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Sportpolitik

Paralympics: Russen dürfen wieder mitmachen – Verbandschef erzürnt

Russische Athletinnen und Athleten werden wohl an den Paralympics 2024 in Paris teilnehmen können.

Russische Athletinnen und Athleten werden wohl an den Paralympics 2024 in Paris teilnehmen können.

Das Internationale Paralympische Komitees erlaubt russischen Sportlern zumindest unter neutraler Flagge etwas überraschend doch die Teilnahme an den Paralympics. Die deutsche Delegation ist verärgert.

Freitag, 29.09.2023, 13:25 Uhr

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Friedhelm Julius Beucher war enttäuscht, ratlos, ja wütend.

Die Rückkehr der russischen Athleten auf die Bühne des paralympischen Weltsports inmitten des Angriffskrieges in der Ukraine hat den Präsidenten des Deutschen Behindertensportverband überrascht und geschockt. „Das ist keine Sternstunde für die Werte-Gemeinschaft des IPC”, sagte Beucher der Deutschen Presse-Agentur während der Mitglieder- und Generalversammlung des Internationalen Paralympischen Komitees im Golfstaat Bahrain. Auch wenn die russischen Athleten bei den Paralympics 2024 in Paris nicht unter der eigenen, sondern nur unter neutraler Flagge und nicht in Mannschafts-Wettbewerben an den Start gehen dürfen. 

Aufruf zu Ausschluss

Der 77 Jahre alte Beucher, einst vier Jahre lang Vorsitzender des Sportausschusses im Bundestag, hatte zuvor in einer energischen Rede vor der Versammlung zur Beibehaltung des Ausschlusses aufgerufen.  

Im Vergleich zur Abstimmung im November 2022 habe sich nichts geändert, hatte Beucher gesagt: „Es herrscht immer noch Krieg. Schrecklicher als zuvor.” Man habe dazu vom paralympischen Komitee Russlands nicht „auch nur einen Satz des Bedauerns gehört. Nein im Gegenteil. Sie rufen zum Krieg auf, glorifizieren das Morden und Töten”, sagte Beucher.

Beucher: „Augenwischerei”

Einen Start unter neutraler Flagge bezeichnete Beucher als „Augenwischerei. Wie kann man neutral sein?”, fragte er: „Erklären, man sei gegen den Krieg und empfängt nachher im Kreml die Verdienstorden?” Und rief den Delegierten am Ende seiner Rede zu: „Seid stark! Lasst uns mit geradem Rücken und klarem Blick aus dieser Abstimmung hinausgehen. Sagt nein!”

Doch das taten die Delegierten nicht. Waren sich Beucher und seine überwiegend aus Europa kommenden Verbündeten zuvor einer knappen Mehrheit sicher, so kippte das Ganze am Freitag überraschend. Zunächst stimmten 74 Verbände gegen einen Komplettausschluss Russlands bei 65 Pro-Stimmen und 13 Enthaltungen. Dann stimmten sie mit 90:56 Stimmen bei sechs Enthaltungen aber gegen einen Start unter russischer Flagge. 

Separate Aushandlung belarusischer Athleten

Offiziell bleibt das paralympische Komitee Russlands für zwei weitere Jahre suspendiert, vorbehaltlich einer Neubewertung bei der nächsten ordentlichen Generalversammlung. Die Athleten und Betreuer müssen bestimmte Richtlinien des IPC erfüllen. Zudem darf Russland für diesen Zeitraum keine offiziellen IPC-Wettkämpfe organisieren. Die Entscheidung über die aktuell ebenfalls ausgeschlossenen Athleten aus Belarus folgt separat.

Ein Votum für die Beibehaltung des Komplett-Ausschlusses hätte unabhängig vom Zeitpunkt eines möglichen Kriegsendes wohl schon das Aus für die Paralympics bedeutet, da den russischen Athleten kaum noch Qualifikationsmöglichkeiten geblieben wären. Die Paralympics in Paris finden im kommenden Jahr vom 28. August bis 8. September statt. 

Die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, hatte erklärt, sie wolle kein Gastgeber von russischen und belarussischen Athleten sein, falls der Krieg noch laufe. Für die Olympischen Spiele in Paris gibt es noch keine Entscheidung über eine Zulassung russischer Sportler. Das Internationale Olympische Komitee hatte im Frühjahr empfohlen, Russen und Belarussen bei internationalen Wettbewerben als neutrale Athleten starten zu lassen. 

Kritik aus Politik: DFB sollte sich Boykott anschließen

Der Bundestagsabgeordnete Philip Krämer (Grüne) sieht die Rückkehr russischer Nationalteams in europäische Jugend-Fußballwettbewerbe sehr kritisch. Dies teilte der stellvertretende Vorsitzende des Sportausschusses am Freitag mit. „Die Entscheidung des UEFA-Exekutivkomitees, russische Jugendmannschaften wieder zuzulassen, ist höchst problematisch. Sie bedeutet in der Konsequenz, dass ukrainische Teams nicht mehr an internationalen Wettbewerben teilnehmen werden“, sagte Krämer. Der DFB müsse jetzt „schnellstmöglich“ die eigene Position klären.

Hans-Joachim Watzke (64) und Karl-Heinz Rummenigge (68) hatten den Schritt zuvor verteidigt. „Das ist definitiv keine Aufweichung unserer ablehnenden Haltung Russland gegenüber, im Gegenteil: Die Erwachsenen-Teams bleiben weiterhin ausgeschlossen“, sagte Watzke der „Bild“. „Hier geht es um Kinder, die nichts für den abscheulichen Krieg können und in deren Leben keine politische Willensbildung stattgefunden hat“, sagte Borussia Dortmunds Club-Chef Watzke in seiner Funktion als Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes.

Grünen-Politiker Krämer forderte eine klare Linie des DFB. Dieser solle sich „dem Boykott der Spiele gegen russische Mannschaften anschließen, wie das bereits acht Verbände für das U17-Turnier in Liechtenstein angekündigt haben. Dies wäre ein wahrer Ausdruck der Solidarität mit der Ukraine und ein Zeichen gegen den Bruch des Völkerrechts durch Russland“, sagte Krämer.

Am Dienstag hatte das UEFA-Exekutivkomitee - Watzke und Rummenigge sind Mitglieder aus Deutschland in dem Gremium - verkündet, russische Nachwuchsteams wieder an Turnieren teilnehmen zu lassen - jedoch ohne Hymne und Flagge. Die Sperre gegen alle russischen Senioren-Mannschaften soll hingegen weiterhin bestehen, solange der Angriffskrieg in der Ukraine andauert. (dpa)

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