglich.
Ist Gas in Zeiten der Energiewende vertretbar?
Ja, sagen Gutachter. Erneuerbare Energien könnten den Wärmebedarf in deutschen Haushalten und der Industrie nicht decken.
Erdgas sei der „sauberste“ fossile Energieträger und werde in der Übergangszeit nach dem Kohle- und Atomausstieg besonders benötigt werden.
Was ist eigentlich LNG?
Die Abkürzung LNG steht für Liquefied Natural Gas und bezeichnet Flüssigerdgas. Das natürliche Erdgas, das mit -162 °C verflüssigt wird, nimmt nur 1/600 seines gasförmigen Volumens ein.
Etwa 13 Prozent des aktuellen deutschen Gasbedarfs könnten laut HEH durch das LNG-Importterminal in Stade abgedeckt werden. 160.000 Haushalte ließen sich durch eine Schiffsladung LNG ein Jahr lang mit Gas versorgen.
Woher kommt das LNG?
Katar und Australien sind große Spieler auf dem globalen LNG-Markt, mit Abstrichen auch die USA und Kanada. Vorteil: Die Importeure sind nicht auf ein Land festgelegt. Aber: Dass auch Fracking-Gas dabei ist, kann nicht ausgeschlossen werden.
Wird nur LNG importiert?
Erst mal wohl ja. Alle Buchungen, so die HEH, beinhalteten aber die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt auf Ammoniak als grünen, wasserstoffbasierten Energieträger umzusteigen. Spätestens 2043 darf kein fossiler Energieträger mehr verwendet werden.
Wann und wie viel grüner Wasserstoff importiert wird, hängt von der Nachfrage am Markt, aber auch vom weltweiten Angebot ab. Grüner Wasserstoff entsteht, wenn Wasser mit Hilfe zum Beispiel von Sonnenenergie aufgespaltet wird. Die Produktion dafür steckt noch in den Kinderschuhen.
Welche Rolle spielt die FSRU?
Das schwimmende LNG-Terminal (die FSRU „Energos Force“) hat Stade vergangene Woche erreicht und im neuen Energiehafen an der Elbe festgemacht. Es wird vom Bund betrieben. Über das Spezialschiff sollen pro Jahr fünf Milliarden Kubikmeter ins deutsche Gasnetz eingespeist werden.
Das entspricht etwa fünf Prozent des deutschen Gasverbrauchs. In Stade sollen pro Jahr etwa 50 LNG-Tanker über die FSRU abgefertigt werden. Sobald das landseitige Terminal von HEH fertiggestellt ist, ist die FSRU Geschichte, und der Gasimport erhöht sich auf 13 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Über das Flüssiggasterminal sollen später auch grüne Gase auf Wasserstoffbasis importiert werden.
Wer steckt hinter HEH?
Gesellschafter sind die Buss-Gruppe aus dem Hamburger Hafen, zu kleinen Teilen die Dow in Stade, das spanische Energie-Infrastruktur-Unternehmen Energas, das den Bau und den Betrieb managt und seine Beteiligung gerade auf 15 Prozent hochgeschraubt hat, sowie als Finanzier die Partners Group aus der Schweiz.
Geschäftsführer der Buss-Gruppe ist Johann Killinger, der als HEH-Chef das Projekt durchgeboxt hat. Er zieht sich jetzt aus der HEH-Geschäftsführung zurück.
Wer nutzt das Terminal?
Das deutsche Energie-Unternehmen EnBW sicherte sich Importrechte in Höhe von sechs Milliarden Kubikmetern Gas langfristig. Securing Energy for Europe (SEFE), einst Gazprom Deutschland, hat vertraglich vereinbart, ab 2027 über das Stader Terminal jährlich vier Milliarden Kubikmeter Erdgas zu importieren.
Der tschechische Energiekonzern ČEZ hat die verbleibenden Kapazitäten von zwei Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr gebucht. Mit der Buchung will die Tschechische Republik ab 2027 mehr als ein Viertel ihres derzeitigen jährlichen Gasverbrauchs decken. Die restliche Kapazität von gut einer Milliarde Kubikmeter Gas muss HEH für den Spotmarkt, also für kurzfristige Buchungen, freihalten.
