Zu viele Rezepte - Arzt wehrt sich gegen Regressforderungen

Hausarzt Bernd Brinker will keinen Patienten abweisen und soll deswegen nun womöglich Regress leisten. Foto: Lars Penning/dpa
Dermatologische Praxen gibt es nur wenige in Ostfriesland. Der Hautarzt Brinker in Weener lehnt fast keinen Patienten ab. Dafür soll er nun bestraft werden.
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Weener. Vor der Praxis von Hautarzt Bernd Brinker in Weener an der Ems (Landkreis Leer) stehen die Patienten frühmorgens bereits Schlange. Dermatologische Praxen gibt es nur wenige in Ostfriesland. Und weil Brinker so viele Menschen behandelt und dementsprechend Medikamente verschreibt, sieht er sich mit Regressforderungen konfrontiert. Eine fünfstellige Summe soll er nach eigenen Angaben nun zahlen und will sich dagegen wehren.
Die Niedersächsische Prüfungsstelle in Hannover schickte ihm nun eine Regressandrohung, weil er nach eigenen Angaben 60 Prozent mehr an Verordnungen aufweise als der Fachgruppendurchschnitt. Die Prüfer kontrollieren, ob Vertragsärzte wirtschaftlich arbeiten. Die „Rheiderland-Zeitung“ hatte zuvor berichtet.
„Die gesetzlichen Krankenkassen sind grundsätzlich aus dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit heraus verpflichtet, Prüfanträge zu stellen“, hieß es von der Prüfstelle auf Anfrage. Im beschriebenen Fall handle es sich um Verfahren der sogenannten Durchschnittswerteprüfung, welche von Amts wegen eingeleitet werden, teilte der Prüfstellenleiter Börje Ulrich mit. Geprüft werden ihm zufolge jeweils fünf Prozent der Ärzte einer Fachgruppe, die Auswahl erfolge absteigend je nach Höhe des Überschreitungswertes.
Doppelt so viele Patienten wie andere
Bisher gehe es um rund 30.000 Euro, die allein für 2023 als Rückforderung im Raum stehen, sagt Brinker der dpa. Und die beträfen noch Zeiten in denen er noch weniger Patienten hatte, als heute. Damals habe er im Schnitt vielleicht 1.500 oder 1.600 Patienten pro Quartal behandelt. Inzwischen seien es knapp 3.000. „Damit liege ich teilweise doppelt so hoch wie Vergleichspraxen in der Umgebung.“
Für 2024 und 2025 dürften die Regressforderungen daher noch deutlich höher ausfallen als die bisher verlangte Summe, befürchtet er. „Ich mag gar nicht daran denken, wie sich das jetzt entwickelt haben wird.“ Der Dermatologe möchte niemanden zurückweisen und behandele möglichst jeden Patienten - auch weil er versucht habe, Patienten von Kliniken fernzuhalten, sagt der 52-Jährige.
Forderungen wären schwerer Schlag für die Praxis
„Wenn Regressforderungen in der Höhe, wie sie jetzt bestehen, realisiert werden würden, wäre das ein schwerer Schlag für die betriebswirtschaftliche Situation dieser Praxis“, sagt Brinker. Die Konsequenz daraus wäre, dass er deutlich weniger verordne - und Patienten bei kostspieligen Medikamenten an eine Klinik überweise. Das würde die Kosten nicht nur verlagern, sondern sogar noch erhöhen, kritisiert der Mediziner.
Die Prüfstelle verweist darauf, dass im Rahmen der Prüfungen der Grundsatz „Beratung vor Regress“ gelte. Bei der Feststellung einer unwirtschaftlichen Verordnungsweise würde demnach vor einer Nachforderung oder eines Regresses zunächst eine Beratung ausgesprochen. Mit Blick auf Folgejahre müsse diese bestandskräftig werden, um eine entsprechende Verhaltenssteuerung beim Arzt bewirken zu können.
Kassenärztliche Vereinigung fordert Änderung
Auf Kritik stößt das Vorgehen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). „Wir kritisieren Arzneimittelregresse, die müssen weg“, sagte ein Sprecher. Wenn man über den 50 Prozent des Fachgruppendurchschnitts liege, könne eine Regressandrohung folgen.
Dann hätte der Arzt in der Regel die Chance zu begründen, warum er überproportional viele Rezepte ausgestellt habe. Das könnten eventuell viele chronische Kranke sein oder wenig andere Fachärzte in der Region. Die KVN bietet Beratung und Unterstützung für die Mitglieder an.

Brinkers Praxis behandelt fast 3.000 Patienten pro Quartal. „Damit liege ich teilweise doppelt so hoch wie Vergleichspraxen in der Umgebung.“ Foto: Lars Penning/dpa