TVon der VHS-Kassette zur KI: Wie Trainer heute Spiele analysieren
Für viele Trainer ist die Videoanalyse eine große Hilfe, sie hat aber auch Grenzen. Foto: Jan Iso Jürgens (Archiv/nomo)
Ob BSV, D/A oder Deinste: Trainer im Landkreis Stade nutzen längst die Videoanalyse. Plattformen und KI-Kameras helfen dabei - sogar im Amateurfußball.
Landkreis. Früher schaute Dirk Leun Spiele noch auf VHS, später stapelten sich die DVDs - heute genügen dem Trainer des Buxtehuder SV wenige Klicks am Laptop, um ganze Partien zu durchforsten. Die gesamte Frauen-Bundesliga arbeitet seit dieser Saison mit der Plattform Handball.ai zusammen. „Das ist eine enorme Arbeitserleichterung“, sagt Leun. „Die Informationen sind quasi auf Knopfdruck verfügbar.“
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Bisher musste er komplette Spiele selbst sichten und Szenen herausschneiden. Nun steht ihm schon wenige Stunden nach Abpfiff das analysierte Videomaterial zur Verfügung. Mitarbeiter der Plattform „taggen“ (markieren) sämtliche Aktionen - Würfe, Paraden, Taktiken und vieles mehr.

Einblick in die Spielvorbereitung von BSV-Trainer Dirk Leun - hier ein Hinweis für Kreisläuferin Jolina Huhnstock. Foto: Screenshot/Verein
So kann Leun gezielt filtern, etwa alle Würfe der gegnerischen Shooterin abrufen oder seinem Team zeigen, wie das Sieben-gegen-Sechs des Thüringer HC funktioniert. „Man muss schon noch selbst die relevanten Informationen selektieren und aufpassen, dass man sich nicht in Details verliert“, sagt Leun.
Auch der THW Kiel nutzt die Plattform
Über eigene Zugänge können sich die Spielerinnen individuelle Szenen anschauen - sei es zur Selbstreflexion oder zur Vorbereitung auf den Gegner. „Ich kann zum Beispiel der Spielmacherin konkret zeigen, wo sie gute Entscheidungen getroffen hat und wo nicht“, sagt Leun. Die klassische einstündige Videoanalyse für die gesamte Mannschaft gibt es nicht mehr, stattdessen kurze und prägnante Sequenzen.

BSV-Trainer Dirk Leun. Foto: Jan Iso Jürgens (Archiv/nomo)
Neu ist die Idee nicht. Schon vor 30 Jahren ließ Leun Gegner auf Kassette filmen. Später kamen DVDs, dann Portale wie „Sportlounge“.
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Doch mit Handball.ai ist die Auswertung umfassender und schneller geworden. Selbst Rekordmeister THW Kiel arbeitet mit der Firma des Nürtinger Zweitliga-Trainers Manel Cirac zusammen.
Nutzen und Grenzen der Videoanalyse
Sportwissenschaftler weisen auf den Mehrwert von Videoanalysen hin. Sie schärfe die Wahrnehmung, mache komplexe Abläufe sichtbar und helfe den Aktiven, ihr Verhalten aus einer anderen Perspektive zu erkennen und gezielt zu verbessern. Ein eindeutiger kausaler Zusammenhang zwischen Analyse und Leistung ist jedoch nicht messbar - das nimmt auch Leun so wahr.

Der Fredenbecker Trainer Matthias Steinkamp. Foto: Scholz
Auch jenseits der Bundesliga gehört die Videoanalyse längst dazu. Matthias Steinkamp, Trainer des Drittligisten VfL Fredenbeck, schneidet noch selbst, braucht bis zu zweieinhalb Stunden pro Spiel. „Der Aufwand ist groß, aber unabdingbar“, sagt er. In maximal 45-minütigen Sitzungen zeigt er der Mannschaft gezielt zehn Abwehr- und zehn Angriffsszenen.
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Wichtig ist ihm, dass die Spieler mitdenken und selbst Lösungen entwickeln. „Ich erwarte, dass sie sich im Vorfeld zwei, drei Stunden Video anschauen. Wenn man ein bisschen Geld mit Handball verdient, kann man eine gewisse Einstellung erwarten“, betont Steinkamp.
Stader Trainerteam teilt sich die Arbeit auf
Auch der Basketball-Regionalligist VfL Stade investiert viel Zeit in die Videoanalyse. Trainer Joan Rallo Fernández beschäftigt sich sieben bis acht Stunden mit dem eigenen Spiel. Zunächst sichtet er die gesamte Partie, schneidet mehrere Clips - für die Mannschaft und für einzelne Spieler, zwei bis drei Minuten lang, mit positiven wie negativen Beispielen.

VfL-Trainer Joan Rallo Fernández. Foto: Struwe (Archiv/nomo)
„Zu viele Informationen sind immer zu viel“, sagt Fernández. Anschließend schaut er sich das Spiel noch einmal an und erfasst in Excel zahlreiche Statistiken, um zum Beispiel zu erkennen, welches Spielsystem zu wie vielen Punkten führt.
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Die Gegneranalyse übernimmt zum Großteil sein Assistent Adrià Martín. „Videoanalyse ist wichtig. Es ist aber auch wichtig, dass die Spieler verstehen, was sie auf dem Feld machen sollen“, so Fernández.
D/A-Fußballer setzen auf Profiportal
Der Fußball-Regionalligist SV Drochtersen/Assel nutzt das Portal die-ligen.net. Nach eigenen Angaben gehören zu dessen Kunden neben dem DFB nahezu alle Proficlubs bis zur vierten Liga.

So sieht die Gegneranalyse von D/A aus. Foto: Screenshot/Verein
D/A-Trainer Oliver Ioannou und vor allem Videoanalyst und Co-Trainer Jan-Ole Patjens sichten am Bildschirm das eigene Spiel und die nächsten Gegner. Per Mausklick können sie sich Tore, Gegentore, Freistöße, Einwürfe, Anstöße, Flanken und noch einiges mehr anschauen.
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Außerdem ruft Ioannou in dem Portal sinnvolle Statistiken ab und deutet sie. Aus den bewegten Bildern schneidet Patjens für die Vorbereitung auf den nächsten Gegner ein etwa vier- bis zehnminütiges Video zusammen.
Siebtligist nutzt besonderes Kamerasystem
Es gibt sogar Beispiele aus dem Amateurfußball. Bezirksliga-Trainer Filippo Callerame vom Deinster SV bezahlt das Kamerasystem „Veo“ aus eigener Tasche. Das System verfolgt automatisch den Ball, markiert mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) entscheidende Szenen und erlaubt es, einzelne Spieler hervorzuheben und ihnen die Sequenz direkt zu schicken.

Deinste-Coach Filippo Callerame. Foto: Berlin
„Gerade junge Spieler profitieren davon enorm. Sie sehen, dass ein Fehler oft schon viel früher beginnt, als man denkt. Hätte ich in dem Alter diese Möglichkeit gehabt, wäre ich der glücklichste Mensch gewesen“, sagt Callerame.
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Fußball, Handball, Basketball - viele Mannschaften im Kreis Stade setzen inzwischen auf Videoanalyse. Für BSV-Trainer Leun ist sie vor allem eine große Hilfe. Allerdings betont er auch: „Den Matchplan muss ich immer noch selbst entwickeln.“
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