Wie funktioniert das Terminal?
Es besteht aus einem neuen Anleger an der Elbe, den das Land Niedersachsen für 300 Millionen Euro gebaut hat, Rohrleitungen und zwei großen Tanks, die eine Höhe von 60 Metern und einen Durchmesser von 90 Metern haben sollen.
Spezialschiffe transportieren das verflüssigte Erdgas nach Stade. Im neuen Energiehafen können Schiffe mit einer Kapazität von 265.000 Kubikmetern anlegen und in 18 Stunden entladen werden. Das geschieht über Rohrleitungen, die zu den beiden Tanks auf dem Gelände des von der Dow betriebenen Chemieparks auf Bützflethersand führen.
Ein Tank hat ein Volumen von 200.000 Kubikmetern. Pro Woche sind zwei Schiffsladungen geplant. An Land wird das LNG regasifiziert, also durch Wärme wieder in den gasförmigen Zustand versetzt.
Lohnt sich der Betrieb des LNG-Terminals überhaupt?
Ja, so die Gutachter. HEH schließe langfristige Verträge mit weltweiten Gashändlern ab über einen Zeitraum von 15 bis 25 Jahren. Es geht dabei um die Nutzung der Speicherkapazitäten – wie bei der Vermietung eines Parkplatzes.
Das gelte auch für Zeiten nach LNG, da ohne große Umbauten CO2-neutrale Gase importiert werden könnten. Deutschland bleibe auf Importe angewiesen, um den Energiehunger der Industrie und der Haushalte zu stillen.
Wie groß sind die wirtschaftlichen Effekte?
Einer Studie zufolge wird durch den Bau des Terminals bundesweit ein Umsatz von 1,5 Milliarden Euro generiert. Allein für den Bereich des Landkreises Stade verbleiben Aufträge in Höhe von 51 Millionen Euro. Bundesweit werden demnach durch den Bau Jobs von 8600 Beschäftigten gesichert oder geschaffen.
Für den lokalen Bereich sind es 350 Jobs. Bei der Wertschöpfung errechneten die Gutachter einen Wert von 670 Millionen Euro bundesweit und 24 Millionen Euro in der Region. Das gesamte Steueraufkommen wird mit 174 Millionen Euro taxiert.
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Für den Betrieb ab 2027 erwarten die Gutachter jährliche Effekte von 277 Millionen Euro Umsatz, 180 Millionen Euro Wertschöpfung und gut 720 Beschäftigte. Runtergebrochen auf den Landkreis Stade wird von einem Umsatz von 186 Millionen Euro, einer Wertschöpfung von 138 Millionen Euro und von knapp 100 Beschäftigten ausgegangen - pro Jahr.
„Der Landkreis Stade profitiert stark vom Betrieb des LNG-Terminals“, heißt es in der Studie.
Die hatte die LNG-Agentur Niedersachsen in Auftrag gegeben, unterstützt vom niedersächsischen und vom Bundes-Wirtschaftsministerium. Merkel Energy GmbH und Economic Trends Research (ETR) haben sie ausgearbeitet.
Bereits ein älteres Gutachten sagte aus, dass die Region in vielfältiger Hinsicht profitiere.
Es entstünden neue Arbeitsplätze, Gewerbesteuer werde generiert. Die Versorgung mit Energie ziehe weitere Ansiedlungen nach sich, zum Beispiel Start-ups zum Thema Wasserstoff. Für Stade ergebe sich die Vision eines nationalen Wasserstoffzentrums.
Welche Rolle spielt das Terminal für Deutschland?
Eine große strategische Rolle, so Gutachter. Der LNG-Import sei eine wichtige Alternative zum Pipeline-Gas aus Russland, das wegen des Ukraine-Krieges versiegt ist.
Das Projekt habe - durch das tschechische Interesse - nicht nur nationale Bedeutung, soll die Gasversorgung sichern und die Brücke zur grünen Versorgung schlagen.