3,3 Millionen Euro „Staats-Miete“ im Monat vom Jobcenter im Kreis Stade

Bundesweit werden über 910.000 Sozialwohnungen mehr gebraucht. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa
Der Staat lässt sich die Unterstützung fürs Wohnen im Kreis Stade einiges kosten. Rund 6700 Haushalte im Kreis Stade werden begünstigt. Die IG BAU erhebt Vorwürfe.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Landkreis. Der Staat zahlt bei den Mieten kräftig mit: Rund 6700 Haushalte mit insgesamt 13.500 Menschen im Landkreis Stade wurden mit Stand vom Oktober 2023 bei den Kosten der Unterkunft (KdU) unterstützt. Diese Zahlen nennt die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Demnach geht es um Mietzahlungen vom Jobcenter für Bürgergeld-Empfänger: Allein für die Kaltmiete zahlte der Staat im vergangenen Oktober bei den Kosten der Unterkunft im Landkreis Stade mehr als 3,3 Millionen Euro an die Vermieter.
Die IG Bau verweist auf die Statistik der Bundesagentur für Arbeit. „Dazu kommt Monat für Monat noch einmal eine stattliche Summe fürs Wohngeld. Ebenso übernimmt der Staat über die Jobcenter-Zahlungen hinaus die Kosten der Unterkunft für viele weitere Menschen, die darauf angewiesen sind: Ältere mit knapper Rente zum Beispiel“, so die IG BAU Hamburg. Unterm Strich gebe der Staat damit im Kreis Stade viel Geld für Miete aus, um Menschen das Wohnen überhaupt ermöglichen zu können.
„Um es klar zu sagen: Es ist richtig und wichtig, dass der Staat Wohngeld zahlt und dass er die Kosten der Unterkunft übernimmt. Noch besser sind aber Sozialwohnungen. Sie machen den Staat unabhängig von jeder Miet-Preistreiberei auf dem Wohnungsmarkt. Auf Dauer sind sie also die günstigere Lösung für die Staatskasse. Außerdem sind Sozialwohnungen die beste Mietpreisbremse für den Wohnungsmarkt“, sagt Achim Bartels von der IG BAU Hamburg.
Bestand an Sozialwohnungen muss bis 2030 steigen
Die Gewerkschaft geht noch einen Schritt weiter: Die IG BAU wirft dem Staat ein „Missmanagement bei der Unterstützung fürs Wohnen“ vor. Bund und Länder hätten den sozialen Wohnungsbau seit Jahrzehnten „massiv vernachlässigt“. Das sei auch in Niedersachsen deutlich zu spüren. „Dadurch haben wir jetzt landesweit einen dramatischen Mangel an sozialem Wohnraum: Allein in Niedersachsen muss der heutige Bestand an Sozialwohnungen bis 2030 um mehr als 108.000 steigen. Bundesweit werden dann über 910.000 Sozialwohnungen mehr gebraucht“, so Achim Bartels.
Der Vorsitzende des IG BAU-Bezirksverbands Hamburg beruft sich dabei auf eine aktuelle Studie, die das Pestel-Institut (Hannover) für das Bündnis „Soziales Wohnen“ gemacht hat. Die IG BAU engagiert sich in dem Bündnis für mehr sozialen Wohnungsbau. Weitere Partner sind der Deutsche Mieterbund (DMB), die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) sowie zwei Verbände der Bauwirtschaft.
Krebserregender Baustoff
T Im Kreis Stade droht bei jedem zweiten Haus die „Asbest-Falle“
„Jetzt steckt der Staat in einer Sackgasse: Er kann den Menschen, die dringend eine Unterstützung beim Wohnen brauchen, keine Sozialwohnungen anbieten. Also müssen die Job-Center die hohen Mieten auf dem freien Markt akzeptieren. Und die sind in den letzten Jahren in vielen Orten durch die Decke gegangen“, sagt Achim Bartels.
Gegensteuern könne der Staat nur, wenn er jetzt anfange, „in die Schaffung von deutlich mehr Sozialwohnungen zu investieren“. Der Bezirksvorsitzende appelliert daher an die Bundes- und Landtagsabgeordneten im Kreis Stade, sich für die Neubau von Sozialwohnungen stark zu machen: „Denn jede einmalige Förderung, durch die eine neue Sozialwohnung entsteht, erspart dem Staat erhebliche Summen, die er sonst auf Dauer für die Unterstützung bei der Miete ausgeben müsste. Das ist eine einfache Rechnung, die vor allem der Bund, aber auch das Land Niedersachsen spätestens dann beherrschen müssen, wenn die Sozialausgaben durch die Decke gehen: nämlich jetzt.“
Wohnungsnot: Das fordert die IG BAU
Deshalb unterstützt die IG BAU die Forderung vom Bündnis „Soziales Wohnen“ nach einem bundesweiten „Sofort-Budget Sozialwohnungsbau“ von 50 Milliarden Euro. „Bund und Länder müssen jetzt Geld für den Neubau von Sozialwohnungen bereitstellen. Das gilt auch für Niedersachsen. Nur so kann die Bundesregierung es noch schaffen, ihr Versprechen nicht komplett zu brechen: Nämlich 100.000 neu gebaute Sozialwohnungen pro Jahr, die es geben soll. Und die dringend gebraucht werden“, so Achim Bartels. Der „Booster für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus“ müsse rasch erfolgen. Denn der Mangel an Sozialwohnungen sei „ein Akut- und kein Übermorgenproblem“.
Außerdem sollen für den Neubau von Sozialwohnungen künftig nur 7 statt – wie bisher – 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden, fordert die IG BAU. „Das gibt dem Neubau von Sozialwohnungen einen Schub. Und das macht die Mieten günstiger“, sagt der Bezirksvorsitzende der IG BAU Hamburg.
Darüber hinaus fordert die IG BAU eine „Sozial-Quote“ bei der Vergabe von Sozialwohnungen: „Ein 10-Prozent-Kontingent für benachteiligte Menschen – insbesondere für Menschen mit Behinderung“, so Achim Bartels.